VwGH Ro 2022/09/0006

VwGHRo 2022/09/000628.6.2022

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel sowie den Hofrat Dr. Doblinger und die Hofrätin Mag. Schindler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Dr. Hotz, über die Revision des A B in C, vertreten durch Dr. Sabine C. M. Deutsch, Rechtsanwältin in 8312 Riegersburg, Krennach 41, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 22. März 2022, 1. W170 2250284‑1/9E, 2. W170 2251508‑1/8E und 3. W170 2251508‑2/6E, betreffend vorläufige Suspendierung (zu 1.), Suspendierung (zu 2.) und Einleitung eines Disziplinarverfahrens (zu 3.) nach dem Beamten‑Dienstrechtsgesetz 1979 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: (1.) Landespolizeidirektion Steiermark, (2. und 3.) Bundesdisziplinarbehörde), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art133 Abs4
B-VG Art133 Abs5
B-VG Art144 Abs1
MRK Art10 Abs2
VwGG §28 Abs1 Z4
VwGG §34 Abs1
VwGG §41

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2022:RO2022090006.J00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber steht als Exekutivbediensteter in einem öffentlich‑rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund.

2 Im angefochtenen ‑ nach Durchführung einer über die Beschwerden gemeinsam durchgeführten mündlichen Verhandlung ‑ ergangenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde des Revisionswerbers gegen den Bescheid der Dienstbehörde vom 2. Dezember 2021 betreffend die vorläufige Suspendierung gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG in Verbindung mit § 112 Abs. 1 Beamten‑Dienstrechtsgesetz 1979 (BDG 1979) ab [Spruchpunkt I. A)] und wies die Beschwerde des Revisionswerbers gegen den Bescheid der Bundesdisziplinarbehörde vom 28. Dezember 2021 hinsichtlich der Suspendierung mit der Maßgabe ab, dass der Spruch zu lauten habe, dass der Revisionswerber gemäß § 112 Abs. 1 und 2 BDG 1979 vom Dienst suspendiert werde [Spruchpunkt II. A)]. Weiters gab es der Beschwerde des Revisionswerbers gegen den Bescheid der Bundesdisziplinarbehörde vom 28. Dezember 2021 betreffend die Einleitung des Disziplinarverfahrens teilweise statt und leitete mit dem im Beschwerdeverfahren ergangenen Erkenntnis gegen den Revisionswerber gemäß § 123 Abs. 1 BDG 1979 ein Disziplinarverfahren ein, weil er im Verdacht stehe, durch näher dargestellte Postings Dienstpflichtverletzungen gemäß § 43 Abs. 2 BDG 1979 begangen zu haben [Spruchpunkt III. A) 1.] und stellte darüber hinaus hinsichtlich weiterer Anschuldigungspunkte das Disziplinarverfahren gemäß § 118 Abs. 1 Z 2 zweiter Fall BDG 1979 ein [Spruchpunkt III. A) 2.)] ein. Weiters stellte es das Verfahren wegen teilweiser Zurückziehung der Beschwerde gemäß §§ 28 Abs. 1 und 2, 31 VwGVG ein [Spruchpunkt III. A) 3.]. Die Revision erklärte es hinsichtlich der Spruchpunkte I. und III. für nicht zulässig, hinsichtlich Spruchpunkt II. (Suspendierung) für zulässig.

3 Die Zulässigkeit der ordentlichen Revision betreffend Spruchpunkt II. begründete das Verwaltungsgericht damit, dass der Frage grundsätzliche Bedeutung zukomme, ob im Spruch des Suspendierungsbescheides nur die Entscheidung über die Suspendierung oder Nichtsuspendierung (bzw. die Suspendierung im Falle des Vorliegens der Voraussetzungen des § 112 Abs. 2 letzter Satz BDG 1979) aufzunehmen sei, nicht jedoch die bestehenden Verdachtsmomente. Es liege dazu keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor.

4 Gegen dieses Erkenntnis im Umfang der beschwerdeabweisenden Punkte richtet sich die vorliegende (als außerordentliche bezeichnete) Revision.

