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6. Ehescheidung (Lurger/Melcher)

Lurger/Melcher2. AuflJänner 2021

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Internationale Zuständigkeit: Für die Ehescheidung, die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes und die Ungültigerklärung einer Ehe sind die Regelungen der Brüssel IIa-VO 153153VO Nr 2201/2003 v 27.11.2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung, ABl 2003 L 338/1. zur internationalen Zuständigkeit und zur Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen aus anderen EU-Mitgliedstaaten (außer Dänemark) vorrangig heranzuziehen. Ab dem 1.8.2022 gilt die Brüssel IIb-VO.154154VO Nr 1111/2019 , ABl 2019 L 178/1 (Brüssel IIb). Für Details siehe ua Brosch, Die Neufassung der Brüssel IIa-Verordnung, GPR 2020, 179; Gruber/Möller, Die Neufassung der EuEheVO, IPRax 2020, 393. Erfasst sind aus österr Sicht: Klage auf Ehescheidung (§§ 46–55 EheG), auf Aufhebung (§§ 33–44 EheG) und auf Nichtigerklärung (§§ 20–28 EheG) sowie die einvernehmliche Scheidung gem § 55a EheG. Strittig ist, ob Klagen auf Feststellung des (Nicht-)Bestehens einer Ehe dem Anwendungsbereich unterliegen oder autonom nach der JN anzuknüpfen sind.155155Ausführlich Simotta/Fucik in Fasching/Konecny, Zivilprozessgesetze2 EuEheKindVO Art 1 Rz 9 (Stand: 30.11.2010, rdb.at). Zusätzlich gilt die Brüssel IIa-VO auch für Fragen der elterlichen Verantwortung (Obsorge) (siehe dazu unten Rz 2/171 f). Zentraler Anknüpfungspunkt ist wiederum der „gewöhnliche Aufenthalt“ (siehe dazu Rz 1/32). Gem Art 6 Brüssel IIa-VO darf ein Verfahren gegen einen Ehegatten, der in einem EU-Mitgliedstaat seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (lit a) oder

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dessen Staatsangehörigkeit besitzt (lit b), vor den Gerichten eines anderen Mitgliedstaates nur aufgrund der Art 3, 4 und 5 Brüssel IIa-VO geführt werden. Diesbezüglich bleibt den nationalen Zuständigkeitsbestimmungen der lex fori (= Restzuständigkeit gem Art 7 Abs 1 Brüssel IIa, sofern sich aus Art 3–5 keine Zuständigkeit ergibt) kein Anwendungsbereich: Eine in ihren Heimatstaat zurückgekehrte Österreicherin kann daher die Scheidungsklage gegen ihren in der Schweiz wohnhaften deutschen Ehegatten, mit dem sie gemeinsam in der Schweiz lebte, erst nach Verstreichen der 6-Monats-Frist vor österr Gerichten einbringen.156156OGH 11.9.2008, 7 Ob 155/08g. Wird ein EU-Staatsbürger jedoch in seinem eigenen Heimatstaat geklagt, so ist die Anwendung der nationalen Bestimmung über Art 7 möglich. Ebenso gilt Art 7 Brüssel IIa in Verfahren gegen Beklagte bzw Antragsgegner, die keinen gewöhnlichen Aufenthalt in der EU haben und (nur) Drittstaatsangehörige sind. Für das obige Beispiel bedeutet dies, dass die Österreicherin die Scheidungsklage sofort vor deutschen Gerichten einbringen könnte, sofern das deutsche Recht eine entsprechende Zuständigkeit vorsieht; sie könnte die Klage auch gem § 114a Abs 4 JN sofort vor österr Gerichten einbringen, wenn ihr Ehegatte nicht Deutscher, sondern Schweizer wäre.

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