VwGH Ro 2019/09/0006

VwGHRo 2019/09/000625.9.2019

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rosenmayr und die Hofräte Dr. Doblinger, Dr. Hofbauer, Mag. Feiel sowie die Hofrätin Mag. Rossmeisel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Hotz, über die Revision des Disziplinaranwaltes für öffentlich-rechtliche Gemeindebedienstete beim Amt der Kärntner Landesregierung, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Kärnten vom 20. Dezember 2018, KLVwG-S7-1777/6/2018, betreffend Disziplinarstrafe nach dem Kärntner Gemeindebedienstetengesetz (K-GBG) (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht:

Disziplinarkommission für öffentlich-rechtliche Gemeindebedienstete beim Amt der Kärntner Landesregierung; mitbeteiligte Partei: X Y), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §1
AVG §68 Abs1
BDG 1979 §94 Abs1
BDG 1979 §96
DienstrechtsG Krnt 1994 §101
DienstrechtsG Krnt 1994 §102 Z2
DienstrechtsG Krnt 1994 §128 Abs2
DienstrechtsG Krnt 1994 §137
DienstrechtsG Krnt 1994 §96
DienstrechtsG Krnt 1994 §99 Abs1
GdBedG Krnt 1992 §3 Abs1
GdBedG Krnt 1992 §3 Abs2
GdBedG Krnt 1992 §57
GdBedG Krnt 1992 §65 Abs2
GdBedG Krnt 1992 §68
VwGG §42 Abs2 Z1
VwGVG 2014 §17
VwGVG 2014 §28 Abs2
VwRallg

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RO2019090006.J00

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird im Umfang des Spruchpunktes II wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Antrag der belangten Behörde auf Zuspruch von Kostenersatz wird abgewiesen.

Begründung

1 Mit Disziplinarerkenntnis der Disziplinarkommission für öffentlich-rechtliche Gemeindebedienstete beim Amt der Kärntner Landesregierung (in der Folge: DK) vom 8. Mai 2018 wurde der im Jahr 1956 geborene Mitbeteiligte, ein Beamter einer Marktgemeinde in Kärnten, schuldig erkannt (Zusammenfassung durch den Verwaltungsgerichtshof),

1. mehrmals gegen die einen Beamten gebührenden Meldepflichten dadurch verstoßen zu haben, dass er (a.) am 31. März 2016 und (b.) am 19. Mai 2016 das Gemeindeamt ohne Mitteilung an den Amtsleiter weiters (c.) eine für den 23. Mai 2016 anberaumte Baubesprechung "aus heiterem Himmel" verlassen habe, (d.) am 3. Oktober 2016 einen Urlaubsantrag dem Amtsleiter vorgelegt und ohne eine Entscheidung darüber abzuwarten das Gemeindeamt verlassen habe (und es dem Amtsleiter nicht möglich gewesen sei, das Gesuch zu bearbeiten), sowie (e.) am 5. Oktober 2016 einen Urlaubsantrag für den 6. Oktober 2016 abgegeben und den Urlaub angetreten habe, obwohl der Urlaub aufgrund einer Unterbesetzung nicht habe genehmigt werden können;

2. mehrmals gegen die Einhaltung der Dienstzeit im Allgemeinen, insbesondere durch Unterlassen von Buchungen im elektronischen Zeiterfassungssystem, dadurch verstoßen zu haben, dass er das Amtsgebäude (a.) am 31. März 2016, (b.) am 25. April 2016, (c.) am 9. Mai 2016, (d.) am 11. Mai 2016, (e.) am 13. Mai 2016, (f.) am 11. November 2016 und (g.) am 22. Februar 2017 jeweils ohne aus dem Zeiterfassungssystem auszuchecken verlassen habe;

3. im Krankenstand ein Fehlverhalten dadurch gesetzt zu haben, dass er (a.) am 27. April 2016, 12. Juni 2016, 20. Juni  2016, 24. Juni 2016 und 27. Juni 2016 das Gemeindeamt betreten und mit dem Dienstcomputer private Erledigungen abgewickelt habe, (b.) am 26. Juni 2016 mehrere Menschen dadurch gefährdet habe, dass er bei einer Prozession mit seinem Jeep im Wald einen Hohlweg "herunter gerast" sei sowie dadurch, dass er (c.) am 10. Juli 2016 vom Bürgermeister bei einer Festveranstaltung gesehen worden sei, bei der er größere Mengen Alkohol konsumiert habe;

