Normen
AVG §45 Abs2
BVergG 2018 §2 Z24
BVergG 2018 §2 Z48 lita
BVergG 2018 §2 Z48 litb
BVergG 2018 §9 Abs1
BVergG 2018 §9 Abs1 Z20
BVergG 2018 §9 Abs1 Z22
VwGG §41
VwGVG 2014 §17
VwRallg
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2022:RO2021040017.J00
Spruch:
Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.
Die Revisionswerberin hat der zweitmitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1 1. Die Erstmitbeteiligte (Auftraggeberin) beabsichtigte die Neuerrichtung eines Gebäudes für ihren gemeindeeigenen Kindergarten (im Folgenden: Vorhaben). Zu diesem Zweck schloss sie im Herbst 2019 mit der Revisionswerberin, einer gemeinnützigen Wohnungsgenossenschaft, einen (sogenannten) Betreuungsvertrag, mit dem die Auftraggeberin der Revisionswerberin die gesamte Betreuung des Vorhabens übertrug.
2 Mit Erkenntnis vom 10. Jänner 2020 stellte das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich fest, dass das betreffende Vergabeverfahren rechtswidriger Weise ohne vorherige Bekanntmachung durchgeführt worden sei, und erklärte den abgeschlossenen Betreuungsvertrag für absolut nichtig.
3 Das Verwaltungsgericht begründete seine Entscheidung damit, dass der Betreuungsvertrag die Übertragung von Leistungen beinhalte, die über eine „zentrale Beschaffungstätigkeit“ im Sinn des § 2 Z 48 BVergG 2018 hinausgingen, und der Vertrag daher nicht vom Anwendungsbereich des BVergG 2018 gemäß seinem § 9 Abs. 1 Z 22 ausgenommen gewesen sei.
4 2. Anfang Juni 2020 schlossen die Auftraggeberin und die Revisionswerberin einen (sogenannten) Beschaffungsvertrag ab, dem zufolge sich die Auftraggeberin „zur Beschaffung sämtlicher für die schlüsselfertige Herstellung des Gebäudes notwendigen Leistungen“ (betreffend das Vorhaben) der ‑ darin als zentrale Beschaffungsstelle im Sinn des § 2 Z 47 BVergG 2018 bezeichneten ‑ Revisionswerberin bediene.
5 Dagegen richtete sich der hier zugrundeliegende Feststellungsantrag der Zweitmitbeteiligten (einer Ziviltechnikergesellschaft) vom 20. November 2020.
6 3. Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis vom 22. Jänner 2021 gab das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich diesem Feststellungsantrag statt, stellte fest, dass das Vergabeverfahren der Auftraggeberin betreffend das Vorhaben rechtswidriger Weise ohne vorherige Bekanntmachung durchgeführt worden sei, und erklärte den zwischen der Auftraggeberin und der Revisionswerberin dazu abgeschlossenen Beschaffungsvertrag für absolut nichtig. Die Auftraggeberin wurde verpflichtet, der Zweitmitbeteiligten die entrichteten Pauschalgebühren zu ersetzen. Die Revision wurde für zulässig erklärt.
7 3.1. Das Verwaltungsgericht legte seiner Entscheidung ‑ über den dargestellten Verfahrensgang hinaus ‑ folgenden Sachverhalt zugrunde: Die Revisionswerberin habe (auf Basis des Betreuungsvertrages) für das Vorhaben näher angeführte Dienstleister beauftragt, die (großteils) auch Arbeiten in der Bauausführungsphase erbringen würden und die vertraglich verpflichtet worden seien, ihre Arbeiten „in jedem Stadium und mit jedem Schritt“ mit der Revisionswerberin abzustimmen. Ungeachtet der Nichtigerklärung des Betreuungsvertrages durch das Verwaltungsgericht habe die Revisionswerberin die Beschaffung für das Vorhaben fortgesetzt. In der Gemeinderatssitzung der Auftraggeberin vom 19. Mai 2020 sei sodann der Abschluss des Beschaffungsvertrages mehrheitlich beschlossen worden.
