Normen
B-VG Art133 Abs4
VwGG §25a Abs1
VwGG §34 Abs1
VwGG §34 Abs1a
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RO2018110012.J00
Spruch:
Die Revisionen werden zurückgewiesen.
Begründung
1 1. Mit den den verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen zugrunde liegenden Straferkenntnissen der belangten Behörde wurde dem Revisionswerber jeweils als verantwortlicher Beauftragter der H GmbH mit Sitz in Österreich gemäß § 9 Abs. 2 VStG angelastet, dass diese Gesellschaft in ihrer Eigenschaft als Arbeitgeberin eine Vielzahl näher konkretisierter Übertretungen des Arbeitszeitgesetzes (AZG) und - hinsichtlich der im Spruch angeführten Revisionsverfahren - des Arbeitsruhegesetzes (ARG) betreffend unterschiedlicher, namentlich bezeichneter Arbeitnehmer zu vertreten habe. Wegen dieser Übertretungen wurden über den Revisionswerber jeweils Geldstrafen (sowie Ersatzfreiheitsstrafen) in unterschiedlicher Höhe verhängt.
2 Im Wesentlichen wurde ihm vorgeworfen, dass die von ihm vertretene österreichische Gesellschaft als Arbeitgeberin Arbeitnehmer mit ungarischer Staatsangehörigkeit, die ihr von einer ungarischen Tochtergesellschaft zu diesem Zweck überlassen worden seien, zur Verrichtung von Arbeitsleistungen in grenzüberschreitend verkehrenden Zügen im Rahmen der Erfüllung eines bestehenden Dienstleistungsvertrages beschäftigt habe. Dabei seien hinsichtlich der in den Straferkenntnissen genannten Arbeitnehmer die höchst zulässigen Tagesarbeitszeiten bzw. die gesetzlich vorgeschriebenen Mindestruhezeiten in den jeweils mittels Tatzeit bestimmt bezeichneten Fällen nicht eingehalten worden.
3 2.1. Mit den hier angefochtenen Erkenntnissen des Verwaltungsgerichtes Wien (Verwaltungsgericht) wurde den vom Revisionswerber erhobenen Beschwerden jeweils hinsichtlich einzelner Übertretungen Folge gegeben und die Verwaltungsstrafverfahren in diesen Punkten eingestellt. Im übrigen Umfang wurden die Beschwerden jeweils abgewiesen. 4 Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof erklärte das Verwaltungsgericht jeweils für zulässig.
5 2.2. In den Entscheidungsgründen führte das Verwaltungsgericht - soweit für das Revisionsverfahren von Relevanz - in sämtlichen Erkenntnissen übereinstimmend aus, die H GmbH habe als Subunternehmerin die Rechte und Pflichten aus einem mit einem konzernverbundenen Unternehmen abgeschlossenen Vertrag betreffend Bordserviceleistungen in Zügen übernommen. Die H GmbH habe eine gleichnamige ungarische Gesellschaft gegründet, wobei die Geschäftsführer der beiden Gesellschaften ident gewesen seien. Die ungarische Tochtergesellschaft habe nur über einen einzigen angestellten Arbeitnehmer verfügt und habe dem alleinigen Zweck gedient, der H GmbH ungarische Leiharbeitnehmer für die Dienstleistungserbringung zu verschaffen. Die Leistungen seien unter Verwendung der Infrastruktur der H GmbH ausgeführt worden, der alle Arbeitsmittel gehört hätten. Aufgrund der Vertragsgestaltung zwischen der österreichischen Mutter- und der ungarischen Tochtergesellschaft wären sämtliche Gewinne und Verluste auf die H GmbH überwälzt worden, sodass die ungarische Tochtergesellschaft de facto auch keine Gewährleistungspflichten getragen habe.
6 In rechtlicher Hinsicht folgerte das Verwaltungsgericht unter Verweis auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 18. Juni 2015, C-586/13 , Martin Meat, die Arbeitsleistung der jeweiligen Arbeitnehmer/innen sei der H GmbH zugutegekommen, die ihrerseits zur Erfüllung der Leistungen aus dem Cateringvertrag verpflichtet gewesen sei. Formal habe zwar das ungarische Tochterunternehmen eine Leistungsverrechnung vorgenommen. Es mangle jedoch an einer abgrenzbaren Leistung. Die Leistungen seien mit den Mitteln und nach den Vorgaben der H GmbH erbracht worden, die Speisekarten, Preise, Kassen und Uniformen seien jeweils identisch gewesen. Die Verrechnung der Leistungen und Löhne durch den einzigen Angestellten der ungarischen Tochterfirma habe einen bloßen Formalakt dargestellt, weshalb davon auszugehen sei, dass durch die Gesellschaftsgründung die Überlassung der Arbeitnehmer/innen habe verschleiert werden sollen. Die Arbeitnehmer/innen seien sohin im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs auf einem Arbeitsplatz verwendet worden, der sonst jeweils mit einem/r Arbeitnehmer/in der H GmbH besetzt worden wäre.
7 3. Gegen diese Erkenntnisse richten sich die vorliegenden - im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof wegen ihres persönlichen, sachlichen und rechtlichen Zusammenhangs zur gemeinsamen Beratung und Beschlussfassung verbundenen - Revisionen.