4. im Zeitraum zwischen 6. Juli 2016 und 13. Oktober 2016 in neunzehn näher beschriebenen Fällen gegen schriftliche Dienstanweisungen vom 1. Juli 2016, 30. August 2016 und 3. Oktober 2016 verstoßen zu haben, wonach der Arbeitsplatz nicht während des Krankenstandes zu benützen, weiters die Betretung des Amtsgebäudes außerhalb der Dienstzeiten und die Erledigung privaten Schriftverkehrs über die Dienst-E-Mail-Adresse untersagt worden, das Diensttelefon ausnahmslos für dienstliche Angelegenheiten zu benutzen und über Arztbesuche eine hierfür vorgesehene Zeitbestätigung vorzulegen sei wie auch über von ihm geleistete Arbeiten Tätigkeitsberichte zu verfassen und dem Dienstvorgesetzten vorzulegen seien bzw. angeordnet worden sei, sich einer fachärztlichen Untersuchung zu unterziehen;

5. ein Fehlverhalten der mangelnden Aufgabenerfüllung dadurch gesetzt zu haben, dass er (a.) am 5. Juli 2016 dem Amtsleiter-Stellvertreter über ein näher bezeichnetes Objekt die erforderlichen Informationen hinsichtlich Umbauarbeit nicht erteilt habe, (b.) eine Partei "offensichtlich falsch beraten" habe, indem er ein bewilligungsfreies Bauansuchen ausgestellt habe, wohingegen eine Baubewilligung notwendig gewesen wäre, (c.) am 10. Mai 2016 an einer Baubesprechung ohne Einladung teilgenommen habe und "dort mit Fehlverhalten aufgefallen" sei sowie (d.) am 17. November 2015 einen näher beschriebenen Baubescheid als Sachbearbeiter eigenmächtig und ohne Wissen des Bürgermeisters unterschrieben habe.

Der Mitbeteiligte habe dadurch gegen die allgemeinen Dienstpflichten gemäß § 17 Abs. 1, 2 und 3 des Kärntner Gemeindebedienstetengesetzes (K-GBG) im Allgemeinen und gegen die dienstzeitrechtlichen Bestimmungen sowie die Bestimmungen betreffend den Umgang mit Abwesenheiten vom Dienst gemäß § 23 Abs. 1 und § 24 Abs. 1 und 2 K-GBG im Besonderen verstoßen und dadurch schuldhafte Dienstpflichtverletzungen im Sinne des § 54 K-GBG begangen, weshalb über ihn gemäß § 55 Abs. 1 Z 4 K-GBG die Disziplinarstrafe der Entlassung verhängt wurde. (Von einem weiteren Vorwurf wurde er im Zweifel freigesprochen.) 2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht Kärnten der vom Mitbeteiligten inhaltlich gegen den Schuld- und Strafausspruch erhobenen Beschwerde nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung insofern Folge, als es die Schuldsprüche zu den Spruchpunkten 1.a., 2.a. bis g., 3.b., 4. in zehn Fällen (und zwar hinsichtlich der Tatbestände zwischen 6. Juli 2016 und 6. September 2016) sowie