8 Der (im angefochtenen Erkenntnis auszugsweise wiedergegebene) Beschaffungsvertrag enthalte unter Pkt. II. („Beschaffungstätigkeit“) eine Auflistung der Dienstleistungen, Bauleistungen und Lieferleistungen, die von der Revisionswerberin entsprechend den Bestimmungen des BVergG 2018 zu beschaffen seien. Die Auftraggeberin verpflichte sich, ohne vorheriges Einvernehmen mit der Revisionswerberin keine Anordnungen hinsichtlich der Bauausführung zu erteilen. Unter Pkt. III. („Nebenbeschaffungstätigkeit“) seien der Revisionswerberin ua. folgende Aufgaben übertragen worden: Erstellung einer genauen Berechnung der Kosten für den Finanzierungsplan der Auftraggeberin, Verfolgung der tatsächlichen Kosten, regelmäßige Überprüfung der Einhaltung der berechneten Errichtungskosten, Kontrolltätigkeit betreffend die Erbringung und Ausführung der beschafften Leistungen zur Sicherstellung der erforderlichen Qualitätsstandards, unverzügliche Unterrichtung der Auftraggeberin bei erkannten Missständen, Erstellung der Endabrechnung auf Basis der geprüften Schlussrechnungen. Als Honorar seien für die Beschaffungstätigkeit € 91.970,- und für die Nebenbeschaffungstätigkeit € 61.975,‑ vorgesehen gewesen. Zudem könne die Revisionswerberin der Auftraggeberin beschaffte Leistungen in der Höhe von € 257.739,‑ verrechnen.
9 Die Vertragsparteien hätten (so das Verwaltungsgericht weiter) bei Abschluss des Beschaffungsvertrages beabsichtigt, dass dieser ‑ mit Ausnahme der ÖBA (örtliche Bauaufsicht), die mit verringertem Leistungsumfang (teilweise) als Dienstleistung ausgeschrieben werden solle ‑ nach seinem Zweck, dem Leistungsumfang und der wirtschaftlichen Belastung der Auftraggeberin dem (für nichtig erklärten) Betreuungsvertrag entsprechen solle. Mit dem (von der Revisionswerberin verrechneten) Betrag von € 257.739,‑ werde der Auftraggeberin auch ein Teilbetrag von € 66.367,‑ für die von der Revisionswerberin selbst erbrachten ÖBA‑Leistungen verrechnet.
10 3.2. Die Feststellungen zur Absicht der Vertragsparteien bei Abschluss des Beschaffungsvertrages gründete das Verwaltungsgericht in seiner Beweiswürdigung vor allem auf das Sitzungsprotokoll der Gemeinderatssitzung (samt den darin getätigten, auszugsweise dargestellten Erklärungen des Bürgermeisters der Auftraggeberin und des Vertreters der Revisionswerberin), aus dem sich klar ergebe, dass mit dem Beschaffungsvertrag weder der Zweck noch der Leistungsumfang des zuvor abgeschlossenen Betreuungsvertrages geändert werden sollten. Beide Vertragsparteien hätten erklärt, dass mit dem Beschaffungsvertrag (abgesehen von der ÖBA) keine wirtschaftliche Änderung verbunden sei. Die Absicht der Vertragsparteien manifestiere sich auch im Vertragsziel (Beschaffung eines schlüsselfertigen Gebäudes), in der Mitwirkung der Revisionswerberin im „Kostendämpfungsverfahren“ des Landes Oberösterreich sowie in der ihr zufallenden Pflicht zur Kostenberechnung und ‑verfolgung und zur Qualitätskontrolle hinsichtlich der Bauausführung. Die Verpflichtung zur Qualitätskontrolle zeige sich auch darin, dass die Revisionswerberin beabsichtige, die baulichen Planungsleistungen „technische und geschäftliche Oberleitung“ gar nicht und die ÖBA nur in sehr eingeschränktem Umfang auszuschreiben. Auch aus den (näher dargestellten) Erklärungen der Vertragsparteien gegenüber dem Gemeinderat ergebe sich, dass die Leistungen der Oberleitung sowie ein Großteil der ÖBA‑Leistungen von der Revisionswerberin zu erbringen seien. Darüber hinaus sei die Leistungspflicht der Revisionswerberin erst nach der Durchführung der Endabrechnung beendet.
