Normen
BauG Stmk 1995 §21 Abs1;
BauG Stmk 1995 §21;
BauG Stmk 1995 §41 Abs3;
VVG §10 Abs1;
VVG §10 Abs2 Z1;
VVG §10 Abs2;
VVG §10 Abs3;
VVG §10;
VVG §4 Abs1;
VVG §4 Abs2;
VVG §4;
VwGG §42 Abs2 Z1;
BauG Stmk 1995 §21 Abs1;
BauG Stmk 1995 §21;
BauG Stmk 1995 §41 Abs3;
VVG §10 Abs1;
VVG §10 Abs2 Z1;
VVG §10 Abs2;
VVG §10 Abs3;
VVG §10;
VVG §4 Abs1;
VVG §4 Abs2;
VVG §4;
VwGG §42 Abs2 Z1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Steiermark hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Graz vom 8. Oktober 2004 wurde der Revisionswerberin gemäß § 41 Abs. 3 Stmk BauG 1995 der Auftrag erteilt, die auf dem Grundstück Nr. X, EZ Y, KG W, errichtete bauliche Anlage, und zwar ein im Abstand von ca. 6 m von der südlichen und ca. 40 m von der östlichen Grundgrenze entfernt auf ca. 25 lfm Betonstreifenfundament errichtetes, ca. 3 m hohes Gebäude in Holzbauweise, im Ausmaß von ca. 8 m x 6 m mit sattelförmiger Dachkonstruktion und angebautem 4 m x 1,4 m großem Balkon, binnen 6 Wochen ab Rechtskraft des Bescheides zu beseitigen.
2 Der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung der Revisionswerberin vom 25. Oktober 2004 wurde mit Bescheid der Berufungskommission der Landeshauptstadt Graz vom 6. Juli 2005 keine Folge gegeben und der Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Graz vom 8. Oktober 2004 bestätigt (Titelbescheid).
3 Da diesem rechtskräftigen Bauauftrag nicht entsprochen wurde, erfolgte die Androhung der Ersatzvornahme mit Schreiben des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Graz vom 9. November 2006 unter Setzung einer Frist von 6 Wochen.
4 Mit Schreiben des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Graz vom 13. April 2010 wurde der Revisionswerberin neuerlich die Ersatzvornahme binnen einer Frist von 6 Wochen angedroht.
5 Mit Schreiben des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Graz vom 26. November 2012 wurde der Revisionswerberin das Ergebnis der Kostenschätzung (der Ersatzvornahme) der Stadtbaudirektion der Landeshauptstadt Graz, Referat Hochbau, vom 21. November 2012 unter gleichzeitiger Einräumung einer Stellungnahmefrist von zwei Wochen zur Kenntnis gebracht.
6 Die Revisionsweberin äußerte sich mit Schreiben vom 5. Dezember 2012.
7 Mit Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Graz vom 18. April 2013 wurde schließlich die zwangsweise Durchführung des genannten Bauauftrages durch Ersatzvornahme angeordnet (Vollstreckungsverfügung) und der Revisionswerberin aufgetragen, als Vorauszahlung für die Kosten der Ersatzvornahme einen Betrag von EUR 21.415,00 zu erlegen.