5. a. der Entscheidung der DK bestätigte (Spruchpunkt I) und die Disziplinarstrafe der Entlassung auf eine Geldstrafe in Höhe von drei Monatsbezügen reduzierte (Spruchpunkt II). Ein Ausspruch zu den sonstigen inkriminierten Verfehlungen unterblieb. Die Revision gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG erklärte es für zulässig. 3 Zur Begründung seiner Entscheidung führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen und soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung aus, dass nach § 57 Abs. 1 Z 1 K-GBG ein öffentlich-rechtlicher Bediensteter wegen einer Dienstpflichtverletzung nicht mehr bestraft werden dürfe, wenn gegen ihn nicht (1.) innerhalb von sechs Monaten gerechnet vom Zeitpunkt, zu dem der Disziplinarbehörde die Dienstpflichtverletzung zur Kenntnis gelangt ist, oder (2.) innerhalb von drei Jahren, gerechnet von dem Zeitpunkt der Beendigung der Dienstpflichtverletzung, eine Disziplinarverfügung erlassen oder ein Disziplinarverfahren vor der Disziplinarkommission eingeleitet wurde. Zum Begriff der Disziplinarbehörde treffe das K-GBG keine ausdrückliche Regelung, sodass gemäß § 68 K-GBG ("Verweisung") auf die sinngemäß anzuwendenden Bestimmungen der §§ 96 bis 137 Kärntner Dienstrechtsg esetz (K-DRG 1994) abzustellen sei. Eine sinngemäße Anwendung von § 101 Abs. 1 K-DRG 1994 ergebe für den Gemeindebereich, dass der Bürgermeister als Leiter der Dienstbehörde auch zwingend Disziplinarbehörde sei, die unter anderem dafür zuständig sei, erforderlichenfalls vorläufige Suspendierungen auszusprechen. 4 Im vorliegenden Fall habe der Bürgermeister der betroffenen Marktgemeinde eine mit 27. Februar 2017 datierte Disziplinaranzeige an die DK erstattet, welche mit Bescheid vom 15. Mai 2017 die Einleitung eines Disziplinarverfahrens wegen des Verdachts von mehreren näher angeführten Dienstpflichtverletzungen beschlossen habe. Die Tatvorwürfe im Erkenntnis der DK vom 8. Mai 2018 in den Spruchpunkten zu 1.b. bis e., 3.a. und c. sowie zu 4. hinsichtlich der (neun) Übertretungstatbestände im Zeitraum vom 12. September bis 13. Oktober 2016, wie auch zu Spruchpunkt 5.c. und d. seien verjährt, da innerhalb von sechs Monaten ab Kenntnis des Bürgermeisters als Disziplinarbehörde weder eine Disziplinarverfügung erlassen, noch ein Einleitungsbeschluss gefasst worden sei; der Tatvorwurf zu Spruchpunkt 5.d. sei absolut verjährt.

5 Demgegenüber seien die Tatvorwürfe zu Spruchpunkt 2. als fortgesetztes Delikt zu werten, bei welchem die Frist erst zu laufen beginne, wenn der letzte Teilakt abgeschlossen worden sei; bezogen auf den (hiezu) letzten Teilakt am 22. Februar 2017 seien diese daher nicht verjährt. Ebenso seien die Tatvorwürfe zu Spruchpunkt 4. im Zeitraum vom 6. Juli 2016 bis 6. September 2016 als ein fortgesetztes Delikt zu betrachten und nicht verjährt, weil aufgrund des Akteninhaltes davon auszugehen sei, dass sie dem Bürgermeister erst anlässlich der Unterfertigung der Disziplinaranzeige zur Kenntnis gelangt seien und der Einleitungsbeschluss der DK am 15. Mai 2017 gefasst worden sei. Das in Spruchpunkt 5.b. angelastete Verhalten sei weder zeitlich noch inhaltlich konkretisiert.

6 Die Zulässigkeit der Revision begründete das Verwaltungsgericht damit, dass "noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum K-GBG hinsichtlich der Frage der Verjährung innerhalb von sechs Monaten gerechnet vom Zeitpunkt der Kenntnis der Disziplinarbehörde iSd § 57 Abs. 1 Z 1 K-GBG iVm der sinngemäßen Anwendung des Kärntner Dienstrechtsgesetzes (K-DRG) gemäß § 68 K-GBG" ergangen sei.

7 Die vorliegende Revision des Disziplinaranwaltes wendet sich gegen das Erkenntnis, insofern darin die Vorwürfe nach den Spruchpunkten 1.b bis e., 3.a. und c., 5.c. und d. sowie 4. als verjährt angesehen wurden und erachtet die Disziplinarstrafe der Entlassung als gerechtfertigt. Die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde machte von der im Vorverfahren eingeräumten Möglichkeit der Erstattung einer Revisionsbeantwortung Gebrauch und beantragte hiefür Aufwandersatz; der Mitbeteiligte erstattete eine Stellungnahme.

 

8 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

9 Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

10 Die Revision, die mit ihrem Zulässigkeitsvorbringen, es fehle für die relevante Verjährungsprüfung höchstgerichtliche Judikatur zur Frage, ob der Bürgermeister Disziplinarbehörde im Sinne des § 57 Abs. 1 Z 1 K-GBG ist, eine erhebliche Rechtsfrage iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG aufzeigt, erweist sich als zulässig:

11 §§ 3,  57, 65 und  68 des Kärntner Gemeindebedienstetengeset zes (K-GBG) LGBl. Nr. 56/1992, in der jeweils anzuwendenden Fassung, lauten auszugsweise wie folgt:

"§ 3

Allgemeines, Zuständigkeit

(1) Soweit in diesem Gesetz nicht anderes bestimmt ist, entscheidet in allen Angelegenheiten des Dienst- und Besoldungsrechtes der Bürgermeister.