11 Die Feststellungen zur Erbringung der ÖBA (die großteils von der Revisionswerberin erbracht und nur zu einem geringen Teil ausgeschrieben werden sollte) stützte das Verwaltungsgericht ebenfalls auf näher dargestellte Erklärungen der Vertragsparteien gegenüber dem Gemeinderat sowie auf den in der mündlichen Verhandlung letztlich zugestandenen Umstand, dass die Revisionswerberin lediglich Dienstleistungen im Ausmaß von € 191.372,‑ beschafft habe und mit dem Differenzbetrag (zur fakturierten Gesamtsumme von € 257.739,‑) von € 66.367,‑ die ÖBA‑Eigenleistungen der Revisionswerberin abgegolten werden sollten.
12 3.3. In seiner rechtlichen Beurteilung hielt das Verwaltungsgericht zunächst fest, es sei von einer Auftragsvergabe oberhalb des Schwellenwertes von € 214.000,‑ auszugehen, weil ‑ selbst wenn man nur das Honorar für die eigenen Leistungen der Revisionswerberin in Betracht ziehe (und die weiterverrechneten Beträge für die beschafften Leistungen außer Acht lasse) ‑ zum Beschaffungshonorar in der Höhe von € 153.765,‑ jedenfalls die Abgeltung der ÖBA‑Eigenleistungen in der Höhe von € 66.367,‑ hinzuzurechnen wäre und sich daraus ein Gesamtentgelt in der Höhe von € 220.132,‑ ergebe.
13 Die Auftraggeberin habe das Unterlassen einer Ausschreibung mit der Auftragserteilung an die Revisionswerberin als zentrale Beschaffungsstelle und mit der Ausnahmebestimmung des § 9 Abs. 1 Z 20 und 22 BVergG 2018 begründet. Eine insoweit ins Treffen geführte Nebenbeschaffungstätigkeit sei aber nur im Umfang einer unterstützenden Hilfstätigkeit einer vergebenden Stelle und nur dann ausgenommen, wenn sie zusammen mit einer Auftragsvergabe erbracht werde. Gemessen an dem ‑ für die Auslegung des Vertrages maßgeblichen ‑ wahren Willen der Vertragsparteien überschreite der Inhalt des Beschaffungsvertrages den eng begrenzten Umfang der Ausnahmeregelung. Die von der Revisionswerberin zu erbringenden Leistungen nach der Zuschlagserteilung seien nicht als Nebenbeschaffungstätigkeiten zu qualifizieren. Die Auftraggeberin habe auch nicht überzeugend darlegen können, dass die Vergabe der Aufträge nicht ohne die (hier übertragenen) Kontroll‑ und Abwicklungsleistungen möglich gewesen wäre bzw. diese Tätigkeiten nicht von einem dazu beauftragten Architekten hätten ausgeführt werden können. Da der nach dem wahren Willen der Vertragsparteien zu beurteilende Beschaffungsvertrag auch die Übertragung von Leistungen beinhalte, die über eine zentrale Beschaffungstätigkeit (einschließlich einer Nebenbeschaffungstätigkeit) hinausgingen, sei der Beschaffungsvertrag nicht gemäß dessen § 9 Abs. 1 Z 20 und 22 vom Anwendungsbereich des BVergG 2018 ausgenommen.
14 Somit müsse auf die Frage, ob gemeinnützige Wohnbaugenossenschaften überhaupt als öffentliche Auftraggeber und damit als zentrale Beschaffungsstellen anzusehen seien, nicht mehr eingegangen werden.
15 3.4. Die Zulassung der ordentlichen Revision begründete das Verwaltungsgericht damit, es fehle an Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur hier entscheidungserheblichen Frage der Erbringung von Eigenleistungen eines Auftragnehmers im Rahmen von zentralen Beschaffungstätigkeiten bzw. von Nebenbeschaffungstätigkeiten.
16 4. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende ordentliche Revision.
17 Die Zweitmitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie die Zurückweisung, in eventu die Abweisung der Revision beantragt.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
18 1. Die Revision erweist sich im Hinblick auf die Begründung des Verwaltungsgerichtes zwar als zulässig, aus nachstehenden Erwägungen jedoch nicht als begründet.
