Normen
EStG 1988 §22 Z2;
EStG 1988 §24 Abs1 Z2;
EStG 1988 §37 Abs1 idF 2003/I/071;
EStG 1988 §37 Abs5 Z3;
EStG 1988 §4 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RO2016150017.J00
Spruch:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Die Revisionswerberin ist Erbin nach (dem im Jahr 2009 verstorbenen) GB, der von April 1983 bis April 2008 alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der X GmbH war. Aus der Geschäftsführertätigkeit bezog er Einkünfte aus selbständiger Arbeit gemäß § 22 Z 2 2. Teilstrich EStG 1988, die er mit Einnahmen-Ausgaben-Rechnung ermittelte.
2 Mit Wirkung vom 1. Jänner 1995 schloss GB mit der X GmbH einen Vertrag (im Folgenden: "Pensionszusage") ab, der u. a. folgende Bestimmungen enthielt:
"§ 1 Firmen-Alterspension
In Anrechnung Ihrer Leistungen für die Gesellschaft wird Ihnen die in dieser Vereinbarung geregelte Firmenpension zugesagt.
Scheiden Sie nach Erreichen des 60. Lebensjahres aus der Geschäftsführung aus, so erhalten sie eine Firmen-Alterspension.
Dies gilt auch, wenn Sie vor Erreichen des 60. Lebensjahres von sich aus aus der Geschäftsführung der Gesellschaft ausscheiden. (...)
§ 3
Die Firmen-Alterspension gebührt Ihnen vom Ersten des Kalendermonats an, der dem Ausscheiden aus der Geschäftsführung der Gesellschaft gemäß § 1 folgt, frühestens jedoch vom Monatsersten nach Erreichen des 60. Lebensjahres an. (...)
§ 6
Sie sind berechtigt, bei Eintritt des Pensionsanfalles gemäß § 1 anstelle der Pension eine einmalige Kapitalabfindung in Höhe des Barwertes der Pensionsverpflichtung zu verlangen. (...)"
3 Mit Gesellschafterbeschluss vom 9. April 2008 wurde GB, der zu diesem Zeitpunkt das 60. Lebensjahr überschritten und seine Erwerbstätigkeit zur Gänze eingestellt hat, als Geschäftsführer der X GmbH abberufen. Gleichzeitig mit der Abberufung als Geschäftsführer machte GB laut angefochtenem Erkenntnis von der in § 6 der Pensionszusage eingeräumten Möglichkeit Gebrauch, anstelle der Firmen-Alterspension eine einmalige Kapitalabfindung in Höhe des Barwertes der Pensionsverpflichtung zu verlangen. Im Laufe des Jahres 2008 erhielt GB die in der Pensionszusage vereinbarte Kapitalleistung von 1,246.366,29 EUR ausbezahlt, die er in der Einkommensteuererklärung 2008 als gemäß § 37 EStG 1988 progressionsermäßigten Übergangsgewinn erklärte.
4 Das Finanzamt veranlagte GB mit Bescheid vom 29. September 2009 zunächst erklärungsgemäß zur Einkommensteuer 2008. Am 24. Februar 2010 hob es den Bescheid vom 29. September 2009 wieder auf und erließ mit der Begründung, dass "betreffend begünstigte Besteuerung für Pensionszahlungen eine VwGH-Beschwerde anhängig ist (Zl. 2006/15/0358)", einen vorläufigen Einkommensteuerbescheid, in dem es die Einkünfte des GB im Jahr 2008 "bis zur Klärung der Rechtslage" wiederum erklärungsgemäß veranlagte. Am 1. Dezember 2011 erging sodann ein Einkommensteuerbescheid 2008, in dem die Kapitalleistung von 1,246.366,29 EUR abweichend von der Erklärung nicht mit dem gemäß § 37 EStG 1988 ermäßigten Steuersatz besteuert wurde.
5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die von der Verlassenschaft nach GB bzw. der Revisionswerberin als Erbin nach GB eingebrachte Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid 2008 vom 1. Dezember 2011 als unbegründet ab. Es stellte den eingangs dargelegten Sachverhalt fest und führte zur Begründung im Wesentlichen aus, dass die gegenständliche Pensionsabfindung weder unter die außerordentlichen Einkünfte iSd § 37 Abs. 5 EStG zu subsumieren noch als Entschädigung gemäß §§ 32 Abs. 1 Z 1 lit. a iVm 37 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 anzusehen sei.
