Normen
ABGB §1053
ABGB §936
BAO §24 Abs1 litd
EStG 1988 §30
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RO2019150177.J00
Spruch:
Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.
Der Revisionswerber hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit Bescheid vom 1. Juni 2017 setzte das Finanzamt die Einkommensteuer für das Jahr 2015 fest. Dabei berücksichtigte es auch Einkünfte aus Grundstücksveräußerungen (besonderer Steuersatz 25%). Begründend führte das Finanzamt hiezu im Wesentlichen aus, der Revisionswerber habe ein näher genanntes Grundstück durch Ausübung einer Option am 6. November 2002 erworben, sodass es sich um "Neuvermögen" handle. Die Immobilienertragsteuer bemesse sich daher nach der Differenz zwischen Anschaffungskosten und Veräußerungserlös.
2 Der Revisionswerber erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde. Er machte geltend, es liege "Altvermögen" vor, sodass die Pauschalierungsregelungen iSd § 30 EStG 1988 anzuwenden seien. Durch Abschluss eines Mietvertrages (mit Kündigungsverzicht der Vermieterin) und einer "Optionsvereinbarung" am 4. Oktober 2001 sei bereits wirtschaftliches Eigentum übertragen worden. 3 Mit Beschwerdevorentscheidung vom 29. Jänner 2018 wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab.
4 Der Revisionswerber beantragte die Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht.
5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis änderte das Bundesfinanzgericht den Bescheid des Finanzamtes ab. Das Bundesfinanzgericht sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig sei. 6 Nach Wiedergabe des Verfahrensgangs führte das Bundesfinanzgericht im Wesentlichen aus, der Revisionswerber habe am 20. August 2001 ein Kaufanbot für eine Wohneinheit gestellt. Nach Punkt 4 des Kaufanbotes solle der Kauf gemeinsam mit der Einräumung einer Kaufoption betreffend einen Anteil an einem Seegrundstück und gleichzeitigem Abschluss eines Mietvertrages für dieses Seegrundstück erfolgen. Am 4. Oktober 2001 sei ein Kaufvertrag über die Wohneinheit abgeschlossen worden; der Kaufvertrag sei aber durch die Ausübung eines Vorkaufsrechts gescheitert.
7 Am 4. Oktober 2001 sei weiters ein Optionsvertrag zwischen Frau R (Optionsgeberin) und dem Revisionswerber und seiner Ehefrau (Optionsnehmer) betreffend das im Kaufanbot genannte Seegrundstück geschlossen worden; ein Kaufvertrag habe aufgrund eines bestehenden Veräußerungs- und Belastungsverbotes (zugunsten einer im Jahr 1921 geborenen Person) nicht abgeschlossen werden können. In Punkt 2 des Optionsvertrages sei vereinbart worden, dass die "Annahme" der Option durch einen der Optionsnehmer frühestens nach Wegfall des intabulierten Veräußerungs- und Belastungsverbotes erfolgen könne. Die Optionsgeberin habe sich verpflichtet, die Optionsnehmer vom Wegfall dieses Veräußerungs- und Belastungsverbotes unverzüglich zu informieren. Die Optionsnehmer seien sodann zur "Annahme" der Option bis sechs Monate nach erfolgter Verständigung berechtigt. Sollte diese Option nicht innerhalb dieser Frist "angenommen" werden, erlösche sie zur Gänze. Weiters sei vereinbart worden, dass die Optionsnehmer berechtigt seien, den bis zur Optionsannahme bezahlten Mietzins vom vereinbarten Optionskaufpreis in Abzug zu bringen. 8 Gleichzeitig sei zwischen denselben Vertragsparteien ein Mietvertrag über diese Liegenschaft abgeschlossen worden. Die Vermieterin habe auf eine Aufkündigung des Mietvertrages vor Mitteilung des Wegfalls des Veräußerungs- und Belastungsverbotes bis zu einem Zeitpunkt sechs Monate danach ausdrücklich verzichtet. Auch vor Ablauf dieser Frist sei der Vermieterin aber ein sofortiges Kündigungsrecht zugestanden, wenn die Mieter ihrer Zinszahlungspflicht trotz Fälligkeit und qualifizierter Mahnung unter Setzung einer angemessenen Nachfrist von 14 Tagen nicht nachgekommen wären oder wenn ein sonstiger gesetzlicher Auflösungsgrund vorgelegen wäre.