(2) Soweit in diesem Gesetz nicht anderes bestimmt ist, sind die für das Dienstrecht der Landesbeamten geltenden Vorschriften auch auf öffentlich-rechtliche Bedienstete im Sinne dieses Gesetzes anzuwenden. Die in diesen Vorschriften der Landesregierung zustehenden Befugnisse stehen - soweit in diesem Gesetz nicht anderes bestimmt ist - dem Bürgermeister zu. Maßnahmen nach §§ 14, 15a und 16 des Kärntner Dienstrechtsgesetzes 1994 obliegen dem Gemeinderat." (idF LGBl. Nr. 9/2015)

"§ 57

Verjährung

§ 57. (1) Ein öffentlich-rechtlicher Bediensteter darf wegen einer Dienstpflichtverletzung nicht mehr bestraft werden, wenn gegen ihn nicht

1. innerhalb von sechs Monaten, gerechnet vom Zeitpunkt, zu dem der Disziplinarbehörde die Dienstpflichtverletzung zur Kenntnis gelangt ist, oder

2. innerhalb von drei Jahren, gerechnet von dem Zeitpunkt der Beendigung der Dienstpflichtverletzung,

eine Disziplinarverfügung erlassen oder ein Disziplinarverfahren vor der Disziplinarkommission eingeleitet wurde.

(2) ..." (idF LGBl. Nr. 56/1992)

"§ 65

Disziplinarverfahren

(1) ...

(2) Der Bürgermeister hat nach Durchführung der zur vorläufigen Klarstellung des Sachverhaltes erforderlichen Erhebungen die Disziplinaranzeige unter Anschluss des Personalaktes unverzüglich an die Disziplinarkommission zu übermitteln. ..." (idF LGBl. Nr. 9/2015)

"§ 68

Verweisung

Soweit in diesem Abschnitt nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist, sind die Bestimmungen der §§ 96 bis 137 des Kärntner Dienstrechtsgesetzes sinngemäß anzuwenden." (idF LGBl. Nr. 56/1992)

12 In §§ 99, 101, 102 und 114 des Kärntner Dienstrechtsgesetzes 1994 (K-DRG 1994) LGBl. Nr. 71, in der jeweils angegebenen Fassung, heißt es auszugsweise wie folgt:

"§ 99

Verjährung

(1) Der Beamte darf wegen einer Dienstpflichtverletzung nicht mehr bestraft werden, wenn gegen ihn nicht

1. innerhalb von sechs Monaten, gerechnet von dem Zeitpunkt, zu dem der Disziplinarbehörde die Dienstpflichtverletzung zur Kenntnis gelangt ist, oder

2. innerhalb von drei Jahren, gerechnet von dem Zeitpunkt der Beendigung der Dienstpflichtverletzung,

eine Disziplinarverfügung erlassen oder ein Disziplinarverfahren vor der Disziplinarkommission eingeleitet wurde. Sind von der nach der Geschäftseinteilung des Amtes der Landesregierung für Personalangelegenheiten zuständigen Abteilung vor Einleitung des Disziplinarverfahrens im Auftrag der Disziplinarkommission notwendige Ermittlungen durchzuführen (§ 125 Abs. 1) verlängert sich die unter Z 1 genannte Frist um sechs Monate. ..." (idF LGBl. Nr. 16/1995)

"§ 101

Disziplinarbehörden

Disziplinarbehörden sind

1. das Amt der Landesregierung,

  1. 2. die Landesregierung,
  2. 3. die Disziplinarkommission.

    § 102

    Zuständigkeit

    Zuständig sind

  1. 1. das Amt der Landesregierung zur Erlassung einer vorläufigen Suspendierung nach § 114 Abs. 2,

    2. die Landesregierung zur Setzung von Maßnahmen nach § 114 Abs. 1 und zur Erlassung von Disziplinarverfügungen,

    3. die Disziplinarkommission zur Erlassung von Disziplinarerkenntnissen und zur Entscheidung über Suspendierungen." (idF LGBl. Nr. 85/2013)

    "§ 114

    Vorläufige Versetzung und Verwendungsänderung, Suspendierung

(1) Würde durch die Belassung des Beamten in seiner Dienststelle oder in seiner Verwendung wegen der Art der ihm zur Last gelegten Dienstpflichtverletzungen das Ansehen des Amtes oder wesentliche Interessen des Dienstes gefährdet, so hat die Landeregierung die vorläufige Versetzung oder Verwendungsänderung zu verfügen. ...

