VwGH Ra 2024/20/0154

VwGHRa 2024/20/015426.6.2024

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag.a Nussbaumer‑Hinterauer, Hofrat Mag. Eder und Hofrätin Mag. Rossmeisel als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Herrmann‑Preschnofsky, in der Rechtssache der Revision des A A, vertreten durch Dr. Gregor Klammer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Goldschmiedgasse 6/6‑8, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. Jänner 2024, L527 2276313‑1/13E, betreffend Anerkennung als Flüchtling nach dem AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs1
FlKonv Art1 AbschnA Z2
32011L0095 Status-RL Art10
32011L0095 Status-RL Art9

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2024:RA2024200154.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der (im Jahr 2001 geborene) Revisionswerber, ein Staatsangehöriger von Syrien, stellte nach unrechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet am 16. August 2022 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005.

2 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies diesen Antrag mit Bescheid vom 28. Juni 2023 hinsichtlich des Begehrens auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ab. Jedoch erkannte die Behörde dem Revisionswerber den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu und erteilte ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter mit der Gültigkeit für die Dauer eines Jahres.

3 Die gegen die Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten erhobene Beschwerde wurde vom Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer Verhandlung mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet abgewiesen. Unter einem sprach das Verwaltungsgericht aus, dass die Erhebung einer Revision nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei.

4 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision ‑ nach § 28 Abs. 3 VwGG gesondert ‑ vorgebrachten Gründe zu überprüfen.

7 Der Revisionswerber wendet sich zur Begründung der Zulässigkeit der Revision der Sache nach gegen die Beweiswürdigung des Bundesverwaltungsgerichts.

8 Der Verwaltungsgerichtshof ist nach der ständigen Rechtsprechung als Rechtsinstanz tätig und im Allgemeinen nicht zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Einzelfall berufen. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. VwGH 24.4.2024, Ra 2024/20/0111, mwN).

9 Dem Revisionswerber gelingt es nicht darzutun, dass die beweiswürdigenden Erwägungen des Bundesverwaltungsgerichts mit einem vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifenden Mangel behaftet wären. Soweit sich der Revisionswerber dagegen wendet, dass ein Teil seines Vorbringens dem nach § 20 BFA‑Verfahrensgesetz (BFA‑VG) festgelegten Neuerungsverbot unterworfen worden sei, ist dem entgegenzuhalten, dass dies nicht zutrifft. Wenngleich das Bundesverwaltungsgericht Anhaltspunkte dafür gesehen hat, dass die Voraussetzungen des § 20 BFA‑VG erfüllt sein könnten, hat es sich dennoch (auch) mit dem erstmals in der Beschwerde erstatteten Vorbringen des Revisionswerbers umfänglich auseinandergesetzt.

10 Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung (zuletzt mehrfach und wiederkehrend) betont, dass die Furcht vor der Ableistung des Militärdienstes sowie der bei seiner Verweigerung drohenden Bestrafung im Allgemeinen keine asylrechtlich relevante Verfolgung darstellt, sondern nur bei Vorliegen eines Konventionsgrundes die Gewährung von Asyl rechtfertigen könnte. Wie der Verwaltungsgerichtshof zur möglichen Asylrelevanz von Wehrdienstverweigerung näher ausgeführt hat, kann auch der Gefahr einer allen Wehrdienstverweigerern und Deserteuren im Herkunftsstaat gleichermaßen drohenden Bestrafung asylrechtliche Bedeutung zukommen, wenn das Verhalten des Betroffenen auf politischen oder religiösen Überzeugungen beruht oder dem Betroffenen wegen dieses Verhaltens vom Staat eine oppositionelle Gesinnung unterstellt wird und den Sanktionen ‑ wie etwa der Anwendung von Folter ‑ jede Verhältnismäßigkeit fehlt. Unter dem Gesichtspunkt des Zwanges zu völkerrechtswidrigen Militäraktionen kann auch eine „bloße“ Gefängnisstrafe asylrelevante Verfolgung sein (vgl. VwGH 28.2.2024, Ra 2023/20/0619, mwN; diesem Erkenntnis folgend etwa VwGH 24.4.2024, Ra 2024/20/0111; 24.4.2024, Ra 2024/20/0141; 10.4.2024, Ra 2024/19/0134; 24.4.2024, Ra 2024/20/0132; 10.4.2024, Ra 2024/20/0204; 26.3.2024, Ra 2024/20/0003; 14.3.2024, Ra 2024/14/0118; 12.3.2024, Ra 2024/20/0130; 28.2.2024, Ra 2023/20/0559; 28.2.2024, Ra 2023/20/0319).

11 In Bezug auf die ‑ auch im vorliegenden Fall maßgebliche ‑ Situation in Syrien hat der Verwaltungsgerichtshof weiters festgehalten, dass sich aus den Länderberichten ein differenziertes Bild der Haltung des syrischen Regimes gegenüber Wehrdienstverweigerern ergibt und aus dieser Berichtslage nicht mit der maßgeblichen Wahrscheinlichkeit abgeleitet werden könne, dass jedem den Militärdienst verweigernden Syrer eine oppositionelle Haltung unterstellt werde. Der Verwaltungsgerichtshof hat ferner bereits ausgeführt, nach der Berichtslage lasse sich gerade kein Automatismus dahin als gegeben annehmen, dass jedem im Ausland lebenden Syrer, der seinen Wehrdienst nicht abgeleistet hat, im Herkunftsstaat eine oppositionelle Gesinnung unterstellt und deswegen eine unverhältnismäßige Bestrafung drohen würde. Nichts anderes habe für die Frage zu gelten, ob ein den Militärdienst ableistender syrischer Staatsangehöriger sich dazu gezwungen sähe, zu Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen beizutragen (vgl. auch dazu VwGH Ra 2023/20/0619, mwN).

12 Es ist ‑ was der Revisionswerber verkennt ‑ für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten für sich genommen auch nicht ausreichend, wenn ein asylwerbender Fremder Gründe, warum er den Militärdienst nicht ableisten möchte, ins Treffen führt, die Ausdruck einer politischen oder religiösen Gesinnung sein können. Es müssen nämlich, damit der Status des Asylberechtigten zuerkannt werden kann, die Verfolgungshandlungen aus asylrechtlich relevanten Gesichtspunkten drohen. Es kommt somit für die Gewährung von Asyl darauf an, dass ein kausaler Zusammenhang zwischen der Verfolgungshandlung (oder dem Fehlen von Schutz vor Verfolgung) und einem Verfolgungsgrund im Sinn der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) besteht (vgl. nochmals VwGH Ra 2023/20/0619, mwN).

13 Der Verwaltungsgerichtshof hat im Zusammenhang mit syrischen Staatsangehörigen, die ihren Militärdienst nicht abgeleistet haben, zudem bereits darauf hingewiesen, dass dem Schutz vor (mit realem Risiko drohenden) willkürlichen Zwangsakten bei Fehlen eines kausalen Konnexes zu einem in der GFK genannten Grund die ‑ dem Mitbeteiligten ohnedies zuteil gewordene ‑ Gewährung subsidiären Schutzes dient (vgl. wiederum VwGH Ra 2023/20/0619, mwN).

14 Dass in Anbetracht dieser Rechtslage die angefochtene Entscheidung, in der auf die Umstände des Einzelfalls hinreichend Bedacht genommen wurde, aus revisionsrechtlicher Sicht zu beanstanden wäre, wird vom Revisionswerber nicht aufgezeigt.

15 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 26. Juni 2024

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