19 2. Die maßgeblichen Regelungen des Bundesvergabegesetzes 2018 (BVergG 2018), BGBl. I Nr. 65, lauten auszugsweise:
„Begriffsbestimmungen
§ 2. Im Geltungsbereich dieses Bundesgesetzes sind folgende Begriffsbestimmungen maßgebend:
[...]
24. Nebenbeschaffungstätigkeiten sind Tätigkeiten zur Unterstützung von Beschaffungstätigkeiten, wie insbesondere
a) die Bereitstellung technischer Infrastruktur, die es dem Auftraggeber ermöglicht, Aufträge zu vergeben oder Rahmenvereinbarungen über Bau-, Liefer- oder Dienstleistungen abzuschließen, oder
b) die Beratung zur Ausführung oder Planung von Vergabeverfahren, oder
c) die Vorbereitung und Betreuung von Vergabeverfahren im Namen des betreffenden Auftraggebers.
[...]
42. Vergebende Stelle ist jene Organisationseinheit oder jener Bevollmächtigte des Auftraggebers, die bzw. der das Vergabeverfahren für den Auftraggeber durchführt.
[...]
47. Zentrale Beschaffungsstelle ist ein Auftraggeber gemäß den §§ 4 Abs. 1 bzw. 167 bis 169 oder ein Auftraggeber gemäß Art. 2 Abs. 1 Z 1 der Richtlinie 2014/24/EU [...] bzw. Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2014/25/EU [...] mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat der EU oder mit Sitz in einer sonstigen Vertragspartei des EWR‑Abkommens, der eine zentrale Beschaffungstätigkeit, gegebenenfalls zusammen mit einer Nebenbeschaffungstätigkeit, ausübt.
48. Zentrale Beschaffungstätigkeiten sind folgende auf Dauer für Auftraggeber gemäß den §§ 4 Abs. 1 bzw. 167 bis 169 oder für Auftraggeber gemäß Art. 2 Abs. 1 Z 1 der Richtlinie 2014/24/EU bzw. Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2014/25/EU mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat der EU oder mit Sitz in einer sonstigen Vertragspartei des EWR‑Abkommens durchgeführte Tätigkeiten:
a) der Erwerb von Waren oder Dienstleistungen oder
b) die Vergabe von Aufträgen oder der Abschluss von Rahmenvereinbarungen.
[...]
Ausgenommene Vergabeverfahren
§ 9. (1) Dieses Bundesgesetz gilt nicht für
[...]
20. Liefer- oder Dienstleistungsaufträge eines öffentlichen Auftraggebers an eine zentrale Beschaffungsstelle, die öffentlicher Auftraggeber gemäß diesem Bundesgesetz ist, oder an eine zentrale Beschaffungsstelle gemäß Art. 2 Abs. 1 Z 16 der Richtlinie 2014/24/EU mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat der EU oder mit Sitz in einer sonstigen Vertragspartei des EWR‑Abkommens, die diese Liefer- oder Dienstleistungen zum Zweck der Weiterveräußerung an andere Auftraggeber erworben hat,
[...]
22. Dienstleistungsaufträge an eine zentrale Beschaffungsstelle, die öffentlicher Auftraggeber gemäß diesem Bundesgesetz ist, oder an eine zentrale Beschaffungsstelle gemäß Art. 2 Abs. 1 Z 16 der Richtlinie 2014/24/EU mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat der EU oder mit Sitz in einer sonstigen Vertragspartei des EWR‑Abkommens zur Erbringung von zentralen Beschaffungstätigkeiten oder von zentralen Beschaffungstätigkeiten zusammen mit Nebenbeschaffungstätigkeiten,
[...]“
20 3. Die Revisionswerberin bringt zunächst vor, das Verwaltungsgericht habe jegliche Auseinandersetzung mit der entscheidungswesentlichen Frage verweigert, ob die Revisionswerberin eine öffentliche Auftraggeberin und dem folgend eine zentrale Beschaffungsstelle gemäß § 2 Z 47 BVergG 2018 sei.
