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2. Gerichtlicher Vergleich / Abfindungsvergleich (Schickmair)

Schickmair2. AuflFebruar 2020

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Die Parteien haben die Möglichkeit, einen anhängigen Rechtstreit durch gerichtlichen Vergleich gütlich zu beenden und einzelne Standpunkte zu bereinigen (§§ 204 ZPO ff). Der gerichtliche Vergleich stellt gleichzeitig eine Prozesshandlung und einen zivilrechtlichen Vertrag (§§ 1380 ff) dar. Die materiell-rechtliche Gültigkeit des Vergleichs und sein Inhalt richten sich nach bürgerlichem Recht; ob er einen Prozess beendet, ist ausschließlich nach Prozessrecht zu beurteilen.10291029 Rechberger/Simotta, Zivilprozessrecht9 Rz 681 ff; Neumayr in KBB5 § 1380 Rz 9 mwN. Sowohl dem Prozessvergleich als auch dem zivilrechtlichen Vergleich kommt Bereinigungswirkung zu und die Parteien dürfen die durch den Vergleich bereinigten Streitpunkte nicht mehr aufwerfen. Häufig schließen die Streitteile im Vorfeld eines Prozesses oder nach Einbringung der Klage einen Abfindungsvergleich. Bei solchen Vergleichsabschlüssen iZm Schmerzengeldansprüchen ist für noch nicht bekannte und vorhersehbare künftige Folgeschäden zu beachten, dass die Bereinigungswirkung nur für die vom Vergleich umfassten Punkte eintritt. Welche strittigen Punkte von der Bereinigungswirkung des Vergleichs umfasst sind, ist eine Frage der individuellen Abgrenzung des Umfangs der Vergleichswirkungen. Bei der Auslegung des Vergleiches kommt es auf die Absicht der Parteien an.10301030OGH 2 Ob 70/11z mit zahlreichen Nachweisen; RIS-Justiz RS0031031. Die Geltendmachung neuer Schmerzengeldansprüche ist daher bei Abschluss eines Vergleiches dann möglich, wenn nach seiner Entstehungsgeschichte und seinem Wortlaut die Geltendmachung weiterer Schmerzengeldansprüche vorbehalten wurde, also lediglich eine Teilbemessung erfolgte.10311031OGH 2 Ob 150/06g, ZVR 2007/376 (Huber); OGH 2 Ob 233/06p; OGH 2 Ob 70/11z. Ein Vergleich steht einer Nachforderung nicht entgegen, wenn der Geschädigte von seiner Bereinigungswirkung ausgenommene unfallbedingte Schmerzen begehrt.10321032RIS-Justiz RS0031035. Halten die Parteien in einem Vergleich ausdrücklich den Zeitpunkt fest, bis zu dem Schmerzengeldansprüche bereinigt und verglichen sein sollen, kann das nach der Rsp beim Kläger die Erwartungshaltung

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wecken, die Beklagte sei grundsätzlich bereit, nach diesem Zeitpunkt liegende spätere Schmerzperioden abzugelten.10331033OGH 2 Ob 56/07k. Das erscheint allerdings fraglich, könnte der festgelegte Zeitpunkt doch genauso gut erwarten lassen, dass der Geschädigte über dieses Datum hinausgehende Schmerzen nicht (mehr) geltend machen kann und mit dem verglichenen Betrag „alles“ bereinigt ist.

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