VwGH Ra 2023/11/0028

VwGHRa 2023/11/00285.7.2023

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schick sowie die Hofrätinnen Dr. Pollak und MMag. Ginthör als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Vitecek, über die Revision des R A in K (Deutschland), vertreten durch die Dr. Obermayer Rechtsanwalt GmbH in 1030 Wien, Disslergasse 1/Top 2, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Vorarlberg vom 13. Juli 2022, Zl. LVwG‑1‑464/2021‑R10, betreffend Übertretung des LSD-BG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Feldkirch), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art133 Abs4
LSD-BG 2016 §29 Abs1
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2023:RA2023110028.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom 15. April 2021 wurde dem Revisionswerber zur Last gelegt, er habe es als gemäß § 9 VStG zur Vertretung nach außen Verantwortlicher der R GmbH mit Sitz in Deutschland zu verantworten, dass diese als Arbeitgeberin fünf näher genannte, von ihr nach Österreich entsandte Arbeitnehmer im Zeitpunkt der von der Finanzpolizei durchgeführten Kontrolle am 22. März 2019 an einem näher bezeichneten Arbeits(Einsatz)Ort eingesetzt bzw. beschäftigt habe und diesen Arbeitnehmern für einen jeweils näher bezeichneten Beschäftigungszeitraum nicht das gebührende Entgelt unter Beachtung der jeweiligen Einstufungskriterien geleistet habe. Dadurch habe der Revisionswerber gegen § 29 Abs. 1 Lohn‑ und Sozialdumping‑Bekämpfungsgesetz ‑ LSD‑BG, BGBl. I Nr. 44/2016, iVm. dem Kollektivvertrag für Baugewerbe und Bauindustrie verstoßen, weswegen über ihn pro Arbeitnehmer jeweils eine Geldstrafe und eine Ersatzfreiheitsstrafe verhängt und er zur Zahlung eines Beitrags zu den Kosten des Strafverfahrens verpflichtet wurde.

2 Die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers wies das Verwaltungsgericht ‑ nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung ‑ mit der hier relevanten Maßgabe als unbegründet ab, dass über den Revisionswerber eine einzige Geldstrafe von € 19.000,‑‑ (Ersatzfreiheitsstrafe 3 Tage und 12 Stunden) verhängt werde und dieser die Kosten des Beschwerdeverfahrens gemäß § 52 Abs. 1 und 2 VwGVG zu tragen habe. Gleichzeitig wurde gemäß § 25a VwGG ausgesprochen, dass eine ordentliche Revision unzulässig sei.

3 Begründend führte das Verwaltungsgericht aus, bei der Kontrolle durch die Finanzpolizei am 22. März 2019 in der Halle „Eisenbiegerei“ der N GmbH in R (Vorarlberg) seien die fünf genannten Arbeitnehmer beim Eisenbinden angetroffen worden. Die Finanzpolizei habe eine sehr ausführliche Fotodokumentation erstellt, die die Arbeiter bei ihrer Tätigkeit zeige. Dabei hätten diese selbständig das Eisen bearbeitet. Demgegenüber gehe aus der ZKO-Meldung hervor, dass die fünf Arbeitnehmer „Hilfstätigkeiten bei Eisenflechtarbeiten“ auszuführen hätten. Nach der Lohntafel des Kollektivvertrags für Bau- und Bauhilfsgewerbe wären die Arbeitnehmer richtigerweise in die Lohngruppe III als angelernte Arbeitnehmer unter die lit. c einzustufen gewesen und nicht als Hilfsarbeiter unter die Beschäftigungsgruppe IV. Die Unterentlohnung liege jeweils zwischen 16,6% und 21,2%. Zur Strafhöhe führte das Verwaltungsgericht aus, die festgestellte Unterentlohnung sei nicht gering gewesen und es seien fünf Arbeitnehmer betroffen gewesen. Zudem sei der Revisionswerber, insbesondere in Bezug auf die Unterentlohnung, nicht unbescholten. Er sei bereits am 25. April 2019 vom Verwaltungsgericht rechtskräftig bestraft worden. Unter Würdigung der persönlichen Umstände des Revisionswerbers sei die festgesetzte Strafe in Höhe von € 19.000,‑‑ schuld‑, tat‑, vermögens- und einkommensangemessen.