5 Gemäß § 28 Abs. 1 Z 4 VwGG hat die Revision (unter anderem) die Bezeichnung der Rechte, in denen der Revisionswerber verletzt zu sein behauptet (Revisionspunkte), zu enthalten. Durch die vom Revisionswerber vorgenommene Bezeichnung der Revisionspunkte wird der Prozessgegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens festgelegt und der Rahmen, an den der Verwaltungsgerichtshof bei der Prüfung des angefochtenen Erkenntnisses oder des angefochtenen Beschlusses gemäß § 41 VwGG gebunden ist. Danach hat der Verwaltungsgerichtshof nicht zu prüfen, ob durch die angefochtene Entscheidung irgendein subjektives Recht des Revisionswerbers verletzt wurde, sondern nur zu prüfen, ob jenes Recht verletzt wurde, dessen Verletzung dieser behauptet. Der in § 28 Abs. 1 Z 4 VwGG geforderten Angabe der Revisionspunkte kommt für den Prozessgegenstand des Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof insoweit entscheidende Bedeutung zu, als der Revisionswerber jenes subjektive Recht herauszuheben hat, dessen behauptete Verletzung die Legitimation zur Revisionserhebung erst begründet. Wird der Revisionspunkt unmissverständlich behauptet, so ist einer Auslegung aus dem Gesamtzusammenhang der Revision nicht zugänglich (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung etwa VwGH 8.4.2022, Ro 2022/03/0017, 24.5.2022, Ra 2021/06/0001; jeweils mwN).

6 Der Revisionswerber führt unter „Revisionspunkte“ aus, er erachte sich in seinem „einfachgesetzlich gewährleisteten subjektiven Recht auf Ausübung seines Berufes und Trennung zu seinem Privatleben geäußerten Meinung verletzt“ sowie in seinem „Recht, dass er einem gesetzmäßigen Verwaltungsverfahren unterzogen wird“.

7 Mit dem in der vorliegenden Revision angeführten Recht auf Durchführung eines gesetzmäßigen Verwaltungsverfahrens wird kein subjektives öffentliches Recht im Sinn des § 28 Abs. 1 Z 4 VwGG dargelegt, weil es nach ständiger hg. Judikatur kein solches abstraktes Recht gibt (vgl. VwGH 5.10.2020, Ra 2020/22/0203, mwN). Mit dem Recht auf Erwerbs(ausübungs)freiheit und das Recht auf Meinungsäußerungsfreiheit werden lediglich verfassungsrechtlich geschützte Rechte geltend gemacht. Der Verwaltungsgerichtshof ist zur Prüfung einer Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte, die gemäß Art. 144 Abs. 1 B‑VG als Prozessvoraussetzungen für ein Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof umschrieben sind, gemäß Art. 133 Abs. 5 B‑VG nicht berufen. Insbesondere ist eine solche Behauptung nicht geeignet, die Zulässigkeit der Revision darzutun (vgl. VwGH 23.11.2021, Ra 2021/20/0338, mwN).

8 Im Übrigen legt die Revision in ihrer Zulässigkeitsbegründung keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung dar.

9 Der Revisionswerber hat auch bei Erhebung einer vom Verwaltungsgericht für zulässig erklärten ordentlichen Revision von sich aus die Zulässigkeit der Revision gesondert darzulegen, wenn die Begründung der Revisionszulässigkeit durch das Verwaltungsgericht nicht ausreicht (oder er andere Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung für relevant erachte). Der Verwaltungsgerichtshof hat weder Gründe für die Zulässigkeit der Revision anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen noch ist er berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit der Revision führen könnten, aufzugreifen (vgl. VwGH 23.11.2016, Ro 2016/05/0014, mwN).

10 Zu der vom Verwaltungsgericht als zulässig angesehenen Rechtsfrage finden sich in der gesamten Revision keine Ausführungen. Der Revisionswerber kommt weder in der Zulässigkeitsbegründung noch in der Revisionsbegründung argumentativ darauf zurück.

11 Soweit der Revisionswerber zur Zulässigkeit seiner Revision im Wesentlichen ins Treffen führt, die inkriminierten Äußerungen seien privat getätigt worden und von der Meinungsäußerungsfreiheit umfasst, und auf eine fehlende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes verweist, ist dem zu entgegnen, dass es der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum BDG 1979 entspricht, dass auch ein außerdienstliches Verhalten eine Dienstpflichtverletzung darstellen kann (vgl. dazu aus der ständigen Rechtsprechung VwGH 22.10.2021, Ra 2020/09/0008, mwN). Weiters ist auf die bereits bestehende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage der Zulässigkeit einer disziplinären Bestrafung des Revisionswerbers im Hinblick auf Art. 10 Abs. 2 EMRK zu verweisen (vgl. im Zusammenhang mit außerdienstlich geäußerter Kritik an der eigenen Behörde etwa VwGH 18.6.2014, 2013/09/0115, mit Nachweisen aus der Rechtsprechung des VwGH und des EGMR).

12 Mit der bloßen Behauptung, dass das Bundesverwaltungsgericht von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen sei, wird die Begründung für die Zulässigkeit der Revision nicht gesetzmäßig ausgeführt (vgl. etwa VwGH 22.10.2021, Ra 2021/01/0346, mwN). Diesen Anforderungen wird die vorliegende Zulassungsbegründung, die pauschal eine Abweichung von nicht zitierter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes behauptet, nicht gerecht.

13 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

14 Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.

Wien, am 28. Juni 2022

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