VwGH Ro 2014/15/0035

VwGHRo 2014/15/003526.11.2015

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Tanzer, über die Revision der A AG in K, vertreten durch die BDO Vorarlberg GmbH, Steuerberatungs- & Wirtschaftsprüfungsgesellschaft in 6800 Feldkirch, Gallmiststraße 13, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 4. April 2014, Zl. RV/1100381/2010, betreffend Wiederaufnahme (Körperschaftsteuer 2004), Körperschaftsteuer 2004, Feststellung Einkommen Gruppenträger 2005 bis 2007, Körperschaftsteuer Gruppe 2005 bis 2007, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §262 idF 2013/I/014;
BAO §276 Abs1;
BAO §279 Abs1 idF 2013/I/014;
BAO §289 Abs2;
BAO §303 Abs1 idF 2013/I/014;
BAO §303 Abs1 litb idF 2013/I/014;
BAO §303;
BAO §93 Abs3 lita;
VwRallg;

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Revisionswerberin wurde mit Erklärung vom 28. Februar 2003 als Gesellschaft mit beschränkter Haftung gegründet. Mit Generalversammlungsbeschluss vom 8. Mai 2003 wurde das Stammkapital erhöht. Als neue Gesellschafterin (mit einem Anteil von etwa 30%) trat die HG ein, die der Revisionswerberin mit weiterem Vertrag vom 8. Mai 2003 ein Gesellschafterdarlehen in Höhe von 1 Mio. EUR gewährte. Der Darlehensgeberin wurde in diesem Vertrag für den Fall, dass sie das Darlehen aus näher genannten Gründen kündige und nicht die Rückzahlung des Darlehens verlange, das Recht eingeräumt, die Gründung einer stillen Gesellschaft - entsprechend einer angeschlossenen Vertragsurkunde - zu verlangen.

Im Rahmen einer neuerlichen Kapitalerhöhung traten weitere Gesellschafter (die "G-Gruppe", u.a. die G Holding GmbH) ein, wobei die G Holding GmbH als Gegenleistung mit Einbringungsvertrag vom 10. September 2004 ihren Geschäftsanteil an der G GmbH (Deutschland) in die Revisionswerberin einbrachte.

In den Jahren 2005 bis einschließlich 2010 bildete die Revisionswerberin als Gruppenträgerin mit der G GmbH (Deutschland) als ausländischem Gruppenmitglied eine Unternehmensgruppe iSd § 9 KStG 1988.

Mit Generalversammlungsbeschluss vom 26. September 2007 wurde die Revisionswerberin in eine Aktiengesellschaft umgewandelt.

Die Jahre 2003 bis 2006 wurden einer abgabenbehördlichen Prüfung unterzogen, über deren Ergebnis im Bericht gemäß § 150 BAO u. a. festgehalten wurde:

"Tz. 1 Patente

Absetzung für Abnutzung

Im Jahre 2003 wurden von (DA) Patente angeschafft. Die Anschaffungskosten beliefen sich auf EUR 200.000,--. Die Nutzungsdauer der Patente wurde mit 4 Jahren festgelegt. Nach Ansicht der BP handelt es sich bei der Anschaffung der Patente um eine verdeckte Gewinnausschüttung an (DA). Die im Prüfungszeitraum aufwandwirksam verbuchte AfA wird außerbücherlich hinzugerechnet.

Tz. 2 Wandlungsrecht (H)

a.o. Betriebsaufwand

Im Jahre 2004 wurde von der (Revisionswerberin) ein Betrag von 1.100.000,- an die (HG) bezahlt. Dies damit die (HG) auf das ihr gewährte Wandlungsrecht zur Schaffung einer atypisch stillen Beteiligung verzichtet. Der Aufwand von EUR 1.100.000,-- wurde seitens der (Revisionswerberin) als a.o. Aufwand zur Verbuchung gebracht.

Betriebsaufwendungen sind gemäß § 4 Abs 4 EStG Aufwendungen oder Ausgaben, die durch den Betrieb veranlaßt sind.

Der Verzicht auf das Eingehen einer atypisch stillen Beteiligung liegt einzig und allein im Interesse der Gesellschafter und nicht in dem der Gesellschaft. Die Zahlung von EUR 1.100.000,-- ist somit nach Ansicht der BP in keiner Weise durch den Betrieb bedingt und stellt somit in weiterer Konsequenz keine Betriebsausgabe dar.

Tz. 3 Bürgschaft

Eingehen einer Bürgschaftserklärung

Mit Vertrag vom 8.11.2004 ist die (Revisionswerberin) für die (G GmbH) eine Bürgschaft in Höhe von EUR 3.900.000,-- eingegangen. Für die Übernahme dieses Risikos ist nach Ansicht der BP 2005 und 2006 0,5 Prozent der Bürgschaftssumme an die (G GmbH), 2004 pro rata temporis 2/12 dieses Betrages zu verrechnen.

Wiederaufnahme des Verfahrens gem. § 303 Abs. 4 BAO Hinsichtlich nachstehend angeführter Abgabenarten und Zeiträume wurden Feststellungen getroffen, die eine Wiederaufnahme des Verfahrens gem. § 303 Abs. 4 BAO erforderlich machen: (...)