4 Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 1 B‑VG vor dem Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte die Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom 28. November 2022, E 2348/2022‑5, ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. Der Revisionswerber erhob daraufhin die vorliegende außerordentliche Revision.

5 Durch die Novelle BGBl. I Nr. 174/2021 wurden die Strafbestimmungen des § 29 Abs. 1 und der §§ 26 bis 28 LSD-BG neu gefasst. § 29 Abs. 1 LSD‑BG in der Fassung dieser Novelle lautet:

Unterentlohnung

§ 29. (1) Wer als Arbeitgeber einen oder mehrere Arbeitnehmer beschäftigt oder beschäftigt hat, ohne ihm oder ihnen zumindest das nach Gesetz, Verordnung oder Kollektivvertrag gebührende Entgelt unter Beachtung der jeweiligen Einstufungskriterien, ausgenommen die in § 49 Abs. 3 ASVG angeführten Entgeltbestandteile, zu leisten, begeht unabhängig von der Anzahl der von der Verwaltungsübertretung betroffenen Arbeitnehmer eine einzige Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe bis zu 50 000 Euro zu bestrafen. Ist im Erstfall bei Arbeitgebern mit bis zu neun Arbeitnehmern die Summe des vorenthaltenen Entgelts geringer als 20 000 Euro beträgt die Geldstrafe bis zu 20 000 Euro. Ist die Summe des vorenthaltenen Entgelts höher als 50 000 Euro, beträgt die Geldstrafe bis zu 100 000 Euro. Ist die Summe des vorenthaltenen Entgelts höher als 100 000 Euro beträgt die Geldstrafe bis zu 250 000 Euro. Ist die Summe des vorenthaltenen Entgelts höher als 100 000 Euro und wurde das Entgelt in Lohnzahlungszeiträumen der Unterentlohnung vorsätzlich um durchschnittlich mehr als 40 vH des Entgelts vorenthalten, beträgt die Geldstrafe bis zu 400 000 Euro. Wirkt der Arbeitgeber bei der Aufklärung zur Wahrheitsfindung unverzüglich und vollständig mit, ist anstelle des Strafrahmens bis 100 000 Euro oder bis 250 000 Euro der jeweils niedrigere Strafrahmen anzuwenden. Bei Unterentlohnungen, die durchgehend mehrere Lohnzahlungszeiträume umfassen, liegt eine einzige Verwaltungsübertretung vor. Entgeltzahlungen, die das nach Gesetz, Verordnung oder Kollektivvertrag gebührende Entgelt übersteigen, sind auf allfällige Unterentlohnungen im jeweiligen Lohnzahlungszeitraum anzurechnen. Hinsichtlich von Sonderzahlungen für Arbeitnehmer im Sinne des § 14 Abs. 1 Z 1 und 2 liegt eine Verwaltungsübertretung nach dem ersten Satz nur dann vor, wenn der Arbeitgeber die Sonderzahlungen nicht oder nicht vollständig bis spätestens 31. Dezember des jeweiligen Kalenderjahres leistet. Ebenso ist zu bestrafen, wer als Auftraggeber im Sinne des § 14 Abs. 1 Z 3 einen Heimarbeiter beschäftigt oder beschäftigt hat, ohne ihm zumindest das nach Gesetz oder Verordnung gebührende Entgelt unter Beachtung der jeweiligen Einstufungskriterien, ausgenommen die in § 49 Abs. 3 ASVG angeführten Entgeltbestandteile, zu leisten.“

6 Gemäß § 72 Abs. 10 letzter Satz der Novelle BGBl. I Nr. 174/2021 sind die §§ 26 bis 29 in der Fassung dieser Novelle auf alle zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Bestimmungen anhängigen Verfahren einschließlich von Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof und Verfassungsgerichtshof anzuwenden.

7 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof ausschließlich im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen (VwGH 27.4.2020, Ra 2019/11/0045, mwN).

10 Die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision durch den Verwaltungsgerichtshof erfolgt ausschließlich anhand des Vorbringens in der Zulässigkeitsbegründung. Der Verwaltungsgerichtshof ist weder verpflichtet, Gründe für die Zulässigkeit einer Revision anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit einer Revision hätten führen können, aufzugreifen (vgl. aus vielen den Beschluss VwGH 22.3.2018, Ra 2018/11/0034, mwN).