9 Die Ausübung der Option durch den Revisionswerber sei mit Schreiben vom 11. Juli 2002 erfolgt. Der Revisionswerber habe das Grundstück mit Kaufvertrag vom 6. November 2002 erworben. Mit Kaufvertrag vom 23. Juli 2015 habe er dieses Grundstück verkauft. 10 Strittig sei, ob von Altvermögen iSd § 30 EStG 1988 auszugehen sei. Hiefür sei der Zeitpunkt des Verpflichtungsgeschäftes ausschlaggebend. Auf den Zeitpunkt des förmlichen Kaufvertragsabschlusses komme es aber nicht an, wenn die Vertragsparteien bereits vorher eine bindende Vereinbarung geschlossen hätten, aufgrund derer das wirtschaftliche Eigentum übergehe bzw. dem Berechtigten die wirtschaftliche Stellung eines Käufers verschafft werde.
11 Der Revisionswerber habe mit Abschluss des Optionsvertrages und des Mietvertrages vom 4. Oktober 2001 über das Seegrundstück keinesfalls eine Herrschaft ausüben können, die wirtschaftlich der Stellung nahekomme, die einem privatrechtlichen Eigentümer zustehe. Er habe zwar das Grundstück gebrauchen können, die weiteren positiven Befugnisse der Veränderung, Belastung und Veräußerung habe er aber nicht ausüben können. Die Tragung der Lasten sei laut Kaufvertrag erst mit 1. August 2002 auf den Revisionswerber als Erwerber übergegangen.
12 Würde der Optionsvertrag in Verbindung mit dem Mietvertrag tatsächlich einen Übereignungsanspruch begründen, wären im Übrigen beide Ehepartner als vertragliche Optionsnehmer und Mieter gemeinsam Eigentümer des Grundstückes geworden. Warum dann nur der Revisionswerber die alleinige wirtschaftliche Stellung eines Käufers gehabt habe, werde von ihm nicht begründet. 13 Die Option sei nur vom Revisionswerber alleine ausgeübt worden, was der Optionsvertrag auch ermöglicht habe. Der Revisionswerber sei sodann Alleineigentümer geworden. Das relevante Verpflichtungsgeschäft könne daher erst mit der Ausübung der Option zustande gekommen sein, also erst am 11. Juli 2002. Das Grundstück gelte daher als am 31. März 2012 steuerverfangen, da an diesem Tag die Spekulationsfrist von 10 Jahren noch nicht abgelaufen gewesen sei. Es sei somit "Neuvermögen" veräußert worden.
14 Im Hinblick auf (geringfügige) Korrekturen betreffend die Anschaffungskosten (Berücksichtigung eines auf den Kaufpreis anrechenbaren Jahresmietzinses; Erhöhung um die vereinbarte Wertsicherung) ergebe sich eine etwas geringere Bemessungsgrundlage für die Immobilienertragsteuer, sodass der Bescheid abzuändern gewesen sei.
15 Zur Frage, ob ein Optionsvertrag mit einem gleichzeitig abgeschlossenen Mietvertrag, einer Anrechnung der Miete auf den Kaufpreis und einem Verzicht der Vermieterin auf eine Aufkündigung des Mietvertrages für die Begründung eines Übereignungsanspruches genüge und gleichzeitig das Verpflichtungsgeschäft zustande gekommen sei, fehle Rechtsprechung. Die ordentliche Revision sei daher zulässig.
16 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die Revision.
17 Das Finanzamt hat eine Revisionsbeantwortung eingebracht.
18 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
19 Gemäß § 30 Abs. 3 EStG 1988 ist als Einkünfte aus privaten Grundstücksveräußerungen der Unterschiedsbetrag zwischen dem Veräußerungserlös und den Anschaffungskosten anzusetzen. 20 Soweit Grundstücke am 31. März 2012 ohne Berücksichtigung von Steuerbefreiungen nicht steuerverfangen waren, sind die Einkünfte nach § 30 Abs. 4 Z 2 EStG 1988 hingegen im Allgemeinen mit dem Unterschiedsbetrag zwischen dem Veräußerungserlös und den mit 86% des Veräußerungserlöses anzusetzenden Anschaffungskosten anzusetzen.
21 Ein Grundstück gilt als am 31. März 2012 nicht steuerverfangen iSd § 30 Abs. 4 EStG 1988, wenn an diesem Tag die Spekulationsfrist iSd § 30 Abs. 1 Z 1 lit. a EStG 1988 idF vor dem
1. StabG 2012, BGBl. I Nr. 22/2012, abgelaufen war (vgl. VwGH 18.10.2018, Ro 2016/15/0013, mwN). Diese Spekulationsfrist betrug bei Grundstücken im Allgemeinen zehn Jahre ab Anschaffung.
