VwGH Ro 2014/15/0049

VwGHRo 2014/15/004922.10.2015

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte Mag. Dr. Köller, MMag. Maislinger und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Tanzer, über die Revision der L AG in G, vertreten durch die Allgemeine Revisions- und Treuhandgesellschaft m.b.H., Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft in 8011 Graz, City Tower, Brückenkopfgasse 1/2. OG., gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 21. Juli 2014, Zl. RV/2100614/2013, betreffend u.a. Feststellungsbescheid Gruppenträger 2009 und Körperschaftsteuer Gruppe 2009, zu Recht erkannt:

Normen

EStG §4 Abs1;
EStG §6 Z14;
EStG §9;
EStG §4 Abs1;
EStG §6 Z14;
EStG §9;

 

Spruch:

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Die revisionswerbende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Im Bericht über das Ergebnis einer Außenprüfung vom 3. Oktober 2012 wurde u.a. (Tz 6) ausgeführt, die Revisionswerberin habe zum Bilanzstichtag 31. Dezember 2009 Rückstellungen im Zusammenhang mit Patronatserklärungen sowie aufgrund von Haftungen für Tochtergesellschaften gebildet. Aufgrund der vorgelegten und geprüften Unterlagen sei zur Haftung betreffend die M GmbH festzuhalten, dass es zu keiner konkreten Inanspruchnahme dieser Haftung gekommen sei. Die verbürgte Finanzierung sei vielmehr zur Gänze zurückgezahlt und die Bürgschaft gegenstandslos geworden. Zu den Patronatserklärungen (betreffend die E GmbH und die G GmbH) sei auszuführen, dass die N GmbH am 9. Dezember 2009 ein Anbot zum Ankauf u.a. dieser Gesellschaften gelegt habe. Das Anbot enthalte aber keinen Hinweis darauf, dass ein allfällig bestehendes negatives Eigenkapital aufzufüllen sei. In den Patronatserklärungen habe sich die Revisionswerberin verpflichtet, unwiderruflich und unbedingt dafür zu sorgen, dass die angeführten Tochtergesellschaften über ausreichende Zahlungsmittel verfügen könnten, die das jeweilige Unternehmen in die Lage versetzten, seine fälligen Schulden und sonstige fällige Verbindlichkeiten zu bezahlen. Zumindest bis Mitte des folgenden Jahres 2010 sei es zu keiner Unternehmensveräußerung gekommen. Voraussetzung für die Bildung einer Rückstellung sei, dass ein die Vergangenheit betreffender Aufwand ernsthaft, also mit größter Wahrscheinlichkeit drohe. Ein intern angelegter Aktenvermerk des Vorstandes entspreche nicht den gesetzlichen Voraussetzungen für die steuerliche Bildung einer Rückstellung.

Mit Bescheiden des Finanzamtes vom 22. Oktober 2012 wurde das Einkommen Gruppenträger 2009 festgestellt und die Körperschaftsteuer Gruppe 2009 festgesetzt. Begründend wurde auf die Feststellungen der abgabenbehördlichen Prüfung, die der darüber aufgenommenen Niederschrift bzw. dem Prüfungsbericht zu entnehmen seien, verwiesen.

Die Revisionswerberin erhob gegen diese Bescheide Berufung. Die Berufung richtete sich gegen die Nichtanerkennung von Verbindlichkeitenrückstellungen im Zusammenhang mit Patronaten in Höhe von 737.000 EUR im Jahr 2009. Die Rückstellungen beträfen jeweils Patronate gegenüber Tochtergesellschaften, welche allesamt im Jahr 2010 veräußert worden seien. Die Veräußerung dieser Tochtergesellschaften sei Teil eines umfassenden Sanierungskonzeptes der Revisionswerberin gewesen; dieses sei 2010 erfolgreich abgeschlossen worden. Die Tochtergesellschaften hätten zum Stichtag 31. September 2009 ein negatives Eigenkapital (324.000 EUR) aufgewiesen; weiters hätten Haftungen für Bankschulden (413.000 EUR) bestanden. Bereits zum Bilanzstichtag 31. Dezember 2009 sei eindeutig absehbar gewesen, dass ein potentieller Erwerber diese Tochtergesellschaften nur bei Vorliegen eines positiven Eigenkapitals und ohne Verbindlichkeiten erwerben würde. Dies ergebe sich u.a. aus einem Kaufanbot des späteren tatsächlichen Käufers von Anfang Dezember 2009. Die wirtschaftliche Verursachung liege daher im Jahr der Dotierung der Rückstellung.

Im Rahmen des Berufungsverfahrens führte der Prüfer in einer Stellungnahme unter Hinweis auf die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. November 1996, 96/15/0004, und vom 17. Dezember 1998, 97/15/0122, u.a. aus, die Inanspruchnahme eines Gesellschafters aus einer im Zusammenhang mit seiner Gesellschafterstellung eingegangenen Verpflichtung für Schulden der Gesellschaft führe nicht zu Betriebsausgaben, sondern zu Einlagen. Daher dürfe die drohende Inanspruchnahme nicht durch eine steuerliche Rückstellung berücksichtigt werden.

Die Revisionswerberin bestritt in einem Schriftsatz vom 13. März 2014 diese Rechtsansicht und brachte vor, anders als in den in der Stellungnahme des Prüfers angeführten Erkenntnissen seien die Tochtergesellschaften im vorliegenden Fall Kapitalgesellschaften.

Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die (nunmehrige) Beschwerde als unbegründet ab. Es erklärte die Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG als zulässig.