8 Die Revisionswerberin berief mit Schreiben vom 25. April 2013 und legte im Wesentlichen dar, die Abmessungen der Hütte seien falsch, der Betrag der Kostenberechnung sei daher nicht richtig. Da es sich um eine landwirtschaftliche Fläche und um eine Landwirtschaft handle, sei eine Hütte wie die gegenständliche bewilligungsfrei und dürfe nicht entfernt werden. Die Verhältnisse im Vergleich zum Gutachten des Ing. P aus 2005 (Anmerkung: das im Bauauftragsverfahren von der Berufungskommission der Landeshauptstadt Graz eingeholte Gutachten vom 11. Mai 2005) seien nun andere, weil 400 Weinstöcke der Sorte C vor 7 Jahren auf dem Gebiet der alten Anbauflächen der Sorte R angepflanzt worden seien. Die (alten) Rebstöcke seien entfernt und eine neue Kultur an derselben Stelle angelegt worden. Im vorigen Jahr seien 300 neue Weinstöcke sowie 30 Obstbäume und Sträucher, Himbeersträucher, 30 kleine Trüffelbäume, Zedern und Kiefern gepflanzt worden. Es werde Heu und Holz gewonnen. Es handle sich um eine Landwirtschaft, weil eine planvolle, grundsätzlich auf die Erzielung von Einnahmen ausgerichtete nachhaltige Tätigkeit vorliege, wobei die Erträge aus Wein EUR 2.520,00 (280 l a EUR 9,00), Traubenverkauf und restliches Obst EUR 540,00 (600 kg a EUR 0,90), Ofenholz EUR 240,00 (rm a EUR 60,00), 5000 kg Heu EUR 900,00 (a EUR 0,16) betragen würden. Das Wild finde im Winter seinen Platz in der Hütte und werde mit Heu versorgt.
9 Mit dem am 25. November 2013 erlassenen Bescheid der belangten Behörde (vom 22. November 2013) wurde die Berufung der Revisionswerberin als unbegründet abgewiesen. Begründend legte die belangte Behörde - soweit für den vorliegenden Revisionsfall von Bedeutung - im Wesentlichen dar, ein rechtskräftiger Titelbescheid (gemeint: Bescheid der Berufungskommission der Landeshauptstadt Graz vom 6. Juli 2005, mit dem der Berufung vom 25. Oktober 2004 gegen den Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Graz vom 8. Oktober 2004 keine Folge gegeben worden war) könne im Vollstreckungsverfahren nicht neu beurteilt werden. Fragen der möglichen Bewilligungsfähigkeit bzw. Einwendungen, die bereits im Zuge des Beseitigungsauftragsverfahrens hätten geltend gemacht werden können, könnten im gegenständlichen Vollstreckungsverfahren nicht mit Erfolg vorgebracht werden. Ein weiteres Eingehen auf das Vorbringen in der Berufung, vor allem hinsichtlich des Vorliegens eines landwirtschaftlichen Gebäudes, könnten nicht berücksichtigt werden.
10 Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Revision wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes, in eventu Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
11 Das Landesverwaltungsgericht Steiermark legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und nahm von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand.
12 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
13 Gegenständlich liegt ein Übergangsfall iSd § 4 Abs. 1 VwGbk-ÜG vor. Die Revisionswerberin konnte daher bis zum Ablauf des 12. Februar 2014 in sinngemäßer Anwendung des Art. 133 Abs. 1 Z. 1 B-VG Revision beim Verwaltungsgerichtshof erheben. Für die Behandlung der vorliegenden Revision gelten gemäß § 4 Abs. 5 fünfter Satz VwGbk-ÜG die Bestimmungen des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 in der bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Fassung sinngemäß.
14 Im Revisionsfall ist im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (25. November 2013) folgende Rechtslage von Bedeutung:
Verwaltungsvollstreckungsgesetz 1991 (VVG) idF BGBl. I Nr. 50/2012 (auszugsweise):
"Erzwingung anderer Leistungen und Unterlassungen
a) Ersatzvornahme
§ 4. (1) Wenn der zu einer Arbeits- oder Naturalleistung Verpflichtete dieser Pflicht gar nicht oder nicht vollständig oder nicht zur gehörigen Zeit nachgekommen ist, so kann die mangelnde Leistung nach vorheriger Androhung auf Gefahr und Kosten des Verpflichteten bewerkstelligt werden.
(2) Die Vollstreckungsbehörde kann in einem solchen Fall dem Verpflichteten die Vorauszahlung der Kosten gegen nachträgliche Verrechnung auftragen. Der Auftrag zur Vorauszahlung ist vollstreckbar.
...