6 Unstrittig sei, dass Abfertigungen eines Einkünfte aus sonstiger selbständiger Tätigkeit beziehenden Gesellschaftergeschäftsführers unter § 37 Abs. 5 EStG 1988 fielen. Mangels eines begünstigten Aufgabegewinnes, treffe dies aber nicht auf die Abfindung einer Firmenpension zu. Mit der Firmenpension werde nämlich die ehemalige Tätigkeit vergütet, nicht aber die Beendigung und somit Aufgabe der Geschäftsführertätigkeit. Habe der Steuerpflichtige wie im Streitfall erst mit Pensionsantritt Anspruch auf den Abfindungsbetrag, komme eine Erfassung im Rahmen eines betriebsaufgabebedingt zu ermittelnden Übergangsgewinns nicht in Betracht, weil die Forderung in diesem Fall erst nach der Betriebsaufgabe entstehe (Hinweis auf VwGH 27.7.1999, 94/14/0053). Nach der Rechtsprechung (Hinweis auf VwGH 18.12.2001, 2001/15/0190, und 16.12.2003, 2001/15/0165) könne überhaupt erst von einer "Pensionsabfindung" gesprochen werden, wenn die Zahlungen in Abgeltung eines auf Renten lautenden bereits entstandenen Anspruchs geleistet würden.
7 GB sei am 10. April 2008 aus der Geschäftsführung ausgeschieden. Gemäß § 3 der Pensionszusage habe ihm vom Ersten des Kalendermonats an, der seinem Ausscheiden aus der Geschäftsführung der Gesellschaft folgte, eine Firmenalterspension gebührt. Die gegenständliche Pensionsabfindung sei erst nach dem 1. Mai 2008 ausbezahlt worden. Sie sei nicht im Übergangsgewinn zu erfassen, weil das Entstehen der Forderung auf Abfindung der Pension gedanklich unmittelbar (eine "juristische Sekunde" nach dem Ausscheiden von GB als Geschäftsführer) nach der Betriebsaufgabe erfolge. Die Betriebsaufgabe sei eine "conditio sine qua non" für die vereinbarte Kapitalabfindung, welche GB gemäß § 3 der Pensionszusage erst ab 1. Mai 2008 gebührt habe.
8 Die gegenständliche Pensionsabfindung sei auch nicht als Entschädigung iSd § 32 Z 1 lit. a EStG 1988 zu qualifizieren, weil sie vertraglich vereinbart und auf Wunsch von GB ausbezahlt worden sei (Hinweis auf VwGH 20.2.1997, 95/15/0079; 16.9.2003, 2000/14/0175; 25.11.2009, 2005/15/0055; 29.4.2010, 2006/15/0174; und 25.4.2013, 2010/15/0158).
9 Eine Revision erklärte das Bundesfinanzgericht für zulässig, weil eine klare und eindeutige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zur Frage, "ob eine (mit dem gegenständlichen Fall vergleichbare) Pensionsabfindung dem begünstigen Steuersatz nach § 37 EStG 1988 unterliegt oder mit dem ‚normalen' Steuersatz zu versteuern ist", fehle.
10 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die vorliegende Revision, zu der das Finanzamt eine Revisionsbeantwortung erstattet hat.
11 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
12 Die im Revisionsfall maßgeblichen Bestimmungen des Einkommensteuergesetzes 1988, BGBl. Nr. 400/1988 (§ 22 Z 2 idF BGBl. Nr. 201/1996; § 24 Abs. 1 und 2 in der Stammfassung; § 37 Abs. 1 idF BGBl. Nr. 71/2003; § 37 Abs. 5 idF BGBl. Nr. 85/2008), lauten auszugsweise wie folgt:
"§ 22. Einkünfte aus selbständiger Arbeit sind:
(...)
2. Einkünfte aus sonstiger selbständiger Arbeit.
Darunter fallen nur:
(...)
- Die Gehälter und sonstigen Vergütungen jeder Art, die von einer Kapitalgesellschaft an wesentlich Beteiligte für ihre sonst alle Merkmale eines Dienstverhältnisses (§ 47 Abs. 2) aufweisende Beschäftigung gewährt werden. Eine Person ist dann wesentlich beteiligt, wenn ihr Anteil am Grund- oder Stammkapital der Gesellschaft mehr als 25% beträgt. Die Beteiligung durch Vermittlung eines Treuhänders oder einer Gesellschaft steht einer unmittelbaren Beteiligung gleich. Einkünfte aus sonstiger selbständiger Arbeit sind auch die Gehälter und sonstigen Vergütungen jeder Art, die für eine ehemalige Tätigkeit einer Person gewährt werden, die in einem Zeitraum von zehn Jahren vor Beendigung ihrer Tätigkeit durch mehr als die Hälfte des Zeitraumes ihrer Tätigkeit wesentlich beteiligt war.
