VwGH Ro 2014/15/0019

VwGHRo 2014/15/001919.10.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn, die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Bamminger, über die Revisionen des J M in E, vertreten durch Martin Friedl, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater in 4650 Lambach, Marktplatz 2, gegen die Bescheide des unabhängigen Finanzsenats, Außenstelle Linz, 1) vom 10. Dezember 2013, Zl. RV/1101-L/13, betreffend Antrag auf Ablehnung wegen Befangenheit und vom 22. November 2013 betreffend weitere Anträge auf Ablehnung wegen Befangenheit sowie

2) vom 13. Dezember 2013, Zlen. RV/0730-L/13, miterledigt RV/0899- L/13, betreffend Umsatzsteuer 2003 und 2004 sowie Verspätungszuschläge betreffend Umsatzsteuer 2003 und 2004,

1. den Beschluss gefasst:

Die Revision gegen die erstangefochtenen Bescheide wird zurückgewiesen.

2. zu Recht erkannt:

Normen

12010P/TXT Grundrechte Charta Art47;
BAO §167 Abs2;
BAO §278;
BAO §76 Abs1 litc;
MRK Art6;
UStG 1994;
VwGG §42 Abs2 Z3;
12010P/TXT Grundrechte Charta Art47;
BAO §167 Abs2;
BAO §278;
BAO §76 Abs1 litc;
MRK Art6;
UStG 1994;
VwGG §42 Abs2 Z3;

 

Spruch:

Der zweitangefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Der Revisionswerber betreibt gemeinsam mit seiner Gattin einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb mit Milch-, Zuchtvieh- und Mastrinderproduktion sowie Forstwirtschaft.

2 Im Rahmen einer Außenprüfung gemäß § 147 Abs. 1 BAO iVm § 99 Abs. 2 FinStrG wurde u.a. festgestellt, dass der Revisionswerber und sein Bruder seit dem Jahr 1998 zu Briketts gepresste Holzabfälle an Heizwerke, Geschäfts- und Privatkunden verkauft hätten, wobei die Holzabfälle mittels zweier angekaufter Brikettpressen zu Briketts gepresst worden seien.

3 Daraufhin setzte das Finanzamt zunächst gegenüber dem Revisionswerber und seinem Bruder Umsatzsteuer für die Jahre 2003 und 2004 fest.

4 Nach Aufhebung dieses Bescheides durch die belangte Behörde mangels Bestehens einer umsatzsteuerlichen Außengesellschaft mit eigener Unternehmereigenschaft (Berufungsentscheidung vom 6. Juni 2013, GZ RV/0069-L/13) setzte das Finanzamt Umsatzsteuer für die Jahre 2003 und 2004 gegenüber dem Revisionswerber fest. Begründend führte es aus, dass der Revisionswerber den "Holzbriketthandel" alleine betrieben habe und ihm daher auch die Umsätze daraus zuzurechnen seien. Beim "Holzbriketthandel" des Revisionswerbers handle es sich um keinen land- und forstwirtschaftlichen Nebenbetrieb. Kennzeichnend für eine Nebentätigkeit sei nämlich u.a., dass für ihre Ausübung keine über die Land- und Forstwirtschaft hinausgehende Organisation nötig sei, insbesondere dass die verwendeten Gegenstände Betriebsvermögen des land- und forstwirtschaftlichen Betriebes seien. Im vorliegenden Fall seien zumindest zwei Brikettpressen angekauft und eine Lagerhalle angemietet worden, welche nicht dem Betriebsvermögen des land- und forstwirtschaftlichen Betriebes zuzurechnen seien. Wenn die Einkünfte aus dem Verarbeitungsbetrieb nachhaltig die Einkünfte aus dem Hauptbetrieb überstiegen, liege ebenfalls kein land- und forstwirtschaftlicher Nebenbetrieb iSd § 21 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 vor. Die Abgabenbehörde sei "daher zu dem Schluss gekommen, das(s) (der Revisionswerber) im berufungsgegenständlichen Zeitraum Einkünfte aus Gewerbebetrieb bezogen und der Abgabenbehörde gegenüber unter Verletzung der Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflicht nicht erklärt" habe. Für die Abgabenfestsetzung komme gemäß § 207 Abs. 2 BAO die Verjährungsfrist von zehn Jahren zur Anwendung. Für die Verwirklichung eines Vorsatzdeliktes genüge es, dass der Abgabepflichtige diese Verwirklichung ernstlich für möglich halte und sich mit ihr abfinde. Bei seiner Vernehmung vor der Abgabenbehörde erster Instanz am 30. Juni 2005 habe der Revisionswerber bekanntgegeben, dass er sich in der "Sache Briketts" schon immer steuerlich erkundigen habe wollen. Er sei dann aber nicht dazugekommen. Er wolle die angeführten Angaben als Vorweggeständnis verstehen. Aus dieser Aussage gehe klar hervor, dass dem Revisionswerber sehr wohl bewusst gewesen sei, dass gegenüber der Abgabenbehörde ein Erklärungsbedarf bestehe.