(2) Wird über den Beamten die Untersuchungshaft verhängt oder könnte durch Maßnahmen nach Abs. 1 eine Gefährdung von wesentlichen Interessen des Dienstes nicht hintangehalten werden, so hat das Amt der Landesregierung die vorläufige Suspendierung mit Bescheid zu verfügen. Die vorläufige Suspendierung ist darüber hinaus zu verfügen, wenn es zur Wahrung des Ansehens des Amtes unabdingbar ist. ...

(4) Jede vorläufige Suspendierung ist unverzüglich der Disziplinarkommission mitzuteilen, die über die Suspendierung zu entscheiden hat. ..." (idF LGBl. Nr. 85/2013)

13 Wenn das Verwaltungsgericht die Regelung des § 101 K-DRG 1994 sinngemäß auf den Gemeindebereich überträgt und schließlich daraus ableitet, dass auch der Bürgermeister Disziplinarbehörde im Sinne von § 57 K-GBG sei, so kann ihm aus folgenden Gründen nicht entgegengetreten werden:

14 Im K-GBG selbst findet sich keine explizite Regelung dazu, wer unter den Begriff der "Disziplinarbehörde" nach § 57 K-GBG zu subsumieren wäre. § 68 K-GBG normiert allerdings eindeutig, dass - soweit nicht ausdrücklich anders bestimmt - die Bestimmungen der §§ 96 bis 137 K-DRG 1994 "sinngemäß" anzuwenden sind. Dort werden in § 101 K-DRG 1994 für den Landesbereich das Amt der Landesregierung, die Landesregierung und die Disziplinarkommission als Disziplinarbehörden festgelegt.

15 Das Disziplinarverfahren nach dem K-DRG 1994 gestaltet sich soweit für den vorliegenden Fall von Bedeutung zusammengefasst folgendermaßen: Gemäß § 111 Abs. 1 K-DRG 1994 hat der Vorgesetzte bei jedem begründeten Verdacht einer Dienstpflichtverletzung den Leiter der für Personalangelegenheiten der Landesbediensteten zuständigen Organisationseinheit des Amtes der Landesregierung zu verständigen, welcher alle für die vorläufige Klarstellung des Sachverhaltes erforderlichen Erhebungen zu pflegen und sodann der Landesregierung Disziplinaranzeige zu erstatten hat. Diese hat gemäß § 112 Abs. 1 K-DRG 1994 auf Grund der Disziplinaranzeige entweder eine Disziplinarverfügung zu erlassen oder die Anzeige an den Vorsitzenden der Disziplinarkommission und an den Disziplinaranwalt weiterzuleiten.

16 Im Disziplinarverfahren nach dem K-GBG hat der Bürgermeister gemäß § 65 Abs. 2 K-GBG alle zur vorläufigen Klarstellung des Sachverhaltes erforderlichen Erhebungen zu treffen und danach die Disziplinaranzeige an die Disziplinarkommission zu übermitteln. Weiters sieht § 3 Abs. 2 zweiter Satz leg. cit. explizit vor, dass - soweit in diesem Gesetz nicht anders bestimmt - die nach dem Dienstrecht der Landesbeamten der Landesregierung zustehenden Befugnisse dem Bürgermeister zustehen, was bedeutet, dass er im Hinblick auf § 102 Z 2 K-DRG 1994 auch zur Verhängung einer einstweiligen Suspendierung und zur Erlassung von Disziplinarverfügungen im Bereich der ihm unterstellten Gemeindebediensteten zuständig ist, er also auch zur Besorgung von Aufgaben befugt ist, welche die Disziplinarbehörden nach dem K-DRG 1994 wahrzunehmen haben. Hinzu kommt, dass in § 3 Abs. 1 K-GBG eine subsidiäre Zuständigkeit des Bürgermeisters in allen Angelegenheiten des Dienst- und Besoldungsrechtes normiert wird (vgl. hierzu auch Kucsko-Stadlmayer, Das Disziplinarrecht der Beamten, 4. Auflage 2010, 394 Fn. 20).

