VwGH Ro 2014/04/0067

VwGHRo 2014/04/00677.3.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler sowie die Hofräte Dr. Mayr und Dr. Pürgy als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Mitter, über die Revision der Bietergemeinschaft bestehend aus , gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 13. März 2014, Zl. VGW‑123/077/10237/2014‑8, VGW‑123/077/10238/2014, betreffend vergaberechtliche Nachprüfung (mitbeteiligte Partei: Stadt Wien, vertreten durch die Schramm Öhler Rechtsanwälte OG in 1010 Wien, Bartensteingasse 2), den Beschluss gefasst:

Normen

BVergG 2006 §320
BVergG 2006 §331 Abs1
EURallg
31989L0665 Rechtsmittel-RL Art1 Abs3
31989L0665 Rechtsmittel-RL Art2a Abs2
62012CJ0100 Fastweb VORAB
62015CJ0355 Technische Gebäudebetreuung und Caverion Österreich VORAB

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2017:RO2014040067.J00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die Revisionswerberin hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen der in Höhe von € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 1. Mit dem angefochtenen Beschluss wurde der Antrag der Revisionswerberin auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung der mitbeteiligten Partei (Auftraggeberin) vom 5. Dezember 2013 betreffend die Vergabe eines Rahmenvertrages für Maler‑ und Anstreicherarbeiten hinsichtlich der Lose 1, 2, 3 und 4 gemäß näher bezeichneter Bestimmungen des WVRG 2014 sowie des BVergG 2006 zurückgewiesen (1.) sowie ausgesprochen, dass die Revisionswerberin die von ihr entrichteten Pauschalgebühren selbst zu tragen habe (2.) und dass gegen diesen Beschluss eine ordentliche Revision zulässig sei (3.).

2 Begründend führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, mit Erkenntnis vom 13. März 2014 habe das Verwaltungsgericht über den Antrag der Revisionswerberin auf Nichtigerklärung der Entscheidung über ihr Ausscheiden aus diesem Vergabeverfahren abgesprochen und diesen Antrag nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgewiesen. Als somit rechtswirksam ausgeschiedene Bieterin habe die Revisionswerberin keine Antragslegitimation zur Bekämpfung der Zuschlagsentscheidung.

3 Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts sei im Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) vom 4. Juli 2013 in der Rechtssache C‑100/12 („Fastweb“) der Aspekt ausschlaggebend gewesen, dass bei der gebotenen Gleichbehandlung der Bieter hinsichtlich gleichartiger Ausscheidensgründe kein zuschlagsfähiges Angebot verblieben wäre und der Auftraggeber seine Ausschreibung daher zwingend hätte widerrufen müssen. Unter Zugrundelegung eines allenfalls unbefriedigt gebliebenen Beschaffungsbedarfes hätte die Revisionswerberin daher mit einer neuerlichen Ausschreibung rechnen können und insoweit zumindest eine mittelbare Chance gehabt, den Auftrag doch noch zu erhalten.

4 Seien jedoch Bieter im Vergabeverfahren verblieben, deren Angebote nicht auszuscheiden gewesen seien, so erweise sich die Frage, ob der präsumtive Zuschlagsempfänger allenfalls auszuscheiden wäre, für den auszuscheidenden Antragsteller als irrelevant, weil er kein schutzwürdiges Interesse an der Beantwortung der Frage haben könne, ob der Zuschlag an den präsumtiven Zuschlagempfänger ergehe oder ein anderes im Vergabeverfahren verbliebenes zuschlagsfähiges Angebot zum Zug komme. Hier wäre es allenfalls Sache der nicht auszuscheidenden Bieter, eine solche Zuschlagsentscheidung zu bekämpfen.

5 Im gegenständlichen Vergabeverfahren seien pro Los mehrere Angebote eingebracht worden. Anhaltspunkte dafür, dass möglicherweise sämtliche Angebote ausgeschieden werden müssten, seien nicht hervorgekommen. Auch habe die Revisionswerberin kein diesbezügliches Vorbringen erstattet. Der Frage, ob die Angebote der jeweiligen präsumtiven Zuschlagsempfängerinnen auszuscheiden seien oder nicht, komme im gegenständlichen Fall für die Frage der Antragslegitimation der Revisionswerberin keine Relevanz zu. Aus diesem Grund sei die Antragslegitimation der Revisionswerberin zu verneinen.