5 Mit Bescheiden vom gleichen Tag wurden betreffend Umsatzsteuer 2003 und 2004 Verspätungszuschläge von 10 % festgesetzt. Zur Begründung wurde auf die Bestimmungen des § 135 BAO verwiesen.

6 Mit Schriftsatz vom 17. Juli 2013 erhob der Revisionswerber gegen die Bescheide betreffend Umsatzsteuer und Verspätungszuschlag Berufung.

7 Mit Eingabe vom 13. November 2013 brachte der Revisionswerber eine "Befangenheitsanzeige" sowie einen Ablehnungsantrag gegen die verfahrensführende Referentin des Berufungsverfahrens, Mag. XY, mit folgender Begründung ein: In der Berufungsentscheidung vom 6. Juni 2013, GZ RV/0069-L/13, habe die belangte Behörde eine vom Revisionswerber und seinem Bruder eingebrachte Berufung gegen Erledigungen vom 15. Oktober 2012 (mit denen das Finanzamt bereits gegenüber den beiden Brüdern als Gesellschaft/Gemeinschaft die Umsatzsteuern der nunmehr zu entscheidenden Jahre habe geltend machen wollen) deshalb als unzulässig zurückgewiesen, weil diese nicht gemeinsam als Unternehmer in Erscheinung getreten seien und demnach eine Außengesellschaft nicht bestanden habe. Referentin dieses Verfahrens sei ebenfalls das nunmehr abgelehnte Organ Mag. XY gewesen. In der damaligen Berufungsentscheidung vom 6. Juni 2013 habe die Referentin als Obiter dictum wörtlich Folgendes ausgeführt:

"Der Vollständigkeit halber sei auf Folgendes hingewiesen:

Im weiteren Verfahren wird die Abgabenbehörde erster Instanz die berufungsgegenständliche Umsatzsteuer dem Unternehmer (Name des Revisionswerbers) vorschreiben. (...)

Wenn der (Revisionswerber) ... wiederholt vorbringt, er sei

der Meinung gewesen, der Holzbriketthandel falle in seinen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb, so muss dem Folgendes entgegen gehalten werden: (...)

Die Abgabenbehörde wird daher im Sinne dieser Ausführungen zu dem Schluss kommen, das(s) (der Revisionswerber) im berufungsgegenständlichen Zeitraum Einkünfte aus Gewerbebetrieb bezogen und der Abgabenbehörde gegenüber unter Verletzung der Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflicht nicht erklärt hat. (...)

In diesem Zusammenhang ist abschließend darauf hinzuweisen, dass nicht Voraussetzung ist, dass der Abgabepflichtige selbst die Abgabe hinterzogen hat. Es kommt also nicht darauf an. ob unmittelbare Täterschaft oder Beitragstäterschaft vorlag. Die zehnjährige Verjährungsfrist gilt nämlich unabhängig davon, wer die Abgaben hinterzogen hat."

Diese Meinung der Referentin habe "das Finanzamt mit Punkt, Komma und Rechtschreibfehler in die Begründung der nunmehr angefochtenen Bescheide übernommen und darüber hinausgehend keine eigenen Überlegungen angestellt", sodass sich nun die Frage stelle, ob die Referentin selbst die Schlüssigkeit ihrer eigenen Beweiswürdigung überprüfen solle.