11 Im Fall der Geltendmachung eines Verfahrensmangels setzt die Zulässigkeit der Revision neben einem eine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG aufwerfenden Verfahrensmangel voraus, dass die Revision von der Lösung dieser geltend gemachten Rechtsfrage abhängt. Davon kann im Zusammenhang mit einem Verfahrensmangel aber nur dann ausgegangen werden, wenn auch die Relevanz des Mangels für den Verfahrensausgang dargetan wird, das heißt, dass dieser abstrakt geeignet sein muss, im Falle eines mängelfreien Verfahrens zu einer anderen ‑ für den Revisionswerber günstigeren ‑ Sachverhaltsgrundlage zu führen. Der Revisionswerber hat daher die Entscheidungswesentlichkeit des Mangels in konkreter Weise, also fallbezogen, darzulegen (vgl. VwGH 7.9.2022, Ra 2022/11/0120, mwN).

12 In der Revision wird zu deren Zulässigkeit vorgebracht, das Erkenntnis leide an „gravierenden Begründungs- und Feststellungsmängeln“. Zu keiner dieser Rügen legt der Revisionswerber fallbezogen dar, worin ein Begründungs- und Feststellungsmangel liegen würde, sondern er führt lediglich allgemeine Rechtssätze an.

13 Soweit der Revisionswerber in seiner Zulässigkeitsbegründung lediglich ausführt, das Verwaltungsgericht lege nicht schlüssig dar, inwieweit vom Kontrollzeitpunkt am 22. März 2019 auf die „Verhältnisse des Tatzeitraumes (1. Jänner 2018 bis 31. Jänner 2019) rückgeschlossen“ werden könne, wendet er sich gegen die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung läge nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hätte (vgl. etwa VwGH 11.11.2021, Ra 2019/11/0175, 0176, mwN), was vom Revisionswerber in der Zulässigkeitsbegründung nicht substantiiert dargelegt wird. Das Verwaltungsgericht führte eine mündliche Verhandlung durch und stützte sich in Bezug auf die Tätigkeiten der Arbeitnehmer wesentlich auf die im Akt befindlichen Fotodokumentationen, Lohnunterlagen, ZKO‑Meldungen und Niederschriften (insbesondere der Auskunftsperson gemäß § 12 LSD‑BG) sowie auf die Aussage von zwei Zeuginnen, die am Tag der Kontrolle anwesend waren. Die in der Zulässigkeitsbegründung weiters aufgeworfene Frage, ob das Verwaltungsgericht im vorliegenden Fall zu Recht das Vorliegen von grober Fahrlässigkeit bejaht hat, ist keine Rechtsfrage, der über den konkreten Einzelfall hinausgehende, grundsätzliche Bedeutung iSd Art. 133 Abs. 4 B‑VG zukommt. Der Frage, ob die besonderen Umstände des Einzelfalles auch eine andere Entscheidung gerechtfertigt hätten, kommt nämlich in der Regel keine grundsätzliche Bedeutung zu (vgl. etwa VwGH 21.2.2023, Ra 2023/02/0021, mwN).

14 Lediglich der Vollständigkeit halber wird darauf hingewiesen, dass, soweit sich der Revisionswerber in den Revisionsgründen gegen die Höhe der Strafe wendet, sich dazu im Zulässigkeitsvorbringen keine Ausführungen finden. Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht den Spruch des Straferkenntnisses unter Berücksichtigung der LSD‑BG‑Novelle BGBI. I Nr. 174/2021 richtiggestellt und nunmehr eine Gesamtstrafe verhängt. In diesem Zusammenhang übersieht der Revisionswerber auch, dass es sich bei der Unterentlohnung gemäß § 29 LSD-BG nicht um ein sog. „Formaldelikt“ wie in dem dem Urteil des EuGH vom 12. September 2019, Maksimovic ua. (vgl. hierzu auch VwGH 25.11.2021, Ra 2020/11/0164 bis 0166, Rn 11), zugrundeliegenden Fall handelt.

15 Zur Frage des gemäß § 29 Abs. 1 LSD-BG in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 174/2021 anwendbaren Strafrahmens äußerte sich der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 24. August 2022, Ra 2022/11/0046, auf dessen Begründung gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird.

16 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 5. Juli 2023

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