22 Unter Anschaffung und Veräußerung iSd § 30 EStG 1988 (idF vor dem 1. StabG 2012) sind bei der privaten Grundstücksveräußerung die schuldrechtlichen, auf die Eigentumsübertragung ausgerichteten Rechtsgeschäfte zu verstehen. Für die Berechnung der Spekulationsfrist ist daher der Zeitpunkt des Zustandekommens dieser schuldrechtlichen Rechtsgeschäfte - insbesondere Kaufverträge - maßgeblich. Allerdings kommt es ausnahmsweise nicht auf den Zeitpunkt eines solchen Rechtsgeschäftes an, wenn die Vertragsparteien bereits vorher eine Vereinbarung geschlossen haben, aufgrund derer das wirtschaftliche Eigentum übergegangen ist. Hiezu bedarf es einer beide Vertragsparteien bindenden, einen spätere Kaufvertrag wirtschaftlich vorwegnehmenden Vereinbarung. Ein (auch unwiderrufliches) Kaufanbot oder eine bloße Kaufoption sind hiefür nicht ausreichend (vgl. VwGH 20.11.1997, 96/15/0256, VwSlg. 7235/F, mwN; vgl. weiters - die Bindung beider Parteien betonend - VwGH 7.4.1981, 3294/80; 8.2.1989, 88/13/0049; vgl. weiters VwGH 23.1.2019, Ra 2018/13/0052, mwN; zur Rechtslage nach dem 1. StabG 2012 vgl. VwGH 3.4.2019, Ra 2017/15/0098). 23 Die Option ist ein Vertrag, durch den eine Partei das Recht erhält, ein inhaltlich vorausbestimmtes Schuldverhältnis in Geltung zu setzen. Sie gewährt also ein Gestaltungsrecht, durch einseitige Erklärung das schon inhaltlich festgelegte Schuldverhältnis in Geltung zu setzen. Zur abgabenrechtlichen Einordnung von Miet- oder Leasingverträgen mit Kaufoption ist entscheidend, ob der Mieter oder Leasingnehmer mit der Überlassung des Mietgegenstandes oder Leasinggutes bereits dessen wirtschaftlicher Eigentümer im Sinne des § 24 Abs. 1 lit. d BAO wird. Hiefür ist es insbesondere von Bedeutung, wer die Chance von Wertsteigerungen und das Risiko von Wertminderungen trägt. Auch ist zu prüfen, ob die Optionsausübung die einzige wirtschaftlich rationale Möglichkeit für den Mieter oder Leasingnehmer darstellt (vgl. VwGH 30.4.2019, Ra 2017/15/0071, mwN; vgl. auch VwGH 13.9.2018, Ra 2018/15/0055).
24 Nach der hier zu beurteilenden Vertragslage war nur die Vermieterin und Optionsgeberin gebunden; der Revisionswerber als Mieter und Optionsnehmer konnte hingegen frei entscheiden, ob er die ihm eingeräumte Option ausüben werde oder nicht. Die Berechtigung zur Ausübung ("Annahme") der Option bestand nicht bereits ab Abschluss der Optionsvereinbarung, sondern erst ab dem - zum Zeitpunkt des Abschlusses dieser Vereinbarung noch unsicheren - Zeitpunkt des Wegfalles des Veräußerungs- und Belastungsverbotes. Den Mietvertrag konnte der Revisionswerber - unter Einhaltung einer Frist von 6 Monaten zum 31. Juli jeden Jahres - aufkündigen. Dass die Ausübung der Option die einzige wirtschaftlich rationale Möglichkeit gewesen wäre, ist nicht erkennbar.
25 Der Revisionswerber konnte das Objekt zu dem bereits im Optionsvertrag vereinbarten Kaufpreis erwerben; damit kamen die Chancen der Wertsteigerung ihm zu. Da er aber die Option nicht ausüben musste, trug er nicht das Risiko der Wertminderung. Schließlich war aufgrund der Optionsvereinbarung (und des Mietvertrages) auch nicht festgelegt, wer die Liegenschaft erwerben würde, konnte die Option doch von beiden Optionsnehmern oder auch nur von einem "angenommen" (also ausgeübt) werden. Damit stand aber auch insoweit nicht fest, in wessen Vermögen es zu einer Wertsteigerung (oder allenfalls Wertminderung) kommen würde. 26 Es ist somit offenkundig, dass der Mietvertrag samt Optionsvertrag (vom Oktober 2001) nicht jene Vereinbarung ist, die die Übertragung (zumindest) des wirtschaftlichen Eigentums an der Liegenschaft bewirkte. Damit war diese Liegenschaft am 31. März 2012 steuerverfangen.