8 Der Revisionswerber führte weiters aus, dass die Berufungsentscheidung vom 6. Juni 2013, RV/0069-L/13, erst am 4. Juli 2013 in der "Findok"-Datenbank, dem Rechts- und Fachinformationssystem des österreichischen Finanzressorts, veröffentlicht worden sei, während die Begründung der angefochtenen Bescheide bereits am 12. Juni 2013 ausgefertigt und darin sogar die Rechtschreibfehler aus dem Obiter dictum der Berufungsentscheidung vom 6. Juni 2013 übernommen worden seien. Gemäß § 76 Abs. 1 lit d BAO hätten sich im Rechtsmittelverfahren Organe der Abgabenbehörde zweiter Instanz dann der Ausübung ihres Amtes wegen Befangenheit zu enthalten und ihre Vertretung zu veranlassen, wenn sie an der Erlassung des angefochtenen Bescheides "mitgewirkt" hätten. Die elektronische Überlassung der Berufungsentscheidung (bevor diese noch in der "findok"-Datenbank veröffentlicht worden sei) stelle eine verpönte "Mitwirkung" der Referentin an der Erlassung der angefochtenen Bescheide dar, zumal auch zu schließen sei, dass die Übermittlung des Entscheidungstextes an das Finanzamt nicht unaufgefordert bzw. wortlos erfolgt sein könne. Deshalb hätte die Referentin bereits von sich aus diesen Befangenheitsgrund anzeigen müssen. Jedenfalls stelle ihre Mitwirkung einen sonstigen wichtigen Grund iSd § 76 Abs. 1 lit. c BAO dar, wobei hervorzuheben sei, dass - aus der Sicht des Revisionswerbers - bereits die Hilfeleistung der Referentin durch die elektronische Übermittlung des Entscheidungstextes an das Finanzamt objektiv den Anschein der Befangenheit bewirke, was in jedem Fall das Ausscheiden der Referentin aus dem Berufungsverfahren notwendig mache. Nur dadurch könne verhindert werden, dass die mündliche Verhandlung zur reinen Farce verkomme, und - nach bloß formaler Anhörung des Revisionswerbers - die (vermutlich) schon vorbereitete Abweisung der Berufung verkündet werde.

9 Dieser Ablehnungsantrag wurde von dem nach der Geschäftsverteilung der belangten Behörde dafür zuständigen Vorsitzenden des Berufungssenates als unbegründet abgewiesen, wobei diese Abweisung am Tag der mündlichen Verhandlung am 22. November 2013 vom Vorsitzenden zunächst - in Anwesenheit der übrigen Senatsmitglieder, der Schriftführerin, des Revisionswerbers und seines Parteienvertreters sowie unter Ausschluss der Vertreter des Finanzamtes - mündlich verkündet wurde und sodann mit Ausfertigung vom 10. Dezember 2013 schriftlich erging. Begründend wurde ausgeführt, dass im kontradiktorischen Verfahren Berufungsentscheidungen nicht nur dem Berufungswerber, sondern zeitgleich auch dem Finanzamt als Amtspartei im Postweg zugestellt würden. Die Kenntnisnahme der Amtspartei vom Inhalt dieser Entscheidung sei somit jedenfalls auf diesem Wege erfolgt. Die nebulosen Mutmaßungen des steuerlichen Vertreters, die Referentin habe die von ihr getroffene Berufungsentscheidung der Amtspartei auch elektronisch übermittelt, bewegten sich daher auf der bloßen Behauptungsebene, trügen keinerlei Beweiskraft in sich und hätten offenkundig das vorrangige Ziel, die Integrität und Objektivität der verfahrensführenden Referentin in Frage zu stellen. Daran vermöge auch der Umstand nichts zu ändern, dass in dem angefochtenen Bescheid Rechtschreibfehler aus der von der verfahrensführenden Referentin erlassenen Berufungsentscheidung übernommen worden seien. Es müssten keine Mutmaßungen dahingehend angestellt werden, aus welcher Motivation die Abgabenbehörde erster Instanz diese Begründung gewählt habe, sich an der Berufungsentscheidung orientiert bzw. ob sie hiefür allenfalls technische Hilfsmittel (zB Einscannen des Texts der übermittelten Berufungsentscheidung) herangezogen oder diese gleichsam "abgeschrieben" habe. Die erst spätere Veröffentlichung in der "Findok" und somit Zugänglichmachung für die Öffentlichkeit habe den Grund, dass dies erst dann erfolge, wenn die Zustellnachweise einer Rechtsmittelentscheidung eingelangt seien und somit davon ausgegangen werden könne, dass die Entscheidung auch zugestellt und rechtswirksam ergangen sei.