Verfahren
§ 10. (1) Auf das Vollstreckungsverfahren sind, soweit sich aus diesem Bundesgesetz nicht anderes ergibt, der I. Teil, hinsichtlich der Rechtsmittelbelehrung die §§ 58 Abs. 1 und 61, § 61a und der IV. Teil mit Ausnahme der §§ 67a bis 67h des AVG sinngemäß anzuwenden. Im Verfahren vor dem unabhängigen Verwaltungssenat sind ferner die §§ 51 bis 51i VStG und, soweit sich aus dem VStG nicht anderes ergibt, die für dieses Verfahren geltenden Bestimmungen des AVG anzuwenden.
(2) Die Berufung gegen eine nach diesem Bundesgesetz erlassene Vollstreckungsverfügung kann nur ergriffen werden, wenn
1. die Vollstreckung unzulässig ist oder
...
(3) Die Berufung hat keine aufschiebende Wirkung. Sie geht
...
...
3. in einer Angelegenheit der Landesverwaltung an die Landesregierung,
...
Die demnach zuständige Behörde entscheidet endgültig."
§ 21 Steiermärkisches Baugesetz 1995 (Stmk BauG 1995), idF
LGBl. Nr. 78/2012, lautet auszugsweise:
"§ 21
Baubewilligungsfreie Vorhaben
(1) Zu den baubewilligungsfreien Vorhaben gehört die Errichtung, Änderung oder Erweiterung von:
1. Nebengebäuden (mit Ausnahme von Garagen),
landesüblichen Zäunen, Folientunnel, Hagelnetzanlagen, Flachsilos, Beregnungsanlagen u. dgl., jeweils nur im Rahmen der Land- und Forstwirtschaft, sofern keine Nachbarrechte im Sinne des § 26 Abs. 1 Z 1 und 2 berührt werden;
..."
15 Die Revisionswerberin bringt im Wesentlichen vor, die belangte Behörde habe unrichtigerweise angenommen, sie habe erneut Einwendungen gegen den rechtskräftigen Beseitigungsauftrag vom 8. Oktober 2004 (gemeint: den Bescheid der Berufungskommission der Landeshauptstadt Graz vom 6. Juli 2005, mit dem der Berufung vom 25. Oktober 2004 gegen den Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Graz vom 8. Oktober 2004 keine Folge gegeben worden war) erhoben. In der Berufung habe sie sich auf die durch Etablierung der Landwirtschaft (und der zu diesem Zweck bewirtschafteten Fläche auf dem zur Holzhütte gehörenden Grundstück) geänderten Umstände bezogen. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei eine Vollstreckung im Sinne des § 10 Abs. 2 Z. 1 VVG u.a. dann unzulässig, wenn sich nach der Entstehung des Exekutionstitels die rechtlichen und/oder tatsächlichen Verhältnisse in einem wesentlichen Punkt geändert hätten und damit die objektiven Grenzen der Bescheidwirkungen andere geworden seien, wenn der Bescheid nicht mehr in derselben Form ergehen dürfte (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 26. April. 2012, (gemeint:) 2008/07/0107). Eine nach Erlassen des Titelbescheides eingetretene wesentliche Änderung des Sachverhaltes könne eine Vollstreckung unzulässig machen, wenn bei Vorliegen des neuen Sachverhaltes nicht mehr ein im Spruch gleichlautender Bescheid erlassen werden könnte (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 21. März 2013, 2011/06/0151). Es liege gegenständlich eine solche kausale Änderung des Sachverhaltes vor. Zum Zeitpunkt der Erlassung des Titelbescheides sei die Holzhütte ein Nebengebäude zum ca. 50 m von der Holzhütte entfernten Hauptgebäude gewesen; mangels eines landwirtschaftlichen Betriebes sei auch der Beseitigungsauftrag erlassen worden. Nach Erlassung dieses Bescheides sei im Laufe der Jahre ein landwirtschaftlicher Betrieb verfestigt und kontinuierlich, planvoll erweitert worden (wird näher ausgeführt, im Wesentlichen wie in der Berufung - siehe Rz 8). Die Hütte werde zudem als Unterstand für den Weingarten, die Geräte und das Holz verwendet. Die genannten landwirtschaftlichen Tätigkeiten (Wein- und