21 Dem ist Folgendes entgegenzuhalten: Das Verwaltungsgericht hat mit näherer Begründung (auf die in Pkt. II.5. eingegangen wird) das Vorliegen eines Ausnahmetatbestandes nach § 9 Abs. 1 Z 20 oder 22 BVergG 2018 verneint und vor diesem Hintergrund die Frage, ob die Revisionswerberin überhaupt eine öffentliche Auftraggeberin sei (und damit eine zentrale Beschaffungsstelle sein könne), als nicht mehr relevant angesehen. Dass es sich bei der Revisionswerberin um keine öffentliche Auftraggeberin handle, wurde der angefochtenen Entscheidung somit nicht zugrunde gelegt.
Diese Vorgehensweise kann nicht als rechtswidrig erkannt werden. Wäre das Verwaltungsgericht nach Prüfung der von der Revisionswerberin aufgeworfenen Frage nämlich zur Ansicht gelangt, dass es sich bei der Revisionswerberin nicht um eine öffentliche Auftraggeberin handle (und somit gar nicht um eine zentrale Beschaffungsstelle handeln könne), dann wären die gegenständlich zu beurteilenden Ausnahmetatbestände schon aus diesem Grund nicht einschlägig gewesen. Der von der Revisionswerberin ins Treffen geführte Begründungs- bzw. Verfahrensmangel konnte daher auf das Ergebnis des angefochtenen Erkenntnisses keinen Einfluss haben.
22 4. Die Revisionswerberin rügt weiters, das Verwaltungsgericht habe ihr Vorbringen ignoriert, wonach sie die Leistungen der ÖBA nicht selbst erbringen werde und das gegenständliche Vorhaben nach wie vor nicht umgesetzt sei.
23 Soweit sich die Revisionswerberin damit der Sache nach gegen die (den Feststellungen zum Inhalt des Beschaffungsvertrages zugrundeliegende) Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichtes wendet, ist dem entgegenzuhalten, dass die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichtes, nur in beschränktem Maße, nämlich nur hinsichtlich ihrer Schlüssigkeit, nicht aber hinsichtlich ihrer Richtigkeit, einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof unterliegt (vgl. VwGH 8.8.2018, Ra 2015/04/0102, Rn. 37, mwN). Dass die vorliegend vom Verwaltungsgericht vorgenommene und eingehend begründete Beweiswürdigung an einer vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifenden Mangelhaftigkeit leiden würde, vermag die Revisionswerberin mit ihrem nicht näher substantiierten Vorbringen allerdings nicht aufzuzeigen.
24 5.1. Vor allem bringt die Revisionswerberin aber vor, das Verwaltungsgericht habe die Ausnahmebestimmung des § 9 Abs. 1 Z 22 BVergG 2018 und somit seine Zuständigkeit bzw. die Zulässigkeit des Rechtsweges falsch beurteilt. Nach Ansicht der Revisionswerberin unterscheide die Richtlinie 2014/24/EU (wie auch das BVergG 2018) klar zwischen zentralen Beschaffungstätigkeiten und Nebenbeschaffungstätigkeiten, wobei letztere auch von Einrichtungen erbracht werden könnten, die selbst keine zentrale Beschaffungsstelle seien. Die Definition der zentralen Beschaffungsstelle in § 2 Z 48 lit. b BVergG 2018 stelle auf die Vergabe von Aufträgen ab, worunter alle Auftragsarten gemäß den §§ 5 bis 8 BVergG 2018 zu verstehen seien. Die Erläuterungen würden zudem klarstellen, dass sich das darin normierte Vermittlermodell auch auf „Dienstleistungen zum Erwerb von Bauleistungen und nicht bloß auf die Dienstleistungen der Ausschreibung und Vergabe von Bauleistungen“ beziehe. Somit könne die Verantwortung für die Abwicklung dieses Dienstleistungsauftrags ausschließlich in der Sphäre der zentralen Beschaffungsstelle liegen.