10 Ein Obiter dictum in der Berufungsentscheidung eines anderen Abgabepflichtigen sei keine Mitwirkung an einem danach erlassenen Bescheid des Finanzamtes. Die vom Revisionswerber als Begründung für den von ihm eingebrachten Ablehnungsantrag herangezogene Textpassage der Berufungsentscheidung vom 6. Juni 2013, die dort als Obiter dictum enthalten gewesen sei, habe einen anderen Abgabepflichtigen betroffen, nämlich eine aus dem Revisionswerber und seinem Bruder gebildete Gesellschaft bürgerlichen Rechts, während im gegenständlichen Verfahren lediglich der Revisionswerber betroffen sei. Wenn nun in die verfahrensgegenständlichen Umsatzsteuerbescheide tatsächlich Textpassagen der seinerzeitigen Berufungsentscheidung Eingang gefunden hätten, so bedeute dies jedenfalls keine Mitwirkung der verfahrensführenden Referentin Mag. XY am Bescheid eines anderen Abgabensubjektes, das Vorliegen des absoluten Befangenheitsgrundes des § 76 Abs. 1 lit. d BAO oder eines sonstigen wichtigen Grundes, der geeignet erscheine, die volle Unbefangenheit der verfahrensführenden Referentin in Zweifel zu ziehen.

11 Darüber hinaus sei das verfahrensgegenständliche Berufungsverfahren ein Senatsverfahren, sodass bereits insoweit die (wie dargestellt, ohnehin nicht subjektiv beeinflusste) Ansicht, welche die Referentin im seinerzeitigen Berufungsverfahren als Obiter dictum geäußert habe, für den Ausgang des Berufungsverfahrens des Revisionswerbers nicht ausschlaggebend sei.

12 Anlässlich der mündlichen Verkündung der Abweisung des Ablehnungsantrags fügte der Vorsitzende noch Folgendes hinzu:

"Wenn ich mir selber noch ein obiter dictum erlauben darf:

Wirklich getroffen und sehr getroffen hat mich die Ausführung, dass dem Senat unterstellt wird, eine mündliche Berufungsverhandlung sei eine reine Farce, in der eine vorbereitete Entscheidung gleichsam heruntergebetet wird und die Entscheidung sowieso schon feststeht und vor allem bei der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungssenat, in dem alle Mitglieder unabhängig sind, dass hier das Verb ‚verkommen' verwendet wird. Ich möchte hier darauf hinweisen, dass meiner Meinung nach, ich setze bewusst das obiter dictum, die Voraussetzung für das Verhängen einer Ordnungsstrafe wegen beleidigender Schreibweise zumindest zu überlegen ist."

13 Nach der mündlichen Verkündung der abweisenden Entscheidung erklärte das entsendete Mitglied Frau Dr. Z:

"Kurz vor Beginn möchte ich noch einbringen, dass ich mir kurz überlegen muss, ob ich befangen bin. Denn aufgrund dieser Unterstellung habe ich eine persönliche Emotion und bin möglicherweise befangen. Kann ich um eine Bedenkzeit bitten bzw. können wir uns kurz beraten?"

14 Nach einer Unterbrechung von 15 Minuten kehrte der Berufungssenat zurück, wobei der Vorsitzende verkündete: "Die Entscheidung ist gefallen. Frau Dr. (Z) ist nicht befangen."

15 Daraufhin stellte der Revisionswerber weitere Ablehnungsanträge gegen den Vorsitzenden, neuerlich gegen die Berichterstatterin Mag. XY und gegen das entsendete Mitglied Frau Dr. Z. Letztere habe selbst in den Raum gestellt, dass sie emotional in den Fall so verfangen sei, dass sie anzweifle, zu einer objektiven Entscheidung zu kommen. Dabei sei es befremdlich, dass sie diese Entscheidung nicht selbst habe treffen können, sondern sich dazu der Beratung des Senates bedient habe. Da der Revisionswerber annehme, dass auf die Beisitzerin durch den Vorsitzenden eingewirkt worden sei, lehne er auch den Vorsitzenden ab. Es sei rechtswidrig, dass der Senat darüber berate, wenn ein Mitglied eine Befangenheitsanzeige in Erwägung ziehe, und nach kurzer Beratung diese Überlegung umschlage und sich das Mitglied plötzlich nicht mehr als befangen erkläre. Betreffend den Ablehnungsantrag gegen die Referentin Mag. XY verweise er darauf, dass sie - was auch im ursprünglichen Ablehnungsantrag schon vorgebracht, aber in der Entscheidung nicht gewürdigt worden sei - die Entscheidung nicht in Papierform, sondern auch elektronisch an das Finanzamt übermittelt habe. Das ergebe sich aus den übernommenen Formulierungen.

