Normen
BAO §135;
BAO §20;
BAO §205;
BAO §217;
BAO §93 Abs2;
B-VG Art133 Abs3;
B-VG Art133 Abs4;
VwGG §48 Abs2 Z1;
VwRallg;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RO2016150005.J00
Spruch:
I. zu Recht erkannt:
Die Revision gegen die Festsetzung von Verspätungszuschlägen für die Jahre 2003 bis 2011 wird als unbegründet abgewiesen.
II. den Beschluss gefasst:
Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.
Ein Kostenersatz findet nicht statt.
Begründung
1 Die Revisionswerberin hat im November 2013 erstmals Einkommensteuererklärungen für die Jahre 2003 bis 2012 beim Finanzamt eingereicht und darin neben geringfügigen inländischen Einkünften auch "Kapitalerträge aus ausländischen Kapitalanlagen, die mit dem besonderen Steuersatz von 25 % zu besteuern sind", erklärt. Die Bekanntgabe der schweizerischen Kapitaleinkünfte überschnitt sich zeitlich mit Ermittlungsschritten des Finanzamtes auf Grund einer von der schweizerischen Zahlstelle erhaltenen Kontrollmitteilung.
2 Das Finanzamt nahm erklärungsgemäße Veranlagungen u.a. der revisionsgegenständlichen Jahre 2003 bis 2007 vor und verhängte zugleich Verspätungszuschläge in Höhe von 10 % der für die Jahre 2003 bis 2012 festgesetzten Einkommensteuer. Weiters ergingen Bescheide über die Festsetzung von Anspruchszinsen.
3 Die gegen die Einkommensteuerbescheide 2003 bis 2007 sowie gegen die Bescheide betreffend die Verspätungszuschläge 2003 bis 2012 und Anspruchszinsen 2003 bis 2007 erhobenen Beschwerden begründete die Revisionswerberin mit der bereits eingetretenen Verjährung der Abgabenansprüche. Die Revisionswerberin habe sich keiner Abgabenhinterziehung schuldig gemacht, weil sie stets ihrem im Jahr 2013 verstorbenen Ehemann vertraut und sich nie um die steuerlichen Belange gekümmert habe, zumal Deutsch nicht ihre Muttersprache sei und sie auch niemals einer Berufstätigkeit nachgegangen sei. Der anzuwendende Sorgfaltsmaßstab sei der einer niemals berufstätigen Hausfrau mit französischer Muttersprache. Überdies habe sie auf Grund des in der Schweiz erfolgten Abzuges von Kapitalertragsteuer davon ausgehen können, dass "alles seine Richtigkeit" habe. Zu den Verspätungszuschlägen führte die Revisionswerberin aus, die Nichtabgabe der Steuererklärungen sei entschuldbar, weil sie fest davon überzeugt gewesen sei, dass sie keine steuerliche Obliegenheit treffe. Im Übrigen habe das Finanzamt seine Ermessensentscheidung nicht begründet. Schließlich dürfe auch die Vorschreibung von Anspruchszinsen bei der Berechnung der Höhe des Verspätungszuschlages nicht außer Acht gelassen werden.
4 Nach Ergehen abweisender Beschwerdevorentscheidungen und Durchführung der im Vorlageantrag beantragten mündlichen Verhandlung wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerden betreffend Einkommensteuer und Anspruchszinsen 2003 bis 2007 sowie Verspätungszuschlag 2012 als unbegründet ab. Die Bescheide des Finanzamtes betreffend Verspätungszuschlag 2003 bis 2011 wurden hingegen abgeändert und der Verspätungszuschlag mit 6 % der jeweils festgesetzten Einkommensteuer bemessen.