Obstanbau/-verkauf, Heuverarbeitung, Holzfällung) seien im Zeitpunkt der Erlassung des Titelbescheides noch nicht ausgeübt worden. Demnach sei die Holzhütte aufgrund des wesentlich geänderten Sachverhalts, welcher in Anbetracht des langen Zeitrahmens zwischen der Erlassung des Titelbescheides und der Erlassung der Vollstreckungsverfügung zudem nicht außergewöhnlich erscheine, unter den gegenwärtig vorliegenden Tatsachen ein bewilligungsfreies Bauvorhaben im Sinne des § 21 Stmk BauG 1995; die im Titelbescheid aufgetragene Beseitigung wäre bei Vorliegen der heutigen Umstände nicht erlassen worden. Die Vollstreckungsverfügung sei daher unzulässig. Der Kostenvorauszahlungsauftrag teile das rechtliche Schicksal der Vollstreckungsverfügung. Da die Vollstreckungsverfügung rechtswidrig sei, sei auch der Kostenvorauszahlungsauftrag rechtswidrig (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 21. Mai 2007, 2004/05/0225).
16 Im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens kann die Frage der Rechtmäßigkeit des zu vollsteckenden Bescheides (des Titelbescheides) nicht mehr aufgerollt werden (vgl. die bei Walter/Thienel, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze II2 (1998) E 42 ff zu § 10 VVG dargestellte hg. Rechtsprechung).
17 Gegen eine Vollstreckungsverfügung kann eine Berufung ergriffen werden, wenn die Vollstreckung unzulässig ist. In diesem Fall dürfte auch kein Kostenvorauszahlungsauftrag erteilt werden, weil dieser das rechtliche Schicksal der Vollstreckung teilt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Mai 2007, 2004/05/0225). Eine nach Erlassen des Titelbescheides eingetretene wesentliche Änderung des Sachverhaltes kann eine Vollstreckung unzulässig machen, wenn bei Vorliegen des neuen Sachverhaltes nicht mehr ein im Spruch gleichlautender Bescheid erlassen werden könnte (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 21. März 2013, 2011/06/0151, sowie die bei Walter/Thienel, a.a.O., E 93 ff zu § 10 VVG dargestellte hg. Rechtsprechung).
18 Der Revisionswerberin ist zuzustimmen, dass sie sich mit ihrem Vorbringen in ihrer Berufung vom 25. April 2013 gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Graz vom 18. April 2013 nicht gegen den rechtskräftigen Titelbescheid gewendet, sondern eine wesentliche Änderung des Sachverhalts nach Erlassung dieses Titelbescheides geltend gemacht hat. Die Unzulässigkeit der gegenständlichen Vollstreckung hat sie (zusammengefasst) damit begründet, es sei eine Änderung des Sachverhaltes dahingehend eingetreten, dass die gegenständliche Hütte als Nebengebäude aufgrund der Führung eines landwirtschaftlichen Betriebes nunmehr bewilligungsfrei sei und daher ein gleichlautender Titelbescheid nicht mehr erlassen werden könnte.
19 Die belangte Behörde hat sich (in Verkennung der Rechtslage) mit dem angeführten Berufungsvorbringen der Revisionswerberin nicht auseinander gesetzt, weil sie das Berufungsvorbringen so gewertet hat, als ob es gegen den rechtskräftigen Titelbescheid gerichtet sei. Die belangte Behörde hat es somit unterlassen, sich mit der Frage zu befassen, ob gegenständlich eine nach Erlassen des Titelbescheides eingetretene wesentliche Änderung des Sachverhaltes die Vollstreckung unzulässig mache.
20 Der angefochtene Bescheid war daher schon deswegen wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
21 Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455 (siehe §§ 3 und 4 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014 idF BGBl. II Nr. 8/2014).
Wien, am 28. Februar 2017
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