16 Der Berufungssenat zog sich daraufhin zurück. Nach seiner Rückkehr verkündete der Vorsitzende folgende Senatsentscheidungen über die Ablehnungsanträge: Soweit die Ablehnungen Frau Dr. Z und ihn beträfen, würden sie abgewiesen. Soweit die Ablehnung das hauptberufliche Mitglied Frau Mag. XY betreffe, werde der Antrag als unzulässig zurückgewiesen, weil res iudicata vorliege. Über die Ablehnung betreffend Frau Mag. XY habe der Vorsitzende bereits abgesprochen. Die Begründung, warum Frau Mag. XY erneut abgelehnt werde, sei die Behauptung gewesen, dass sie ihre Entscheidung dem Finanzamt elektronisch übermittelt habe, was schon in der ersten Entscheidung behandelt worden sei. Was Frau Dr. Z betreffe, habe diese dem Senat gegenüber glaubhaft versichert, dass ihre Wortmeldung eine Art Entrüstungsbeleidigung gewesen sei. Sie habe sich persönlich getroffen gefühlt, dass ihre heutige ehrenamtliche Funktion als Farce degradiert werde. Sie habe gemeint, bei so einer Behauptung könnte man sich sogar noch überlegen, ob man nicht befangen sei. Sie fühle sich aber nicht befangen. Demnach könne die angenommene Einflussnahme des Senatsvorsitzenden auf sie nicht zutreffen.

17 Nach dem Abschluss der Erörterung der Ablehnungsanträge des Revisionswerbers, die von 9 Uhr 40 bis 12 Uhr 15 gedauert hatte, wurde um 12 Uhr 16 nahtlos die mündliche Verhandlung betreffend Umsatzsteuer 2003 und 2004 sowie Verspätungszuschläge betreffend Umsatzsteuer 2003 und 2004 in Anwesenheit der Vertreter des Finanzamtes durchgeführt.

18 Mit dem zweitangefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ab. Begründend führte sie aus, "wie bereits in der Berufungsentscheidung vom 3. Mai 2013, RV/0069-L/13, angeführt wurde", sei der Berufung Folgendes entgegenzuhalten: Für die Produktion und den Vertrieb der Holzbriketts seien eigene, nicht in der Landwirtschaft eingesetzte Maschinen und Fahrzeuge angekauft sowie ein Lagerraum angemietet worden. Im Jahr 2003 hätten die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft 6.921,08 EUR, jene aus dem Holzbriketthandel 5.866,14 EUR betragen. Im Jahr 2004 habe das Verhältnis 6.553,34 EUR zu 11.954,66 EUR betragen. Auf Grund dieser Tatsachen könne von einer Unterordnung - weder hinsichtlich der Zweckbestimmung noch hinsichtlich des wirtschaftlichen Umfanges - keineswegs ausgegangen werden. Vielmehr stehe fest, dass hinsichtlich Briketterzeugung und - vertrieb ein eigener Gewerbebetrieb vorliege. Aus der Aussage des Revisionswerbers vor der Abgabenbehörde erster Instanz am 30. Juni 2005 gehe zweifelsfrei hervor, dass ihm die Möglichkeit bewusst gewesen sei, dass er die "Sache Briketts" steuerlich nicht richtig beurteilt habe bzw. dass doch der Abgabenbehörde gegenüber ein Erklärungsbedarf bestehe. Dadurch, dass er sich nicht entsprechend erkundigt habe, habe er die Möglichkeit der gesetzlichen Tatbildverwirklichung ausdrücklich in Kauf genommen. Deshalb sei die belangte Behörde zur Ansicht gelangt, dass der Revisionswerber die Umsatzsteuer 2003 und 2004 - resultierend aus Holzbriketterzeugung und -handel - iSd § 33 Abs. 1 FinStrG hinterzogen habe, weshalb gemäß § 207 Abs. 2 BAO die Verjährungsfrist zehn Jahre betrage und im Zeitpunkt der Bescheiderlassung, im Juni 2013, noch nicht abgelaufen gewesen sei. Hinsichtlich der Verhängung von Verspätungszuschlägen betreffend Umsatzsteuer 2003 und 2004 verwies die belangte Behörde auf § 207 Abs. 2 letzter Satz BAO, wonach das Recht auf Festsetzung eines Verspätungszuschlags gleichzeitig mit dem Recht auf Festsetzung der Abgaben verjähre. Wenn man den Umstand, dass es sich um hinterzogene Abgaben, die nicht unerhebliche Umsatzsteuernachforderung und den damit verbundenen Zinsgewinn sowie das Ausmaß der Fristüberschreitung betrachte, erscheine es als durchaus angemessen, dass die Abgabenbehörde erster Instanz einen Verspätungszuschlag im Höchstausmaß von 10 % verhängt habe.

19 In der vorliegenden Revision wendet sich der Revisionswerber sowohl gegen diesen Bescheid als auch gegen die Nichtstattgabe seiner Ablehnungsanträge.