5 Das Bundesfinanzgericht führte zunächst aus, dass keine Entscheidung der Strafbehörde zum Vorliegen einer Abgabenhinterziehung ergangen sei, sodass die Abgabenbehörde bzw. das Bundesfinanzgericht festzustellen habe, ob Abgaben nach § 33 FinStrG hinterzogen worden seien und daher die verlängerte Verjährungsfrist nach § 207 Abs. 2 BAO zur Anwendung gelange. Im Revisionsfall sei ausschließlich strittig, ob neben der objektiven auch die subjektive Tatseite erfüllt sei, also die schweizerischen Kapitaleinkünfte vorsätzlich nicht erklärt worden seien, wobei bedingter Vorsatz genüge. Die Revisionswerberin habe sich damit verantwortet, dass ihr die Verwirklichung einer Abgabenhinterziehung aufgrund ihres Desinteresses an Geldangelegenheiten gar nicht in den Sinn gekommen sei. Das Bundesfinanzgericht halte diese Behauptung für realitätsfremd. Es sei eine allgemein bekannte Tatsache, dass Einkünfte jeder Art zu versteuern seien. Spätestens seit der ab Jänner 2006 stattgefundenen öffentlichen Diskussion um die "Steuer-CD" in Deutschland sei der Umstand, dass Erträge ausländischer Kapitalveranlagungen zu versteuern seien, in das allgemeine Bewusstsein gerückt. Nach allgemeiner Lebenserfahrung sei auch regelmäßig anzunehmen, dass derjenige, der wie die Revisionswerberin über ein größeres (wenn auch im Erbwege von ihren Eltern erhaltenes) Vermögen verfüge, um die potentielle Steuerpflicht anfallender Erträge wisse. Da die Revisionswerberin seit mehr als 50 Jahren in Österreich lebe, sei davon auszugehen, dass sie sich bezüglich des Verständnisses österreichischer Gesetzestexte in derselben Lage befinde wie jeder andere nicht fachkundige Österreicher deutscher Muttersprache. Auch sei es unglaubwürdig, dass die Revisionswerberin mit ihrem Ehemann nicht über ihre Geldangelegenheiten geredet habe. Vielmehr sei anzunehmen, dass bereits im Rahmen der Abwicklung der Erbschaften auch über steuerliche Fragen (Erbschaftsteuer, Einkommensteuererklärung des Verstorbenen) gesprochen worden sei. Im Hinblick auf die Größenordnung der Erbschaft (eine einkommenslose Person erbe ein Vermögen, das sie so gewinnbringend veranlagen könne, dass sie - erklärungsgemäß - monatliche Erträge in Höhe eines bescheidenen Erwerbseinkommens erziele) erscheine es als unglaubwürdig und weder mit den Erfahrungen des täglichen Lebens noch mit logischen Denkgesetzen vereinbar, dass die Revisionswerberin seit dem Erbanfall nicht auch mit jemandem - ihrem Ehemann oder einem steuerlichen Vertreter - über die aus dem geerbten Vermögen erwirtschafteten Erträge gesprochen habe. Bereits der Umstand, dass sie auftauchende Fragen zur Besteuerung gänzlich unbeantwortet gelassen habe, spreche dafür, dass sie sich mit einer allfälligen Abgabenhinterziehung abgefunden habe. Das behauptete gänzliche Fehlen eines Interesses an Geldangelegenheiten stehe zudem in Widerspruch zu den Ausführungen, wonach es die Revisionswerberin "gestört" habe, dass es im Laufe der Jahre zu einem Wechsel des Veranlagungsortes (innerhalb der Schweiz) gekommen sei. Dass der Abzug der schweizerischen Quellensteuer die Revisionswerberin habe glauben lassen, damit sämtliche Steuerpflichten zu erfüllen, könne nicht als ernsthafter Einwand gewertet werden, habe die Abzugsteuer doch lediglich 0,4 % bis 1,6 % betragen.
6 Das Bundesfinanzgericht komme in Würdigung aller Sachverhaltselemente zum Schluss, dass die Revisionswerberin die Steuerverkürzung zwar nicht absichtlich, jedoch zumindest billigend in Kauf genommen habe. Somit sei der Tatbestand der hinterzogenen Abgaben iSd § 207 Abs. 2 BAO erfüllt und die Einkommensteuerbescheide der Jahre 2003 bis 2007 seien innerhalb der gesetzlichen Verjährungsfrist erlassen worden.