(...)"
(...)
§ 24. (1) Veräußerungsgewinne sind Gewinne, die erzielt werden bei
(...)
2. der Aufgabe des Betriebes (Teilbetriebes).
(2) Veräußerungsgewinn im Sinne des Abs. 1 ist der Betrag, um den der Veräußerungserlös nach Abzug der Veräußerungskosten den Wert des Betriebsvermögens oder den Wert des Anteils am Betriebsvermögen übersteigt. Dieser Gewinn ist für den Zeitpunkt der Veräußerung oder der Aufgabe nach § 4 Abs. 1 oder § 5 zu ermitteln. Im Falle des Ausscheidens eines Gesellschafters, der als Unternehmer (Mitunternehmer) des Betriebes anzusehen ist, ist als Veräußerungsgewinn jedenfalls der Betrag seines negativen Kapitalkontos zu erfassen, den er nicht auffüllen muss.
(...)
§ 37. (1) Der Steuersatz ermäßigt sich für
(...)
- außerordentliche Einkünfte (Abs. 5)
(...)
auf die Hälfte des auf das gesamte Einkommen entfallenden
Durchschnittssatzes. (...)
(...)
(5) Außerordentliche Einkünfte sind Veräußerungs- und Übergangsgewinne, wenn die Betriebsveräußerung oder -aufgabe aus folgenden Gründen erfolgt:
(...)
3. Der Steuerpflichtige hat das 60. Lebensjahr vollendet und stellt seine Erwerbstätigkeit ein. (...)
Für Veräußerungsgewinne steht der ermäßigte Steuersatz nur über Antrag und nur dann zu, wenn seit der Eröffnung oder dem letzten entgeltlichen Erwerbsvorgang sieben Jahre verstrichen sind."
13 Gemäß § 4 Abs. 1 EStG 1988 ist Gewinn der durch doppelte Buchführung zu ermittelnde Unterschiedsbetrag zwischen dem Betriebsvermögen am Schluss des Wirtschaftsjahres und dem Betriebsvermögen am Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres.
14 GB war von April 1983 bis April 2008 alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der X GmbH und hat diese Tätigkeit, mit der er betriebliche Einkünfte nach § 22 Z 2
2. Teilstrich EStG 1988 erzielte, durch das im April 2008 erfolgte Ausscheiden aus der Geschäftsführerfunktion beendet. Ein sich daraus ergebender Aufgabegewinn ist nach § 4 Abs. 1 EStG 1988 zu ermitteln und in der Periode steuerlich zu erfassen, in der er entstanden ist.
15 Die X GmbH hat GB mit Wirkung vom 1. Jänner 1995 eine Pensionszusage erteilt. Nach § 1 der Pensionszusage stand GB eine Firmen-Alterspension für den Fall zu, dass er aus der Geschäftsführung ausscheidet. Die Firmen-Alterspension war ihm vom Ersten des Kalendermonats an, der dem Ausscheiden aus der Geschäftsführung der Gesellschaft gemäß § 1 folgte, frühestens jedoch vom Monatsersten nach Erreichen des 60. Lebensjahres an auszuzahlen. Gemäß § 6 der Pensionszusage war er zudem berechtigt, bei Eintritt des Pensionsanfalles gemäß § 1 anstelle der Pension eine einmalige Kapitalabfindung in Höhe des Barwertes der Pensionsverpflichtung zu verlangen. Von dieser Möglichkeit hat GB gleichzeitig mit der Abberufung als Geschäftsführer Gebrauch gemacht.
16 Mit dem Ausscheiden aus der Geschäftsführung bei gleichzeitiger Ausübung des Wahlrechts ist die aus der Pensionszusage resultierende Forderung auf Kapitalabfindung in für GB durchsetzbarer Weise entstanden, ohne dass es weiterer - zeitlich nachgelagerter - Voraussetzungen, wie etwa eines Gesellschafterbeschlusses, bedurft hätte. Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 27. November 2014, 2011/15/0101, auf welches gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird, ausgesprochen hat, ist diese Forderung aufgrund des mit der Betriebsaufgabe verbundenen Wechsels der Gewinnermittlungsart zum Betriebsvermögensvergleich zu bilanzieren. Die Forderung ist damit Teil der außerordentlichen Einkünfte iSd § 37 Abs. 1 iVm Abs. 5 EStG 1988, für welche sich der Steuersatz auf die Hälfte des auf das gesamte Einkommen entfallenden Durchschnittssatzes ermäßigt.
17 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
18 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet in den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 19. April 2018
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