20 Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Verbindung der Revisionen zur gemeinsamen Entscheidung erwogen:

Zu den erstangefochtenen Entscheidungen:

21 Mit dem am 10. Dezember 2013 schriftlich ausgefertigten Bescheid hat die belangte Behörde (der Vorsitzende des Berufungssenates) einen Antrag des Revisionswerbers auf Ablehnung eines Mitgliedes des Berufungssenates (der Referentin Mag. XY) wegen Befangenheit abgewiesen.

22 Entscheidungen der vorliegenden Art über Ablehnungsanträge sind nicht gesondert anfechtbar (vgl. VwGH vom 29. September 2010, 2005/13/0090 und 2005/13/0091, sowie vom 4. September 2014, 2013/15/0291).

23 Gleiches gilt für die mündlich verkündeten Entscheidungen des Senats über die am 22. November 2013 gestellten weiteren Ablehnungsanträge.

24 Die Revision war daher insoweit, als sie sich gegen die erstangefochtenen Entscheidungen richtet, gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen, was der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat beschlossen hat. Zum zweitangefochtenen Bescheid:

25 Organe der Abgabenbehörden haben sich gemäß § 76 Abs. 1 BAO u. a. dann der Ausübung ihres Amtes wegen Befangenheit zu enthalten und ihre Vertretung zu veranlassen, wenn es sich um ihre eigenen Abgabenangelegenheiten oder um jene eines ihrer Angehörigen oder Pflegebefohlenen handelt (lit. a), wenn sie als Vertreter einer Partei bestellt sind oder waren (lit. b) oder wenn "sonstige wichtige Gründe vorliegen, die geeignet sind, ihre volle Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen" (lit. c).

26 Im Verfahren vor der belangten Behörde stand den Parteien gemäß § 278 Abs. 1 BAO idF vor dem FVwGG 2012 das mit dem Abgaben-Rechtsmittel-Reformgesetz, BGBl. I Nr. 97/2002, eingeführte "Recht zu, ein Mitglied des Berufungssenates mit der Begründung abzulehnen, dass einer der im § 76 Abs. 1 aufgezählten Befangenheitsgründe vorliegt". Gemäß § 278 Abs. 3 BAO idF vor dem FVwGG 2012 waren Ablehnungsanträge bei der Abgabenbehörde zweiter Instanz einzubringen und die Gründe für die Ablehnung glaubhaft zu machen.

27 Die Geschäftsverteilung der belangten Behörde hatte nach § 270 Abs. 2 zweiter Satz BAO idF vor dem FVwGG 2012 "zu regeln, wem die Entscheidung über Ablehnungsanträge (§ 278) obliegt". Die im Zeitpunkt des Ablehnungsantrages des Revisionswerbers maßgebliche Fassung der Geschäftsverteilung sah in Punkt 3.2.8.1 die Zuständigkeit des Vorsitzenden des Berufungssenates zur Entscheidung über Ablehnungsanträge gegen hauptberufliche Mitglieder vor. Über die Ablehnung des Vorsitzenden des Berufungssenates hatte der Landessenatsvorsitzende zu entscheiden.

28 Punkt 3.2.8.2 der Geschäftsverteilung lautete:

"Über Ablehnungsanträge (§ 278 BAO) (,) die während der mündlichen Berufungsverhandlung (§ 284 BAO) eingebracht werden, entscheidet das für die Sachentscheidung zuständige Organ (Referent bzw. gesamter Berufungssenat). Gleiches gilt für Ablehnungsanträge, die unmittelbar vor der mündlichen Berufungsverhandlung gestellt werden und eine rechtzeitige Entscheidung durch das nach Punkt 3.2.8.1 zuständige Organ nicht ohne ungebührliche Verzögerung der Verhandlung möglich ist."

29 Hierzu macht die Revision geltend, dass für die Entscheidung über die - schon zwei Stunden vor der mündlichen Verhandlung zur gegenständlichen Abgabenangelegenheit erklärten - weiteren Ablehnungen wegen Befangenheit des Vorsitzenden, der Referentin Mag. XY und des entsendeten Mitglieds Dr. Z nicht der Senat, sondern die Landessenatsvorsitzende entscheiden hätte müssen, weil die Anträge nicht "unmittelbar", sondern schon cirka zwei Stunden vor der Berufungsverhandlung gestellt worden seien und die Verhinderung der Landessenatsvorsitzenden nicht aktenkundig sei.