7 Zum Verspätungszuschlag führte das Bundesfinanzgericht aus, dass im Rahmen der Ermessensübung die lange Dauer der Fristversäumnis zu berücksichtigen sei. Die Einkommensteuererklärung 2003 wäre Ende April 2004 einzureichen gewesen, sodass die längste Fristversäumnis 9½ Jahre betrage. Auch die kürzeste Fristversäumnis (betreffend Einkommensteuererklärung für 2012) betrage ein halbes Jahr. Die Revisionswerberin sei durch die jahrelange Nichtabgabe wiederholt (auch in den bereits verjährten Veranlagungszeiträumen) säumig geworden. Der Grad des Verschuldens gehe - wie bereits im Zusammenhang mit der Verjährung ausgeführt - über einen minderen Grad des Versehens hinaus. Auch der finanzielle Vorteil liege auf der Hand, habe die Revisionswerberin doch jahrelang keine Steuern bezahlen müssen. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass wesentliche Teile der Erträge - wie vom steuerlichen Vertreter dargestellt - aus "schwarzen Fonds" stammten, welche der so genannten Pauschalbesteuerung unterlägen, sei doch davon auszugehen, dass mit diesen Fonds tatsächliche Erträge erwirtschaftet worden seien, wäre es andernfalls doch zu einer Umschichtung gekommen.
8 Jedoch habe das Finanzamt nicht berücksichtigt, dass die Revisionswerberin für die nicht (rechtzeitig) entrichtete Einkommensteuer Anspruchszinsen zu zahlen habe. Dieser Umstand dürfe bei der Ermessensübung nicht gänzlich außer Acht gelassen werden (Hinweis auf Ritz, BAO5, § 135 Tz 13, mit Hinweisen auf Entscheidungen des UFS und des BFG). Da der Verspätungszuschlag in Prozentsätzen der Abgabe zu berechnen sei, während für die Höhe der Anspruchszinsen Prozentsätze pro Kalenderjahr maßgeblich seien, könne der durchschnittliche Prozentsatz der Anspruchszinsen allenfalls ein grober Anhaltspunkt für den zu wählenden Prozentsatz des Verspätungszuschlages bilden, und dies auch nur dann, wenn sich die relevanten Zeiträume (Anspruchszinsenzeitraum und Verspätungszeitraum) deckten. Dabei sei es aufgrund der gesetzlichen Vorgaben nicht möglich, den Betrag der festgesetzten Anspruchszinsen von einem - unter Außerachtlassung des Zinsvorteils - bereits ermittelten Betrag eines Verspätungszuschlages in Abzug zu bringen. Die Höhe des durch eine verspätete Einreichung der Abgabenerklärung erzielten finanziellen Vorteils sei nämlich nur ein Ermessenskriterium, welches auch nicht streng mathematisch bei der Wahl des Prozentsatzes für den Verspätungszuschlag oder gar durch Abzug der Anspruchszinsen vom Verspätungszuschlag zu berücksichtigen sei.
9 Grundsätzlich sei unter Berücksichtigung der außergewöhnlich langen Fristüberschreitung, des bisherigen steuerlichen Verhaltens und des Verschuldensgrades die Festsetzung eines Verspätungszuschlages in der maximalen Höhe gerechtfertigt. Da der finanzielle Vorteil für die Jahre 2003 bis 2011 durch die festgesetzten Anspruchszinsen bereits abgeschöpft worden sei, sei der Verspätungszuschlag für diese Erklärungen mit 6 % angemessen. Für das Jahr 2012 seien keine Anspruchszinsen vorgeschrieben worden, weshalb das Finanzamt das diesbezügliche Ermessen rechtsrichtig geübt habe, indem es aufgrund der Fristüberschreitung, der wiederholten Fristversäumnis, des finanziellen Vorteils und der auffallenden Sorglosigkeit den Verspätungszuschlag zu Recht im maximalen Ausmaß vorgeschrieben habe.
10 Gegen dieses Erkenntnis sei eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof (nur) zur Frage zulässig, ob und in welcher Art und Weise Anspruchszinsen bei der Festsetzung des Verspätungszuschlages zu berücksichtigen seien, weil dazu Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehle und die Frage vom unabhängigen Finanzsenat nicht einheitlich beantwortet werde.
11 In der vorliegenden Revision wird die Aufhebung des gesamten Erkenntnisses des Bundesfinanzgerichts beantragt.
12 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
13 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
14 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
15 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
16 Soweit trennbare Absprüche - wie im gegenständlichen Fall betreffend Einkommensteuer, Verspätungszuschlag und Anspruchszinsen bestimmter Jahre - vorliegen, ist die Zulässigkeit einer dagegen erhobenen Revision getrennt zu prüfen (vgl. VwGH 17.10.2017, Ro 2016/01/0011, und 25.1.2018, Ro 2016/06/0003, mit weiteren Nachweisen).