8 Die belangte Behörde erstattete jeweils eine Revisionsbeantwortung.
9 4.1. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
10 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in
nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 11 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer
außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 12 4.2. Das Verwaltungsgericht begründete die Zulässigkeit der Revision jeweils gleichlautend mit dem Hinweis auf zwei näher bezeichnete Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofs, mit welchen der Verwaltungsgerichtshof "der Rechtsprechung des EuGH zu folgen bestrebt" gewesen sei. In einer mit den vorliegenden Rechtsfragen zusammenhängenden Angelegenheit habe der Verwaltungsgerichtshof überdies ein Vorabentscheidungsersuchen anhängig gemacht. Darin liege eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung. 13 Diese Ausführungen vermögen die Zulässigkeit der Revisionen nicht zu begründen, weil damit nicht aufgezeigt wird, welche konkrete grundsätzliche Rechtsfrage das Verwaltungsgericht als diejenige ansieht, die einer Klärung durch den Verwaltungsgerichtshof bedürfe, weil von dieser die Entscheidung über die verfahrensgegenständlichen Revisionen abhinge. 14 4.3.1. Ein Revisionswerber hat nach ständiger hg. Rechtsprechung auch bei Erhebung einer ordentlichen Revision von sich aus die Zulässigkeit der Revision gesondert darzulegen, sofern er der Ansicht ist, dass die Begründung des Verwaltungsgerichts für die Zulässigkeit der Revision nicht ausreicht, oder er andere Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung für relevant erachtet. Dies ist so zu verstehen, dass eine ordentliche Revision zurückzuweisen ist, wenn die in der Begründung des Zulässigkeitsausspruchs des Verwaltungsgerichts vertretene Auffassung über das Vorliegen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung iSd. Art. 133 Abs. 4 B-VG, von deren Lösung die Entscheidung über die Revision abhänge, vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilt wird und in der ordentlichen Revision unter Zulässigkeitserwägungen keine andere Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung konkret dargelegt wird (vgl. VwGH, 15.12.2016, Ro 2016/11/0003, mwN).
15 4.3.2. Zur Begründung der Zulässigkeit bringen die Revisionen (im wesentlichen übereinstimmend) ergänzend zu der Begründung des Verwaltungsgerichts vor, die angefochtene Entscheidung weiche insofern von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ab, als dieser ausgesprochen habe, dass die vom Europäischen Gerichtshof in der Rechtssache Martin Meat entwickelten Kriterien über das Vorliegen einer Arbeitskräfteüberlassung zu beachten und sämtliche für die Beurteilung notwendigen Feststellungen zu treffen seien. 16 Damit wird das Vorliegen einer Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG schon deshalb nicht aufgezeigt, weil das Verwaltungsgericht die fallbezogenen Sachverhaltsfeststellungen unter Verweis auf die hier maßgebliche Judikatur des Europäischen Gerichtshofs zu den Voraussetzungen der Annahme einer Arbeitskräfteüberlassung - das Verwaltungsgericht verweist auf das Urteil des EuGH vom 10. Februar 2011, Vicoplus u. a. (C-307/09 bis C-309/09 , EU:C:2011:64, Rn. 51), und vom 18. Juni 2015, Martin Meat - rechtlich beurteilt hat, und zu dem Schluss gelangt ist, dass eine Arbeitskräfteüberlassung im Sinne des Art. 1 Abs. 3 lit. c der Richtlinie 96/71/EG vorliege. Dass diese Einzelfallbeurteilungen des Verwaltungsgerichts vor dem Hintergrund der angeführten Rechtsprechung nicht vertretbar wären, bringen die Revisionen im Übrigen gar nicht vor und ergibt sich auch nicht aus dem weiteren Vorbringen, dass - neben Umständen, die die Annahme einer Arbeitskräfteüberlassung begründen, - (auch) Merkmale festgestellt worden seien, die einer Arbeitskräfteüberlassung widersprechen würden.
17 Insofern die Revisionen ganz allgemein behaupten, das Verwaltungsgericht habe nicht "sämtliche" Feststellungen getroffen, machen sie zwar einen Feststellungsmangel geltend, zeigen aber nicht auf, welche konkrete Sachverhaltsfeststellung das Verwaltungsgericht unterlassen habe.
18 4.3.3. Dem weiteren - und ganz allgemein gehaltenen - Vorbringen zur Zulässigkeit, die angefochtenen Entscheidungen stünden in Widerspruch zu der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs vom 22. August 2017, Ra 2017/11/0068, ist Folgendes zu entgegnen: Eine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG wird nicht durch die pauschale Behauptung der Abweichung von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aufgezeigt. Auch mit einem Zitat einer vermeintlich im Widerspruch stehenden Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes wird noch keine konkrete Rechtsfrage dargestellt, wenn das Vorbringen zur Zulässigkeit der Revision nicht auch ausführt, inwiefern das angefochtene Erkenntnis einen dieser Entscheidung widersprechenden Inhalt aufweist (vgl. VwGH 24.7.2018, Ra 2018/08/0184, mwN). 19 Eine Konkretisierung, worin die behauptete Abweichung von der Rechtsprechung liege, enthält die Zulässigkeitsbegründung jedoch nicht.
20 4.3.4. Soweit die Revisionen schließlich zur Zulässigkeit vorbringen, die angefochtenen Erkenntnisse stünden in Widerspruch "zur Begründung des Verwaltungsgerichtshofes für die Vorlage der Fragen an den Europäischen Gerichtshof im Verfahren C-16/18 (Rs Dobersberger), in der der Verwaltungsgerichtshof zutreffend davon ausgeht, dass die H. Kft Arbeitgeber und Beschäftiger der in Rede stehenden Mitarbeiter war", zeigen sie das Vorliegen einer Rechtsfrage iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG ebenfalls nicht auf, weil die erwähnte Begründung des Vorabentscheidungsersuchens des Verwaltungsgerichtshofes gemäß § 41 VwGG von den Sachverhaltsannahmen des Verwaltungsgerichts im Ausgangsverfahren auszugehen hatte, weshalb das behauptete Abweichen von der Judikatur nicht vorliegt.
21 4.4. Die Revisionen waren daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 25. Februar 2020
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