Begründend führte das Bundesfinanzgericht - nach Wiedergabe des Verfahrensganges - aus, unstrittig sei, dass mit 9. Dezember 2009 ein Anbot zum Kauf von 100% Gesellschaftsanteilen an Tochtergesellschaften der Revisionswerberin gelegt worden sei. Nach Punkt 3 dieses Anbotes würden diese Tochtergesellschaften ohne Verbindlichkeiten erworben werden. Eine nähere Konkretisierung von "Verbindlichkeiten" sei damals nicht erfolgt. Erst im Optionsvertrag vom 1. Juni 2010 sei eine detaillierte Ausformulierung zum Begriff "Verbindlichkeiten" erfolgt.

Das Bundesfinanzgericht sehe im Anbot vom 9. Dezember 2009 noch keine ausreichende Grundlage für eine Rückstellungsdotierung im Jahr 2009. Es handle sich um ein unverbindliches Interesse eines potentiellen Erwerbers, der selbst zu erkennen gebe, den genauen Erwerber aus seinem Konzern noch nicht exakt zu kennen. Auch seien noch Gesellschaftsgremien und Aufsichtsrat zu befassen. Ebenso fehlten Aussagen darüber, bis zu welchem Zeitpunkt der potentielle Erwerber sich an sein Anbot gebunden fühle bzw. bis wann der Anbotsersteller mit einer Zusage der Revisionswerberin rechne. Dieser Schriftsatz sei auch von der Revisionswerberin nicht gegengezeichnet worden. Allein der Aktenvermerk des "Aufsichtsrates" vom 15. Dezember 2009 auf Einstellung der strittigen Rückstellung stelle noch keinen ausreichend ernsthaften Grund dar, mit einer Inanspruchnahme aus den Patronatserklärungen zu rechnen.

Nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes habe die Revisionswerberin erst mit Abschluss des Vertrages auf Einräumung der Option vom 1. Juni 2010 ernsthaft mit der Inanspruchnahme aus den abgegebenen Patronatserklärungen rechnen können, denn erst ab diesem Zeitpunkt sei die Revisionswerberin eine verbindliche Verpflichtung zur Übernahme der Verbindlichkeiten einem Dritten gegenüber eingegangen. Bis zu diesem Tag habe sie mit keiner Inanspruchnahme, durch wen auch immer, rechnen müssen.

Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die Revision.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 9 Abs. 1 Z 3 EStG 1988 können Rückstellungen für sonstige ungewisse Verbindlichkeiten gebildet werden, wenn sie nicht Abfertigungen, Pensionen oder Jubiläumsgelder betreffen.

Voraussetzung für die Bildung einer Verbindlichkeitsrückstellung ist u.a., dass die künftigen Ausgaben sofort abziehbare Betriebsausgaben darstellen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Dezember 1998, 97/15/0122; Mühlehner in Hofstätter/Reichel, 58. Lfg, § 9 EStG Tz 68, sowie Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuer-Handbuch, § 5 Tz 23).

Erbringt der Gesellschafter einer Personengesellschaft aufgrund der Bürgschaftsverpflichtung für Schulden der Gesellschaft eine Leistung, so ist darin eine Einlage iSd § 4 Abs. 1 EStG 1988 zu erblicken. Die bevorstehende Verpflichtung zur Leistung einer Einlage iSd § 4 Abs. 1 EStG 1988 eignet sich nicht für eine Rückstellung (vgl. das Erkenntnis vom 19. März 2008, 2008/15/0018, VwSlg. 8326/F, mwN).

Die Zuführung von Mitteln an die Gesellschaft durch den Gesellschafter ist grundsätzlich als Einlage anzusehen, die beim Gesellschafter als eine Form der Verwendung seines Einkommens zunächst steuerneutral ist. Die Leistungen des Gesellschafters an die Kapitalgesellschaft sind als zusätzliche Anschaffungskosten der Beteiligung zu behandeln (vgl. § 6 Z 14 EStG 1988; sowie das Erkenntnis vom 29. April 1992, 90/13/0228, VwSlg. 6668/F); dies gilt auch im Falle einer - hier vorliegenden - mittelbaren Beteiligung (vgl. das Erkenntnis vom 19. September 2007, 2004/13/0050).

Die Revisionswerberin hatte in "Patronatserklärungen" gegenüber der E GmbH und der G GmbH, in denen sie auf die mittelbare Beteiligung an diesen Tochtergesellschaften verwies, gegenüber diesen Tochtergesellschaften garantiert, "unwiderruflich und unbedingt dafür zu sorgen, dass die (Tochtergesellschaft) über ausreichende Zahlungsmittel verfügt, die sie in die Lage versetzt, ihre fälligen Schulden und sonstige fällige Verbindlichkeiten zu bezahlen". In diesen Erklärungen wurde ausgeführt, die Revisionswerberin könne die Patronatserklärung unter Einhaltung einer Frist von 14 Tagen schriftlich widerrufen, wenn ihre Beteiligung an der Tochtergesellschaft unter 50% sinke.

Diese Haftungsübernahmen - wie auch jene (ohne Patronatserklärung) gegenüber der weiteren Tochtergesellschaft M GmbH - sind offenkundig und im Verfahren unbestritten durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst. Eine Inanspruchnahme aus diesen Haftungsübernahmen würde daher jeweils keine Betriebsausgaben bewirken, sondern wäre als Einlage (weitere Anschaffungskosten für die Beteiligung) anzusehen. Droht eine Inanspruchnahme aus derartigen Haftungsübernahmen, so eignet sich dies nicht für die Bildung einer Rückstellung.

Die Revision erweist sich daher schon deswegen als unbegründet und war sohin gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet in den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 22. Oktober 2015

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