17 Das Bundesfinanzgericht hat die ordentliche Revision mit der Begründung für zulässig erklärt, dass Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage fehle, ob und in welcher Art und Weise Anspruchszinsen bei der Festsetzung des Verspätungszuschlages zu berücksichtigen seien.
18 Die Revision gibt die Ausführungen des Bundesfinanzgericht zur Zulässigkeit einer ordentlichen Revision wieder und macht ergänzend geltend, "gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes wird hinsichtlich der Verjährung der Einkommensteuer für die Jahre 2003 bis 2007 eine außerordentliche Revision beantragt, da im gegenständlich(en) Fall der vorliegende Sachverhalt für die Beurteilung, ob Verjährung vorliegt, sowohl in der Beschwerdevorentscheidung des Finanzamtes Graz-Umgebung als auch im Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes nicht ausreichend geprüft worden ist". Das Bundesfinanzgericht hätte die Möglichkeit gehabt, die Revisionswerberin persönlich zu befragen bzw. sie zur Verhandlung vor das Bundesfinanzgericht einzuladen, um sich selbst ein Bild über das steuerliche Wissen der Revisionswerberin zu machen. Demgegenüber habe das Bundesfinanzgericht die Entscheidung nur aufgrund der Schriftsätze getroffen. Gerade um subjektive Elemente zu beurteilen, seien die persönliche Befragung und der persönliche Eindruck wesentliche Entscheidungsmerkmale. Es liege daher ein wesentlicher Verfahrensmangel vor, der eine außerordentliche Revision rechtfertige.
19 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision schon deshalb nicht aufgezeigt, weil es der Revisionswerberin frei gestanden wäre, an der vor dem Bundesfinanzgericht durchgeführten Verhandlung teilzunehmen und sich einer persönlichen Befragung zu stellen. Dass die Revisionswerberin von dieser Möglichkeit - eine Verhinderung wurde vom Parteienvertreter nicht eingewandt - keinen Gebrauch gemacht hat, kann der angefochtenen Entscheidung nicht als Verfahrensmangel angelastet werden.
20 Hinsichtlich der Festsetzung von Verspätungszuschlägen für die Jahre 2003 bis 2011 ist die Revision aus dem vom Verwaltungsgericht genannten Grund zulässig.
21 Gemäß § 135 BAO kann die Abgabenbehörde Abgabepflichtigen, die die Frist zur Einreichung einer Abgabenerklärung nicht wahren, einen Zuschlag bis zu 10 Prozent der festgesetzten Abgabe (Verspätungszuschlag) auferlegen, wenn die Verspätung nicht entschuldbar ist.
22 Der gesetzliche Zweck der Festsetzung von Verspätungszuschlägen besteht darin, den rechtzeitigen Eingang der Abgabenerklärungen und damit die zeitgerechte Festsetzung und die Entrichtung der Abgabe sicherzustellen. Mit Verspätungszuschlägen wird die Säumnis bei Erfüllung der Abgabenerklärungspflicht und die daraus für die Finanzverwaltung/dem Fiskus entstehenden Folgen und Risken geahndet, während Säumnisse bei Erfüllung der Zahlungspflichten die Festsetzung eines Säumniszuschlages zur Folge haben (vgl. Stoll, BAO-Kommentar, 1524 f).
23 Die Festsetzung von Verspätungszuschlägen liegt dem Grunde und der Höhe nach im Ermessen. Sie setzt voraus, dass ein Steuerpflichtiger die Frist bzw. Nachfrist zur Einreichung einer Abgabenerklärung nicht einhält und dass dies nicht entschuldbar ist. Eine Verspätung ist nicht entschuldbar, wenn den Steuerpflichtigen daran ein Verschulden trifft; bereits leichte Fahrlässigkeit schließt die Entschuldbarkeit aus (vgl. VwGH 25.6.2007, 2006/14/0054).
24 Gemäß § 205 Abs. 1 BAO sind Differenzbeträge an Einkommensteuer, die sich aus Abgabenbescheiden unter Außerachtlassung von Anzahlungen, nach Gegenüberstellung mit Vorauszahlungen oder mit der bisher festgesetzt gewesenen Abgabe ergeben, für den Zeitraum ab 1. Oktober des dem Jahr des Entstehens des Abgabenanspruchs folgenden Jahres bis zum Zeitpunkt der Bekanntgabe dieser Bescheide zu verzinsen (Anspruchszinsen). Die Anspruchszinsen betragen pro Jahr 2 % über dem Basiszinssatz. Anspruchszinsen sind für einen Zeitraum von höchstens 48 Monaten festzusetzen (§ 205 Abs. 2 BAO idF AbgÄG 2004, BGBl. I Nr. 180/2004).
