VwGH Ro 2014/07/0068

VwGHRo 2014/07/006824.9.2015

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger, die Hofrätin Dr. Hinterwirth und den Hofrat Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Pitsch, über die Revision des ***** vertreten durch Ing. Mag. Dr. Felix Jurak, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, Osterwitzgasse 6/II, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Kärnten vom 20. Mai 2014, KLVwG-S6-917- 920/4/2014, betreffend Nichtgewährung von Verfahrenshilfe in einem Administrativverfahren betreffend eine Minderheitenbeschwerde (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Amt der Kärntner Landesregierung als Agrarbehörde), den Beschluss gefasst:

Normen

12010P/TXT Grundrechte Charta Art47;
B-VG Art130 Abs1;
B-VG Art133 Abs4;
B-VG Art140 Abs7;
MRK Art6;
VStG §51a idF 2013/I/033;
VStG §51a;
VwGG §34 Abs1;
VwGVG 2014 §17;
VwGVG 2014 §40;
VwRallg;
12010P/TXT Grundrechte Charta Art47;
B-VG Art130 Abs1;
B-VG Art133 Abs4;
B-VG Art140 Abs7;
MRK Art6;
VStG §51a idF 2013/I/033;
VStG §51a;
VwGG §34 Abs1;
VwGVG 2014 §17;
VwGVG 2014 §40;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid vom 15. Jänner 2014 wies das Amt der Kärntner Landesregierung als Agrarbehörde unter anderem eine Minderheitenbeschwerde des Revisionswerbers gegen einen zu einem bestimmten Tagesordnungspunkt der Jahreshauptversammlung der Holzgruppe V gefassten Beschluss als unzulässig zurück. Dagegen brachte der Revisionswerber eine Beschwerde beim Landesverwaltungsgericht Kärnten (LVwG) ein, welches dem Revisionswerber einen Verbesserungsauftrag erteilte. Der Revisionswerber führte zu diesem Verbesserungsauftrag aus, er habe keine Ausbildung für die Durchführung des Verbesserungsauftrages, weshalb er ersuche, dass ihm ein bestimmter Rechtsanwalt als Verfahrenshelfer beigegeben werde.

Mit dem nun in Revision gezogenen Beschluss vom 20. Mai 2014 wies das LVwG den Antrag des Revisionswerbers auf Beigebung eines "Verfahrenshilfeverteidigers" als unzulässig zurück.

Begründend führte das LVwG im Wesentlichen aus, das dritte Hauptstück des VwGVG ("Besondere Bestimmungen") habe § 40 VwGVG, der die Beigebung eines Verfahrenshelfers regle, dem zweiten Abschnitt ("Verfahren in Verwaltungsstrafsachen") zugeordnet. Aus diesem systematischen Zusammenhang gehe eindeutig hervor, dass nach dem Willen des Gesetzgebers die Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers nur in Beschwerdeverfahren in Verwaltungsstrafsachen möglich sei. Ungeachtet etwaiger Zweifel in der Literatur hinsichtlich der Vereinbarkeit dieser Rechtslage mit Art. 6 EMRK bestehe für das LVwG kein Anlass dazu, die Bestimmung über ihren eindeutigen Wortlaut und systematischen Zusammenhang hinaus dahingehend zu interpretieren, dass auch in Administrativverfahren - wie dem hier vorliegenden - die Beigebung eines Verfahrenshelfers möglich wäre.

Das LVwG ließ die Revision deshalb zu, weil es zu § 40 VwGVG noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gebe und möglicherweise im Lichte der EMRK entgegen dem klaren Wortlaut der Bestimmung des § 40 VwGVG auch im Administrativverfahren über "civil rights" die Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers geboten sein könnte.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision des Revisionswerbers.

Der Revisionswerber erhob gegen den angefochtenen Beschluss des LVwG neben der gegenständlichen Revision auch Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Bei der Behandlung der genannten Beschwerde entstanden beim Verfassungsgerichtshof Bedenken in Hinblick auf die Verfassungsmäßigkeit des § 40 VwGVG idF BGBl. I Nr. 33/2013. Der Verfassungsgerichtshof prüfte daher diese Gesetzesbestimmung von Amts wegen auf ihre Verfassungsmäßigkeit und hob schließlich mit Erkenntnis vom 25. Juni 2015, G 7/2015-8, unter Pkt. I die Bestimmung des § 40 VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, als verfassungswidrig auf; unter Pkt. II und III des Erkenntnisses sprach er aus, dass die Aufhebung mit Ablauf des 31. Dezember 2016 in Kraft trete und frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Kraft träten.

Mit Beschluss vom 25. Juni 2015, E 599/2014-23, lehnte der Verfassungsgerichtshof schließlich die Behandlung der an ihn seitens des Revisionswerbers gerichteten Beschwerde ab, sprach dem Revisionswerber aber den Ersatz der Prozesskosten zu. Unter Hinweis auf sein obzitiertes Erkenntnis vom gleichen Tag meinte er, dass die Aufhebung des § 40 VwGVG nichts daran ändere, dass der angefochtene Beschluss des LVwG keine Verletzung in einem verfassungsrechtlich gewährleisteten Recht oder Verletzung in einem sonstigen Recht wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes erkennen lasse, weil ein Anspruch auf Verfahrenshilfe bei Streitigkeiten über zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen nicht unmittelbar auf Art. 6 Abs. 1 EMRK gestützt werden könne. Weil die Beschwerde mit Erfolg die amtswegige Prüfung der Norm angeregt und dadurch zur Bereinigung der Rechtslage beigetragen habe, seien dem Revisionswerber aber die Verfahrenskosten zuzusprechen gewesen.

Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Gemäß § 34 Abs. 3 VwGG ist ein solcher Beschluss nach Abs. 1 in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.

Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.

In der gegen den angefochtenen Beschluss des LVwG erhobenen vorliegenden Revision macht der Revisionswerber geltend, es fehle an Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob einem Beschwerdeführer auch in einem Administrativverfahren über "civil rights" die Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers zustehe.

Es braucht nicht untersucht zu werden, ob es sich beim gegenständlichen Fall um einen Anlassfall bzw. um einen diesem gleichzuhaltenden Fall im Sinne des Art. 140 Abs. 7 B-VG handelt und der gegenständliche Fall demgemäß anhand der bereinigten Rechtslage zu prüfen ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 2001, 2000/07/0081). Es ergibt sich in beiden Fällen das gleiche rechtliche Ergebnis.

Geht man nämlich davon aus, dass ein Anlassfall bzw. ein diesem gleichzuhaltender Fall vorliegt, und wendet man die bereinigte Rechtslage an, so enthält das VwGVG überhaupt keine Bestimmungen - weder für das Verwaltungsstrafverfahren noch für das Administrativverfahren - betreffend die Gewährung von Verfahrenshilfe. Auch im AVG, dessen Bestimmungen gemäß § 17 VwGVG - mit einigen Ausnahmen - subsidiär auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG anzuwenden sind, ist die Gewährung von Verfahrenshilfe nicht vorgesehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. März 2011, 2010/05/0165). Schließlich kann der Anspruch des Revisionswerbers auch nicht unmittelbar aus Art. 6 EMRK abgeleitet werden (vgl. dazu auch den Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 25. Juni 2015, E 599/2014-23) und fehlt es im vorliegenden Fall auch an einem Sachverhalt mit Unionsrechtsbezug, der gegebenenfalls die Anwendbarkeit des Art. 47 GRC nach sich ziehen könnte.

Unter der Annahme, dass kein Anlassfall bzw. ein diesem gleichzuhaltender Fall vorliegt, ist § 40 VwGVG in der nicht bereinigten Fassung anzuwenden.

§ 40 VwGVG idF BGBl. I 33/2013 lautet:

"Verfahrenshilfeverteidiger

§ 40. (1) Ist ein Beschuldigter außerstande, ohne Beeinträchtigung des für ihn und Personen, für deren Unterhalt er zu sorgen hat, zu einer einfachen Lebensführung notwendigen Unterhalts die Kosten der Verteidigung zu tragen, so hat das Verwaltungsgericht auf Antrag des Beschuldigten zu beschließen, dass diesem ein Verteidiger beigegeben wird, dessen Kosten der Beschuldigte nicht zu tragen hat, soweit dies im Interesse der Rechtspflege, vor allem im Interesse einer zweckentsprechenden Verteidigung, erforderlich ist.

(2) Der Antrag auf Beigebung eines Verteidigers kann schriftlich oder mündlich gestellt werden. Er ist ab Erlassung des Bescheides bis zur Vorlage der Beschwerde bei der Behörde, ab Vorlage der Beschwerde beim Verwaltungsgericht einzubringen. Wird der Antrag innerhalb der Beschwerdefrist beim Verwaltungsgericht eingebracht, so gilt er als rechtzeitig gestellt. In dem Antrag ist die Strafsache bestimmt zu bezeichnen, für die die Beigebung eines Verteidigers begehrt wird.

..."

§ 40 VwGVG, der im zweiten Abschnitt des dritten Hauptstückes ("Verfahren in Verwaltungsstrafsachen") des VwGVG enthalten ist, entspricht weitgehend der Bestimmung des § 51a VStG idF vor BGBl. I Nr. 33/2013 und stellt in seiner Terminologie auf das Verfahren in Verwaltungsstrafsachen ab. Auch seine systematische Stellung im Abschnitt über das Verfahren in Verwaltungsstrafsachen bzw. die Erläuterungen zu § 51a VStG idF vor BGBl. I Nr. 33/2013, wonach diese Bestimmung die "Verfahrenshilfe (vor den unabhängigen Verwaltungssenaten) in Verwaltungsstrafangelegenheiten" (RV 1090 BlgNR 16. GP , 18) regelt, lassen erkennen, dass die Beigebung eines Verfahrenshelfers nach § 40 VwGVG ausschließlich in Verwaltungsstrafsachen in Betracht kommt. Das VwGVG enthält keine weiteren Regelungen zur Gewährung von Verfahrenshilfe vor den Verwaltungsgerichten.

Angesichts der eindeutigen Rechtslage, die keine Gewährung von Verfahrenshilfe in Verfahren vor den Verwaltungsgerichten in Administrativverfahren zulässt, ist daher nicht davon auszugehen, dass es sich bei der vom Revisionswerber genannten Rechtsfrage um eine solche grundsätzlicher Bedeutung handelt (vgl. hierzu etwa die hg. Beschlüsse vom 28. Mai 2014, Ro 2014/07/0053, sowie vom 2. September 2014, Ra 2014/18/0062).

In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 24. September 2015

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