Körperschaftsteuer 2003 bis 2006 (Feststellung) 1, 2, 3"

Mit Bescheid des Finanzamtes vom 26. Mai 2009 erfolgte die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Körperschaftsteuer 2004. In der Begründung des Bescheides wurde angeführt, die Wiederaufnahme erfolge gemäß § 303 Abs. 4 BAO "aufgrund der Feststellungen der abgabenbehördlichen Prüfung, die der darüber aufgenommenen Niederschrift bzw. dem Prüfungsbericht zu entnehmen sind. Daraus ist auch die Begründung für die Abweichungen vom bisherigen Bescheid zu ersehen".

Mit weiterem Bescheid vom 26. Mai 2009 wurde die Körperschaftsteuer 2004 neu festgesetzt.

Die Revisionswerberin erhob gegen diese Bescheide Berufung. Zur Wiederaufnahme machte sie insbesondere geltend, aus der Niederschrift oder dem Prüfungsbericht sei zwar im Ansatz erkennbar, dass sich das Finanzamt auf den Neuerungstatbestand berufe und bestimmte (aber zu Unrecht behauptete) neu hervorgekommene Tatsachen dem Wiederaufnahmebescheid zu Grunde gelegt worden seien. Die Begründung des Bescheides sei aber floskelhaft und gehe auf die Besonderheiten des Einzelfalles überhaupt nicht ein.

Die Feststellungen in Tz 1 (Patente) seien aus dem Jahresabschluss 2003 ersichtlich, welcher dem Finanzamt vorgelegen sei. Aus den erworbenen Patenten würden laufend Lizenzeinnahmen erwirtschaftet. Die Patente seien in Höhe des Kaufpreises werthaltig und seien zu fremdüblichen Konditionen von der Revisionswerberin gekauft worden. Der Umstand, dass die Patente von einem Gesellschafter erworben worden seien, sei per se keine die Wiederaufnahme des Verfahrens rechtfertigende neu hervorgekommene Tatsache.

Die Feststellungen in Tz 2 entsprächen den Ausführungen im Jahresabschluss 2004 (Anhang), welcher dem Finanzamt im Zeitpunkt der Bescheiderlassung zur Verfügung gestanden sei.

Auch die Feststellungen in Tz 3 (Bürgschaft) ergäben sich aus dem Jahresabschluss 2004 (Anhang). Das Risiko aus der Bürgschaft ergebe sich nur im Umfang der Höhe des aushaftenden Kreditbetrages, nicht des Haftungsrahmens. Der Provisionssatz sei sohin auch nur auf diese Höhe zu beziehen. Diese allenfalls anzusetzende Provision sei damit absolut und relativ geringfügig, sodass dies keine Wiederaufnahme des Verfahrens rechtfertigen würde.

Der Wiederaufnahmebescheid sei auch deshalb mangelhaft, weil die neu hervorgekommenen Tatsachen und Beweismittel nicht ausdrücklich bezeichnet worden seien. Das Finanzamt versuche, den ihm bereits bekannten Sachverhalt rechtlich neu zu würdigen.

Sodann enthält die Berufung umfangreiche Ausführungen betreffend Tz 2 ("Wandlungsrecht"). Im Rahmen der Begründung eines Gesellschaftsverhältnisses mit der Revisionswerberin habe die HG der Beteiligungsgesellschaft ein Darlehen in Höhe von 1 Mio EUR eingeräumt. Der Vertrag vom 8. Mai 2003 habe der Darlehensgeberin vielfältige Rechte eingeräumt. Unter anderem sei die HG berechtigt gewesen, bei Kündigung des Darlehens statt der Rückzahlung des Darlehens die Gründung einer atypisch stillen Gesellschaft mit einer Beteiligung von 30% zu verlangen. Im Frühjahr 2004 seien Gespräche mit einem deutschen Mitbewerber geführt worden. Im Zuge dieser Gespräche seien im Hinblick auf eine künftige Zusammenarbeit von den Gesellschaftern des deutschen Mitbewerbers ("G-Gruppe") Änderungen der Bestimmungen des Vertrages betreffend das Gesellschafterdarlehen der HG begehrt worden. Dazu sei schließlich vereinbart worden, dass die HG gegen Zahlung eines Abfindungsbetrages von 1,1 Mio EUR auf das Wandlungsrecht verzichte.

Mit Berufungsvorentscheidung vom 3. Dezember 2009 gab das Finanzamt der Berufung betreffend Wiederaufnahme (Körperschaftsteuer 2004) Folge und hob den Bescheid auf.

Mit Bescheid vom 16. Juni 2010 wurde das Verfahren hinsichtlich Körperschaftsteuer 2004 neuerlich vom Finanzamt gemäß § 303 Abs. 4 BAO wiederaufgenommen. Mit weiterem Bescheid vom 16. Juni 2010 wurde die Körperschaftsteuer 2004 neu festgesetzt.

In der gesonderten Bescheidbegründung wurde ausgeführt, im Rahmen der Betriebsprüfung der Jahre 2003 bis 2006 seien folgende Tatsachen und Beweismittel neu hervorgekommen:

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