25 § 205 wurde mit BGBl. I Nr. 142/2000 in die BAO eingefügt und ist erstmals auf Abgaben anzuwenden, für die der Abgabenanspruch nach dem 31. Dezember 1999 entstanden ist (§ 323 Abs. 7 BAO). Für Abgabenansprüche, die bis zum 31. Dezember 2004 entstanden waren, galt eine Obergrenze von 42 Monaten.
26 Die Anspruchszinsen sollen (mögliche) Zinsvorteile bzw. Zinsnachteile ausgleichen, die sich aus unterschiedlichen Zeitpunkten der Abgabenfestsetzung ergeben (vgl. ErlRV 311 BlgNR 21. GP , 196).
27 Entscheidend ist die objektive Möglichkeit der Erzielung von Zinsvorteilen bzw. Zinsnachteilen. Für die Anwendung des § 205 BAO ist es bedeutungslos, aus welchen Gründen die Abgabenfestsetzung früher oder später erfolgte. Die Verzinsung unterscheidet nicht, ob der Abgabepflichtige die Steuererklärung innerhalb der gesetzlichen (allenfalls durch Bescheid verlängerten) Erklärungsfrist einreicht, oder ob die Festsetzung der Einkommensteuer wegen Verletzung der Pflicht des Finanzamtes, über die Abgabenerklärung ohne unnötigen Aufschub zu entscheiden, relativ spät erfolgt (vgl. Ritz, BAO6, § 205 Tz 2f).
28 Zinsen nach § 205 BAO sind somit weder Sanktion noch Druckmittel oder gar Strafe, sondern Ausgleich für die objektive Möglichkeit der Erzielung von Zinsvorteilen (Zinsnachteilen bei verspätet erfolgten Gutschriften), dies beschränkt auf einen Zeitraum von maximal 48 (früher 42) Monaten. Folglich lässt § 205 BAO die Möglichkeit der Festsetzung von Verspätungszuschlägen bei verspäteter Abgabe einer Steuererklärung unberührt. Die nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bei der Bemessung der Verspätungszuschläge u.a. zu berücksichtigenden finanziellen Vorteile (vgl. VwGH 9.11.2004, 99/15/0008, und 25.6.2007, 2006/14/0054) überschneiden sich jedoch mit der Verzinsung nach § 205 BAO, denn auch diese soll - wie ausgeführt - den Zinsvorteil des Steuerpflichtigen abschöpfen. Eine Berücksichtigung von Zinsvorteilen bei der Bemessung der Verspätungszuschläge stellte sich - soweit es für denselben Zeitraum auch zur Vorschreibung von Anspruchszinsen kommt - als fehlerhafte Ermessensübung dar, weil der erzielte Zinsvorteil durch die Vorschreibung der Anspruchszinsen kompensiert wird.
29 Die Revisionswerberin bringt vor, das Bundesfinanzgericht habe zwar den Verspätungszuschlag für die Jahre 2003 bis 2011 von 10 % auf 6 % mit der Begründung reduziert, dass der finanzielle Vorteil durch die Festsetzung von Anspruchszinsen für diese Jahre bereits abgeschöpft worden sei. Diesen Ausführungen sei jedoch "entgegenzuhalten, dass es tatsächlich durch die Vorschreibung von Anspruchszinsen und von Verspätungszuschlägen zu einer ‚Doppelbestrafung'" gekommen sei. Die Gegenüberstellung der Verspätungszuschläge und der Anspruchszinsen für die jeweiligen Jahre zeige, dass das Bundesfinanzgericht den Verspätungszuschlag in geringerem Maße reduziert habe, als es zur Vorschreibung von Anspruchszinsen gekommen sei.