25 Das vergaberechtliche Institut der zentralen Beschaffungsstelle verfolge ‑ so die Revisionswerberin weiter ‑ das Ziel, allen Auftraggebern, die mit der Komplexität des öffentlichen Vergaberechts überfordert seien, eine niederschwellige Möglichkeit anzubieten, die Verantwortung für ihre Beschaffungen auszulagern. Daher sei der Aufgabenbereich einer zentralen Beschaffungsstelle nicht restriktiv, sondern „vergaberechtlich‑funktional“ auszulegen. Das Verwaltungsgericht habe demgegenüber den Aufgabenbereich einer zentralen Beschaffungsstelle mit einer vergebenden Stelle im Sinn des § 2 Z 42 BVergG 2018 verwechselt. Zu der vom Verwaltungsgericht gerügten Kostenkontrolle nach Zuschlagserteilung merkte die Revisionswerberin an, es gebe bei einem Bauvorhaben nicht einen Termin für die Zuschlagserteilung, weil die erforderlichen Leistungen nacheinander ausgeschrieben werden müssten, und es sei bei komplexen Bauvorhaben die Regel, dass im Zuge der Bauausführung Umplanungen stattfinden müssten. Auch die durchzuführende Endabrechnung diene dazu, das vereinbarte Honorar der Revisionswerberin darstellen zu können.
26 5.2. Die Zweitmitbeteiligte hält dem in ihrer Revisionsbeantwortung entgegen, dass der hier zugrundeliegende Sachverhalt keinesfalls unter den Begriff der zentralen Beschaffungstätigkeit subsumiert werden könne. Die lit. a des § 2 Z 48 BVergG 2018 sei auf den Erwerb von Waren oder Dienstleistungen beschränkt, die lit. b auf die Vergabe von Aufträgen. Der Erwerb von Bauleistungen sei entgegen der Ansicht der Revisionswerberin nicht erfasst und könne daher nicht als zentrale Beschaffungstätigkeit angesehen werden. Im Hinblick auf die von der Revisionswerberin übernommenen Leistungen, die von ihr mit eigenen Ressourcen nach Beendigung des Vergabeverfahrens erbracht werden sollten, überschreite der Beschaffungsvertrag den Umfang eines Liefer- oder Dienstleistungsauftrages an eine zentrale Beschaffungsstelle im Sinn des § 9 Abs. 1 Z 20 und 22 BVergG 2018. Entgegen der Darstellung der Revisionswerberin diene die Endabrechnung nicht der Darstellung ihres Honorars, sondern seien vielmehr die im Kostendämpfungsverfahren freigegebenen Gesamtbaukosten Basis des Honorars.
27 5.3. Das Verwaltungsgericht hat im gegenständlichen Fall das Vorliegen der Ausnahmetatbestände der Z 20 und 22 des § 9 Abs. 1 BVergG 2018 geprüft.
28 5.3.1. Nach der Z 20 der genannten Ausnahmebestimmung sind Liefer- oder Dienstleistungsaufträge eines öffentlichen Auftraggebers an eine zentrale Beschaffungsstelle ausgenommen, die diese Liefer- oder Dienstleistungen zum Zweck der Weiterveräußerung an andere Auftraggeber erworben hat. Die Erläuterungen (RV 69 BlgNR 26. GP 38) führen dazu aus, damit seien Beschaffungen im Wege des sogenannten „Großhändlermodells“ im Sinn des § 2 Z 48 lit. a BVergG 2018 vom Anwendungsbereich ausgenommen.
29 Der somit angesprochene § 2 Z 48 lit. a BVergG 2018 nennt als zentrale Beschaffungstätigkeiten (als auf Dauer durchgeführte Tätigkeiten) den Erwerb von Waren oder Dienstleistungen. Die Erläuterungen (RV 69 BlgNR 26. GP 17 f) halten dazu fest, dass im Rahmen der lit. a (Großhändlermodell, in dem die Beschaffung bestimmter Leistungen im eigenen Namen und auf eigene Rechnung mit dem Ziel des anschließenden Weiterverkaufs an andere Auftraggeber erfolgt) der Erwerb von Bauleistungen nicht erfasst ist.