30 Mit diesem Vorbringen ist die Revision nicht im Recht. Die gegenständlichen Ablehnungsanträge hat der Revisionswerber erst am Tag der mündlichen Verhandlung im Rahmen einer unmittelbar vor der Erörterung der Sache stattfindenden Erörterung über einen zuvor schriftlich eingebrachten Ablehnungsantrag nach Verkündung der diesbezüglichen abweisenden Entscheidung des Senatsvorsitzenden in Anwesenheit des bereits versammelten Senats mündlich gestellt. Auch wenn man daher diese Erörterung noch nicht als Teil der mündlichen Verhandlung im Senatsverfahren selbst ansähe (etwa weil die Vertreter des Finanzamts in dem Zeitpunkt noch ausgeschlossen waren), ist jedenfalls der in der Geschäftsverteilung ausdrücklich geregelte Fall des Punktes 3.2.8.2 gegeben, wonach eine rechtzeitige Entscheidung durch die Landessenatsvorsitzende nicht ohne ungebührliche Verzögerung der Verhandlung möglich war.

31 Eine Unzuständigkeit des Senats zur Entscheidung über die am 22. November 2013 gestellten Ablehnungsanträge, die auf die Sachentscheidung durchschlagen würde (vgl. dazu VwGH vom 27. Juni 2013, 2013/15/0129), liegt daher im Revisionsfall nicht vor.

32 Zum Vorbringen des Revisionswerbers hinsichtlich einer Befangenheit des hauptberuflichen Mitglieds Mag. XY als Referentin im Berufungsverfahren ist in der Sache Folgendes zu sagen: Soweit sich die Revision auf eine angebliche zusätzliche elektronische Übermittlung (der beiden Verfahrensparteien ohnedies schriftlich zugestellten) Berufungsentscheidung an eine der beiden Verfahrensparteien stützt, vermag sie damit eine Befangenheit der Referentin nicht aufzuzeigen. Ob eine Entscheidung per Post und sodann zusätzlich per Fax oder elektronisch an die Verfahrensparteien übermittelt wird, betrifft letztlich eine Handlung, die für sich genommen keinerlei Anlass bietet, die volle Unbefangenheit eines Organs objektiv in Zweifel zu ziehen. Mit dem bloßen Hinweis auf die Übernahme von Schreibfehlern aus der seinerzeitigen Berufungsentscheidung der belangten Behörde durch das Finanzamt kann die Revision daher keine Anhaltspunkte für eine Unvoreingenommenheit der Referentin Mag. XY aufzeigen.

33 Soweit die Revision jedoch das von der Referentin verfasste Obiter dictum betrifft, zeigt sie damit sehr wohl einen Befangenheitsgrund der Referentin auf.

34 Für die Beurteilung, ob eine Befangenheit iSd § 76 Abs. 1 lit. c BAO vorliegt, ist maßgebend, ob ein am Verfahren Beteiligter bei vernünftiger Würdigung aller konkreten Umstände Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit und objektiven Einstellung des Organwalters zu zweifeln (vgl. VwGH vom 4. September 2014, 2013/15/0291 mwN).

35 Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 4. September 2014, 2013/15/0291, ausgesprochen hat, ist im Anwendungsbereich des Art. 6 EMRK die Befangenheit eines Mitglieds eines Tribunals in verfassungskonformer Weise dann anzunehmen, wenn einem Organwalter auch nur der äußere Anschein der Unparteilichkeit mangelt. Abgabenverfahren fallen zwar nicht in den Anwendungsbereich des Art. 6 EMRK, dem nationalen Gesetzgeber ist es jedoch unbenommen, die Anwendbarkeit der Grundsätze des Art. 6 EMRK auszudehnen. Mit dem AbgRmRefG, BGBl. I Nr. 97/2002, durch welches auch das Ablehnungsrecht des § 278 BAO idF vor dem FVwGG 2012 eingeführt wurde, wollte der nationale Gesetzgeber die für civil rights maßgebenden Kriterien des Art. 6 EMRK für das Berufungsverfahren in Abgabensachen übernehmen. Im Anwendungsbereich des Unionsrechts ergibt sich mittlerweile auch aus Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (ABl. 2007/C 303/01, konsolidierte Fassung ABl. 2010/C 83/02 S. 389 ff) das Recht auf ein faires Verfahren und ein unparteiisches Gericht. Inhaltlich entsprechen die Garantien des Art. 47 GRC jenen des Art. 6 EMRK. Umsatzsteuerverfahren gehören zu jenen Verfahren, die jedenfalls in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fallen; für solche Abgabenverfahren ergibt sich daher seit 1. Dezember 2009 auch die Anwendbarkeit der Grundrechtecharta (vgl. VwGH vom 23. Jänner 2013, 2010/15/0196, mwN).