27 Der Revisionswerber macht ergänzend Verfahrensmängel geltend. Zunächst führt er aus, aus den vorgelegten Urkunden wären weitere Feststellungen zu treffen gewesen. Aus den Umständen der beglaubigten Unterfertigung der Optionsvereinbarung und der Vereinbarung einer Vertragsstrafe bei Belastungen des Optionsgrundstückes ist jedoch für die hier strittige Frage, ob mittels dieser Vereinbarung (gemeinsam mit dem Mietvertrag) zumindest wirtschaftliches Eigentum zugunsten des Revisionswerbers begründet werden konnte, nichts abzuleiten. Dass die Optionsgeberin gebunden war, ergibt sich ohnehin aus den Feststellungen des Bundesfinanzgerichts; eine Bindung des Revisionswerbers ergibt sich hingegen auch aus diesen Umständen nicht.
28 Wenn weiters behauptet wird, die Option sei von den Optionsnehmern bereits mit Unterfertigung am 4. Oktober 2001 "angenommen" worden, so handelt es sich hiebei offenkundig um eine missverständliche Formulierung im vom Vertreter des Revisionswerbers verfassten Vertrag. Aus den vorgelegten Vertragsurkunden ist abzuleiten, dass die Option zwischen den Vertragsparteien vereinbart wurde; es wurde also das Anbot auf Abschluss einer Optionsvereinbarung vom Revisionswerber (ebenso wie von seiner Ehefrau) angenommen, was in Punkt 1 der Vereinbarung in der Weise formuliert wurde, dass die Optionsnehmer (der Revisionswerber und seine Ehefrau) diese Option annehmen. Wenn in Punkt 2 der Vereinbarung sodann - dem Wortlaut nach in Widerspruch zu Punkt 1 der Vereinbarung - geregelt wird, dass die Annahme dieser Option durch einen der Optionsnehmer frühestens nach Wegfall des intabulierten Veräußerungs- und Belastungsverbotes erfolgen könne, so ist dieser Widerspruch dadurch aufzulösen, dass mit "Annahme" der Option hier die Ausübung der vereinbarten Option gemeint ist. Erst die Ausübung der Option führt aber auch zur Bindung des Optionsnehmers. 29 Schließlich macht der Revisionswerber geltend, die Anschaffungskosten für die Liegenschaft seien wesentlich höher gewesen als der bloße damalige Kaufpreis abzüglich Jahresmiete. Zu berücksichtigen wären insbesondere die Kosten für die Errichtung der diversen Vertragswerke (Optionsvertrag, Mietvertrag, Kaufvertrag) samt den jeweiligen Beglaubigungsgebühren sowie die Kosten der in diesem Zusammenhang notwendigen Rechtsberatung. Auch Herstellungsaufwand und Instandsetzungsaufwände hätten die tatsächlichen Anschaffungskosten und damit den Veräußerungsgewinn vermindert. Jedenfalls zu berücksichtigen wären auch die angefallenen Finanzierungszinsen und Finanzierungskosten für den Erwerb des Grundstückes.
30 Dieses Vorbringen muss im Hinblick auf das im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof geltende Neuerungsverbot (§ 41 VwGG) unbeachtet bleiben; der Revisionswerber hatte weder im Verfahren vor dem Finanzamt noch in jenem vor dem Bundefinanzgericht jemals geltend gemacht, dass zusätzliche Anschaffungskosten (oder Anschaffungsnebenkosten) angefallen wären. Selbst in der Revision wird nicht konkret dargetan, dass und welche Kosten in welcher Höhe angefallen wären, sodass auch die Relevanz eines allfälligen Verfahrensmangels nicht ausreichend dargelegt wird. Der Geltendmachung von Werbungskosten (Finanzierungszinsen) steht im vorliegenden Fall überdies § 20 Abs. 2 EStG 1988 (und wohl auch § 20 Abs. 1 Z 1 und 2 lit. a EStG 1988, vgl. VfGH 30.11.2017, G 183/2017) entgegen.
31 Die Revision war demnach gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
32 Von der vom Revisionswerber beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.
33 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 20
14.
Wien, am 24. Oktober 2019
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