30 Das Verwaltungsgericht legte seiner Entscheidung ‑ in (wie bereits dargelegt) nicht zu beanstandender Weise ‑ zugrunde, dass der Revisionswerberin mit dem gegenständlichen Beschaffungsvertrag nicht nur die Beschaffung von Leistungen Dritter für die Auftraggeberin, sondern auch die Erbringung zahlreicher (näher dargestellter) Eigenleistungen (wie die technische und geschäftliche Oberleitung, die ÖBA bzw. Kontrolltätigkeiten hinsichtlich der Kosten und der Ausführungsqualität) übertragen wurde. Diesbezüglich kommt die Annahme eines Erwerbs einer Dienstleistung durch die Revisionswerberin von einem Dritten zum Zweck der Weiterveräußerung an die Auftraggeberin nicht in Betracht. Die Definition des § 2 Z 48 lit. a BVergG 2018 ist insoweit nicht erfüllt und ein Berufen auf den Ausnahmetatbestand des § 9 Abs. 1 Z 20 BVergG 2018 scheidet daher aus. Es kann somit auch dahingestellt bleiben, ob es sich bei den fraglichen Leistungen (nach der „Auffangregelung“ des § 7 BVergG 2018) um Dienstleistungsaufträge oder (infolge einer allfälligen gleichzeitigen Ausführung und Planung von Bauleistungen bzw. eines Bauvorhabens) um Bauaufträge im Sinn des § 5 Abs. 1 Z 1 und 2 BVergG 2018 handelt.
31 5.3.2. Die Z 22 des § 9 Abs. 1 BVergG 2018 nimmt Dienstleistungsaufträge an eine zentrale Beschaffungsstelle zur Erbringung von zentralen Beschaffungstätigkeiten oder von zentralen Beschaffungstätigkeiten zusammen mit Nebenbeschaffungstätigkeiten vom Anwendungsbereich aus. Nach den Erläuterungen (RV 69 BlgNR 26. GP 39) wird damit der Fall des „Vollmachts- bzw. Vermittlermodells“ im Sinn des § 2 Z 48 lit. b BVergG 2018 geregelt und somit die Beauftragung einer zentralen Beschaffungsstelle mit dem Dienstleistungsauftrag, zentrale Beschaffungstätigkeiten ‑ gegebenenfalls gekoppelt mit Nebenbeschaffungstätigkeiten ‑ für den beauftragenden Auftraggeber zu erbringen, freigestellt. Die Nebenbeschaffungstätigkeiten müssen im Zusammenhang mit der Ausübung zentraler Beschaffungstätigkeiten ausgeführt werden.
32 Die insoweit bezogene lit. b des § 2 Z 48 BVergG 2018 nennt als zentrale Beschaffungstätigkeiten die Vergabe von Aufträgen oder den Abschluss von Rahmenvereinbarungen, wobei dies nach den Erläuterungen (RV 69 BlgNR 26. GP 17) in fremdem Namen und auf fremde Rechnung erfolgt. Die zentrale Beschaffungsstelle wird insoweit als Bevollmächtigte tätig. Weiters halten die zitierten Erläuterungen fest, dass sich das Vollmachts- bzw. Vermittlermodell auf Bau‑, Liefer- und Dienstleistungen erstreckt.
33 Vorauszuschicken ist zum dahingehenden Revisionsvorbringen zunächst, dass das Vollmachts- und Vermittlermodell (§ 2 Z 48 lit. b BVergG 2018) nach dem klaren Wortlaut und den dazu ergangenen Erläuterungen entgegen der Ansicht der Revisionswerberin (neben dem vorliegend nicht einschlägigen Abschluss von Rahmenvereinbarungen) die „Vergabe von Aufträgen“ (auch von Bauaufträgen) erfasst, nicht jedoch (wie dies das Großhändlermodell gemäß § 2 Z 48 lit. a BVergG 2018 für Waren und Dienstleistungen vorsieht) den „Erwerb von Bauleistungen“.
34 Unstrittig ist im vorliegenden Fall zwar, dass der Beschaffungsvertrag jedenfalls auch die Erbringung zentraler Beschaffungstätigkeiten zum Inhalt hat, weil die Revisionswerberin für die Auftraggeberin (und damit ‑ zwar nicht ausschließlich, aber auch ‑ in deren Namen und auf deren Rechnung) Leistungen zu beschaffen hatte. Ebenso unstrittig ist aber, dass es sich bei den vom Verwaltungsgericht insoweit monierten Eigenleistungen (siehe Rn. 7 und 30) nicht um zentrale Beschaffungstätigkeiten handelt.