6 2. Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende ordentliche Revision.

Die mitbeteiligte Auftraggeberin erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie die kostenpflichtige Ab‑ bzw. Zurückweisung der Revision beantragt.

7 3. Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B‑VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B‑VG).

Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Bei dieser Beurteilung ist der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 34 Abs. 1a VwGG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.

8 Um den Begründungserfordernissen für den Ausspruch der Zulässigkeit einer Revision durch das Verwaltungsgericht nach § 25a Abs. 1 zweiter Satz VwGG zu genügen, ist es erforderlich darzulegen, welche konkret auf die vorliegende Revisionssache bezogene grundsätzliche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof (erstmals) zu lösen habe (vgl. den hg. Beschluss vom 23. März 2016, Ro 2015/12/0016, mwN).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Revisionswerber auch in der ordentlichen Revision von sich aus die Gründe der Zulässigkeit der Revision darzulegen, sofern er der Ansicht ist, dass die Begründung des Verwaltungsgerichtes für die Zulässigkeit der Revision nicht ausreicht oder er andere Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung für relevant erachtet (vgl. den hg. Beschluss vom 21. Dezember 2016, Ro 2016/04/0049, mwN).

Ob eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt, ist im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zu beurteilen. Wurde die zu lösende Rechtsfrage daher in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ‑ auch nach Entscheidung des Verwaltungsgerichtes oder selbst nach Einbringung der Revision ‑ bereits geklärt, ist eine Revision wegen fehlender Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht (mehr) zulässig (vgl. den hg. Beschluss vom 10. November 2016, Ro 2016/20/0004, mwN).

9 4.1. Das Verwaltungsgericht begründete die Zulässigkeit der ordentlichen Revision damit, dass zur Frage der Antragslegitimation auszuscheidender und allenfalls ausgeschiedener Bieter in Österreich nach dem zitierten Urteil des EuGH Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehle und dies von der Revisionswerberin im Nachprüfungsverfahren thematisiert worden sei.

10 Auch die Revisionswerberin verweist zur Zulässigkeitsbegründung auf das Urteil der EuGH in der Rechtssache „Fastweb“ und bringt vor, dass bei einer Berücksichtigung dieser Entscheidung die Antragslegitimation der Revisionswerberin nicht hätte verneint werden dürfen, weil sehr wohl ein Rechtsschutzbedürfnis auf Grund eines drohenden Schadens vorliege.

11 4.2. Die vom Verwaltungsgericht und von der Revisionswerberin als grundsätzlich erachtete Rechtsfrage hat der EuGH mit Urteil vom 21. Dezember 2016 in der Rechtssache C‑355/15 dahingehend beantwortet, dass einem Bieter, der durch eine rechtkräftig gewordene Entscheidung des öffentlichen Auftraggebers von einem Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags ausgeschlossen wurde, der Zugang zu einer Nachprüfung der Zuschlagsentscheidung für den betreffenden öffentlichen Auftrag und des Vertragsschlusses verwehrt werden kann, auch wenn nur er und der Zuschlagsempfänger Angebote abgegeben haben und der ausgeschlossene Bieter vorbringt, dass auch das Angebot des Zuschlagsempfängers hätte ausgeschlossen werden müssen (vgl. dazu auch das hg. Erkenntnis vom 1. Februar 2017, Ro 2014/04/0069).

12 Im vorliegenden Fall wurde das Angebot der Revisionswerberin durch die mitbeteiligte Auftraggeberin aus dem Vergabeverfahren ausgeschieden. Der gegen diese Ausscheidensentscheidung gerichtete Nachprüfungsantrag wurde vom Verwaltungsgericht abgewiesen. Die Revisionswerberin hatte somit die Möglichkeit der Anfechtung dieser Entscheidung nach Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie 89/665/EWG und die Ausscheidensentscheidung wurde nach Art. 2a Abs. 2 der Rechtsmittel RL von einer unabhängigen Nachprüfungsstelle als rechtmäßig anerkannt. Der Revisionswerberin kam daher keine Antragslegitimation hinsichtlich der nachfolgenden Zuschlagsentscheidung zu.

13 5. In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

14 Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH‑Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 7. März 2017

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