30 Mit diesem Vorbringen wird keine Rechtswidrigkeit der Festsetzung von Verspätungszuschlägen für die Jahre 2003 bis 2011 aufgezeigt. Die von der Revisionswerberin angestrebte Anrechnung der Anspruchszinsen auf die Verspätungszuschläge kommt schon im Hinblick auf die unterschiedlichen Zielsetzungen der Festsetzung von Anspruchszinsen einerseits und der Verhängung von Verspätungszuschlägen andererseits nicht in Betracht. Die Vorschreibung eines Verspätungszuschlages setzt das Vorliegen eines Zinsvorteiles nicht voraus und kann nach Lage des Einzelfalls auch dann gerechtfertigt sein, wenn auf Grund geleisteter Vorauszahlungen keine Nachzahlungen zu leisten sind (vgl. Stoll, BAO-Handbuch, 1534). Überdies decken sich die für die Bemessung von Verspätungszuschlägen und von Anspruchszinsen maßgeblichen Zeiträume idR nicht, weil Anspruchszinsen nach § 205 BAO erst ab 1. Oktober des dem Entstehen des Abgabenspruchs folgenden Jahres und nur für einen begrenzten Zeitraum von höchstens 42 bzw. ab 2005 von höchstens 48 Monaten vorgeschrieben werden dürfen.
31 § 205 BAO muss selbst der Ausschöpfung des Höchstbetrages des § 135 BAO dann nicht entgegenstehen, wenn die übrigen Ermessenskriterien - insbesondere das Ausmaß der Fristüberschreitung, das bisherige steuerliche Verhalten sowie der Grad des Verschuldens - erheblich ins Gewicht fallen. Liegt kein Zinsvorteil vor und sind die übrigen Ermessenskriterien nicht stark ausgeprägt, rechtfertigt dieser Gesichtspunkt im Allgemeinen die Anwendung eines geringeren Hundertsatzes des Zuschlagstarifs (vgl. Stoll, BAO-Kommentar, 1534).
32 Das Bundesfinanzgericht hat bei seiner Ermessensentscheidung die außergewöhnlich lange Fristüberschreitung, die jahrelange Nichtabgabe von Steuererklärungen und den Grad des Verschuldens berücksichtigt. Darüber hinaus bezog es in seine Erwägungen auch den Umstand mit ein, dass die Revisionswerberin seit ihren in den 70er Jahren erfolgten Erbschaften keine Abgabenerklärungen eingereicht hat. Dennoch hat das Bundesfinanzgericht die Festsetzung von Anspruchszinsen (für einen zeitlich begrenzten und den Verspätungszeitraum damit nur teilweise abdeckenden Zeitraum) zum Anlass genommen, den Verspätungszuschlag auf 6 % der festgesetzten Abgaben herabzusetzen. Eine solche Ermessensübung überschreitet die vom Gesetz vorgegebenen Schranken nicht.
33 Das Vorliegen eines "Rechtsirrtums" hat das Bundesfinanzgericht mit Argumenten verneint, die auch in der Revision nicht entkräftet werden. Dass die Revisionswerberin nach ihrem Vorbringen in der Revision eine "biedere Hausfrau" sei, erklärt das behauptete Unterbleiben jeglicher Erkundigungen über die steuerliche Behandlung des nicht unbeträchtlichen von den Eltern ererbten und bei einer Schweizer Bank angelegten Vermögens nicht.
34 Da die Zulässigkeitsbegründung für die Beurteilung der Zulässigkeit einer Revision allein maßgebend ist (vgl. VwGH 1.3.2018, Ra 2017/16/0175) und die in der Zulässigkeitsbegründung formulierte Rechtsfrage iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG für den Verspätungszuschlag 2012 keine Bedeutung haben kann, war auf Ausführungen in den Revisionsgründen nicht einzugehen, die lediglich die Festsetzung des Verspätungszuschlages für das Jahr 2012 betreffen.
35 Die Revision gegen die Festsetzung von Verspätungszuschlägen für die Jahre 2003 bis 2011 war nach dem Gesagten gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
36 Im Übrigen war die Revision in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat zurückzuweisen.
37 Das Finanzamt hat den Revisionsausführungen in dem als Revisionsbeantwortung bezeichneten Schriftsatz nur entgegengehalten, dass es dem Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts nichts hinzuzufügen habe und beantrage, die Revision als unbegründet abzuweisen. Schriftsatzaufwand steht für eine solche - keine Auseinandersetzung mit der Revision enthaltende - Äußerung nicht zu (vgl. VwGH 29.4.2015, Ro 2014/13/0027).
Wien, am 13. September 2018
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