35 Die Ausnahmebestimmung des § 9 Abs. 1 Z 22 BVergG 2018 erlaubt jedoch ‑ wie dargestellt ‑ auch die Erbringung von (zusammen mit zentralen Beschaffungstätigkeiten ausgeübten) Nebenbeschaffungstätigkeiten. Dabei handelt es sich nach der Definition des § 2 Z 24 BVergG 2018 um Tätigkeiten zur Unterstützung von Beschaffungstätigkeiten, insbesondere die Bereitstellung technischer Infrastruktur zur Ermöglichung von Auftragsvergaben, die Beratung zur Ausführung oder Planung von Vergabeverfahren sowie die Vorbereitung und Betreuung von Vergabeverfahren im Namen des Auftraggebers. Die Erläuterungen (RV 69 BlgNR 26. GP 13) verwenden dazu den Begriff „unterstützende Hilfstätigkeiten“ und verweisen auf die Tätigkeiten einer vergebenden Stelle. Weiters wird klargestellt, dass „Tätigkeiten nach Zuschlagserteilung (zB Monitoring der Auftragsabwicklung)“ nach der Definition nicht als Nebenbeschaffungstätigkeiten qualifiziert werden können.
36 Vor dem Hintergrund dieser Erläuterungen ist es nicht zu beanstanden, dass das Verwaltungsgericht einige der von der Revisionswerberin nach dem Beschaffungsvertrag selbst zu erbringenden Leistungen nicht als derartige unterstützende Hilfstätigkeiten angesehen hat. Insbesondere die Qualitätskontrolle im Zuge der Bauausführung, die technische und geschäftliche Oberleitung sowie die (teilweise von der Revisionswerberin erbrachte) ÖBA dienen nicht mehr der Betreuung bzw. der Vorbereitung und Verwaltung eines Vergabeverfahrens und finden in der Definition des § 2 Z 24 BVergG 2018 somit keine Deckung. Das Verwaltungsgericht hat auch zu Recht berücksichtigt, dass einzelne dieser Tätigkeiten nach der Zuschlagserteilung zu erbringen und auch aus diesem Grund nicht als Nebenbeschaffungstätigkeiten zu qualifizieren waren. Daran vermag der von der Revisionswerberin ins Treffen geführte Umstand, dass bei einem Bauvorhaben die Ausschreibung (und daran anknüpfend auch die Zuschlagserteilung) hinsichtlich der einzelnen Gewerke in zeitlich gestaffelter Form erfolgen kann, nichts zu ändern.
37 Das Verwaltungsgericht hat des Weiteren zutreffend darauf verwiesen, dass die Ausnahmen von der Verpflichtung zur Einhaltung der Vorschriften über das öffentliche Auftragswesen eng auszulegen sind (vgl. etwa VwGH 30.4.2019, Ro 2016/04/0053, Rn. 47, mwH zur Judikatur des EuGH). Der Revisionswerberin ist daher nicht beizutreten, wenn sie im Rahmen der Beurteilung des § 9 Abs. 1 Z 22 BVergG 2018 eine funktionale (und damit offenbar gemeint: weite) Auslegung des Aufgabenbereichs einer zentralen Beschaffungsstelle und damit auch der zulässigerweise ohne Ausschreibung zu erbringenden Nebenbeschaffungstätigkeiten als geboten erachtet. Es kann daher für die Auslegung des Ausnahmetatbestandes des § 9 Abs. 1 Z 22 BVergG 2018 bzw. des darin verwendeten Begriffs der Nebenbeschaffungstätigkeit auch nicht darauf ankommen, ob einzelne Tätigkeiten ‑ wie von der Revisionswerberin etwa hinsichtlich der Endabrechnung behauptet ‑ auch der Darstellung ihres Honorars dienen.
38 6. Aus den dargelegten Gründen war die Revision gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
39 Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden, weil das Verwaltungsgericht, ein Tribunal im Sinn des Art. 6 EMRK bzw. ein Gericht im Sinn des Art. 47 GRC, eine mündliche Verhandlung durchgeführt hat.
40 Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH‑Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 16. Dezember 2022
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