17 Dazu ist auch darauf hinzuweisen, dass § 94 Abs. 1 Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 (BDG 1979) eine im Wesentlichen inhaltsgleiche Regelung zur Verjährung wie § 57 K-GBG enthält und in § 96 BDG 1979 explizit auch die Dienstbehörden als Disziplinarbehörden bezeichnet werden. Im K-GBG fehlt zwar diesbezüglich eine vergleichbare eindeutige Klarstellung, aus dem dargelegten Gesamtzusammenhang der gesetzlichen Bestimmungen ist aber - entgegen der in der Revision vertretenen Ansicht - ein inhaltlicher und rechtlicher Konnex abzuleiten und bei systematischer Auslegung durch den in § 68 K-GBG ausgesprochenen Verweis der "sinngemäßen Anwendung" der §§ 96 bis 137 K-DRG 1994 der Bürgermeister für den Gemeindebereich vom Begriff der Disziplinarbehörde im Sinne von § 57 K-GBG als mitumfasst anzusehen. Zur gleichgelagerten Rechtslage im Burgenländischen Gemeindebedienstetengesetz 1971 wurde der Bürgermeister im Übrigen ebenfalls als Disziplinarbehörde qualifiziert (vgl. VwGH 30.9.2010, 2009/09/0083 und 29.11.2007, 2005/09/0172). 18 Wenngleich sich die Revision zur Frage, ob der Bürgermeister Disziplinarbehörde im Sinne des § 57 Abs. 1 Z 1 K-GBG ist, als nicht begründet erweist, so ist sie im Ergebnis berechtigt:

19 Das Landesverwaltungsgericht übersieht gegenständlich, dass der Einleitungsbeschluss vom 30. August 2017 unbekämpft geblieben und in Rechtskraft erwachsen ist.

20 Nach der gefestigten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wird durch einen rechtskräftig ergangenen und bezüglich der Vorwürfe ausreichendend konkreten Einleitungsbeschluss - ungeachtet seiner allfälligen Fehlerhaftigkeit - die Verjährungsfrist im Disziplinarverfahren wirksam unterbrochen. Bereits bei Erlassung des durch ein ordentliches Rechtsmittel bekämpfbaren Einleitungsbeschlusses war die Frage der Verjährung zu beurteilen und kann daher nicht neuerlich aufgeworfen werden (vgl. z.B. VwGH 22.2.2018, Ra 2017/09/0050, und VwGH 23.2.2017, Ra 2016/09/0113, beide zum HDG 2014, sowie VwGH 14.11.2002, 2001/09/0008, VwGH 17.11.1994, 94/09/0112, und VwGH 27.4.1989, 88/09/0004, zum BDG 1979). 21 Ebenso ist es gefestigte hg. Rechtsprechung, dass gleichartige Bestimmungen des BDG 1979 in ähnlich formulierten Disziplinarrechtsordnungen, also auch im Disziplinarrecht der Landes- und Gemeindebeamten, wie vergleichbare Bestimmungen des BDG 1979 ausgelegt werden (vgl. etwa VwGH 13.12.2016, Ra 2016/09/0038, VwGH 20.10.2015, Ra 2015/09/0035, VwGH 10.9.2015, Ra 2015/09/0053, und VwGH 14.10.2011, 2009/09/0194). 22 Auf dem Boden dieser Rechtsprechung war eine Verjährung der gegen den Mitbeteiligten erhobenen Vorwürfe schon angesichts des Vorliegens eines rechtskräftigen und (mit Ausnahme zu Spruchpunktes 5.b.) ausreichend konkreten Einleitungsbeschlusses zu verneinen. Indem das Verwaltungsgericht dies übersehen hat, hat es das angefochtene Erkenntnis im Spruchpunkt II mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet.

23 Das Verwaltungsgericht hat im Übrigen auch übersehen, dass in diesem Verfahrensstadium entweder ein Schuld- oder Freispruch nach § 128 Abs. 2 K-DRG 1994 zu fällen gewesen wäre (vgl. VwGH 20.10.2015, Ra 2015/09/0036, zum insoweit vergleichbaren BDG 1979), und einen daher zu den von der Beschwerde umfassten Spruchpunkten 1 b. bis e, 3. a und c, 4. zum Zeitraum vom 12. September 2016 bis 13. Oktober 2016 sowie

5. b. bis d. der Entscheidung der DK zu treffenden Abspruch unterlassen.

24 Das angefochtene Erkenntnis war daher im Umfang des Spruchpunktes II gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.

25 Ein Aufwandersatz für die von der belangten Behörde eingebrachte Revisionsbeantwortung findet gemäß § 47 Abs. 4 VwGG nicht statt (vgl. VwGH 9.4.2018, Ra 2017/17/0877).

Wien, am 25. September 2019

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