36 Die Unparteilichkeit kann in subjektiver und in objektiver Hinsicht betrachtet werden. In der gegenständlich insbesondere relevanten subjektiven Hinsicht ist eine Befangenheit oder Ausgeschlossenheit eines Organwalters dann anzunehmen, wenn er vor der Verhandlung etwa durch Äußerungen zu erkennen gibt, dass er sich in der konkreten Sache bereits auf eine Entscheidung festgelegt hat (vgl. VwGH vom 4. September 2014, 2013/15/0291, mwN zur diesbezüglichen Rsp des EGMR).

37 Mit dem vom Revisionswerber gerügten Obiter dictum hat die abgelehnte Referentin Mag. XY aber genau das zu erkennen gegeben. Wie schon die konkrete Formulierung des Obiter dictum zeigt, hat die Referentin dem Finanzamt darin nicht nur Ermittlungshinweise für das gegenständliche Abgabenverfahren betreffend den Revisionswerber gegeben, sondern hat auch bereits das Ergebnis dieser Ermittlungshinweise unmissverständlich vorweggenommen (arg:

"Im weiteren Verfahren wird die Abgabenbehörde erster Instanz die berufungsgegenständliche Umsatzsteuer dem Unternehmer (Name des Revisionswerbers) vorschreiben. (...) Die Abgabenbehörde wird daher im Sinne dieser Ausführungen zu dem Schluss kommen, das(s) ..."). Damit hat die Referentin aber aus Anlass einer Rechtskontrolle im Verfahren eines anderen Abgabepflichtigen bereits beweiswürdigend Stellung hinsichtlich der in jenem Verfahren gar nicht gegenständlichen Steuerpflicht des Revisionswerbers genommen. Enthält ein vorhergehendes Urteil jedoch derart vorgefasste Bezug- oder Vorwegnahmen hinsichtlich noch offener anderer Verfahren, so liegt darin ein Umstand, der die volle Unbefangenheit des Organs objektiv in Zweifel zieht (vgl. auch EGMR vom 14. Juni 2001, Craxi III gegen Italien, Nr. 63226/00 sowie vom 26. April 2011, Steulet gegen Schweiz, Nr. 31351/06, Rz 38).

38 Soweit die belangte Behörde demgegenüber auf die nunmehrige Zuständigkeit eines Berufungssenats im Verfahren des Revisionswerbers, bei dem die Referentin nur mehr ein Mitglied von mehreren ist, hinweist, verkennt sie den Sinn der Übertragung von Entscheidungsbefugnissen an Kollegialorgane und das Wesen der Willensbildung innerhalb solcher Organe. Diese Willensbildung kann im Rahmen der vom Kollegium vorzunehmenden Beratung nämlich grundsätzlich von jedem Mitglied des Kollegiums unabhängig vom später erzielten Abstimmungsergebnis wesentlich beeinflusst werden, so dass die Nichtberücksichtigung einer auch nur bei einem Mitglied - wie immer letztlich abgestimmt worden sein mag - bestehenden Befangenheit stets die Verletzung einer Verfahrensvorschrift ist, von der nicht von vornherein gesagt werden kann, sie hätte auf das Ergebnis der Entscheidung keinesfalls einen Einfluss gehabt (vgl. bereits VwGH vom 18. Jänner 1983, 82/14/0092).

39 Dabei ist es angesichts der Bandbreite einer der Schlüssigkeitsprüfung standhaltender Beweiswürdigung bei der Feststellung des entscheidungswesentlichen Sachverhalts nicht auszuschließen, dass die belangte Behörde im Falle des Nichtmitwirkens des befangenen Organwalters an der dem Bescheid zugrundeliegenden Beratung und Beschlussfassung zu einem anders lautenden (vertretbaren) Bescheid hätte kommen können, weshalb der Verfahrensfehler auch wesentlich ist (vgl. VwGH vom 18. März 1992, 90/12/0167, und vom 12. November 2012, 2011/06/0202).

40 Der zweitangefochtene Bescheid war daher wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG aufzuheben.

41 Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

42 Die zitierten Bestimmungen über das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof waren gemäß § 4 Abs. 5 vorletzter Satz VwGbk-ÜG - mit der dort angeführten Maßgabe - iVm § 28 Abs. 5 BFGG in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung anzuwenden.

Wien, am 19. Oktober 2016

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