VwGH Ra 2023/10/0333

VwGHRa 2023/10/033321.6.2023

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Grünstäudl sowie die Hofräte Dr. Lukasser und Dr. Hofbauer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Prendinger, über die Revision der L in K, vertreten durch die Holzer Kofler Mikosch Kasper Rechtsanwälte OG in 9020 Klagenfurt, Bahnhofstraße 51/DG, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom 24. März 2023, Zl. LVwG 47.35‑475/2023‑7, betreffend Zurückweisung eines Antrages auf Rückersatz von Kosten der Krankenbehandlung aus Sozialhilfemitteln (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Murau), den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §56
B-VG Art133 Abs4
SHG Stmk 1998 §13 Abs1
SHG Stmk 1998 §31 Abs1
SHG Stmk 1998 §35 Abs2
SHG Stmk 1998 §4 Abs1
VwGG §25a Abs1
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1
VwGG §34 Abs1a
VwGVG 2014 §17

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2023:RA2023100333.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 1. Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 24. März 2023 wies das Landesverwaltungsgericht Steiermark eine Beschwerde der Revisionswerberin gegen einen Bescheid der belangten Behörde vom 21. Dezember 2022 ab, mit dem ein Antrag der Revisionswerberin „auf Geltendmachung des Kostenersatzes aus Mitteln der Mindestsicherung/Sozialhilfe“ für einen Aufenthalt des R.C. im „Klinikum Klagenfurt am Wörthersee“ vom 6. bis 12. Mai 2022 wegen örtlicher Unzuständigkeit der belangten Behörde zurückgewiesen worden war; die Revision gegen diese Entscheidung ließ das Verwaltungsgericht gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zu.

2 Das Verwaltungsgericht legte seinem Erkenntnis zugrunde, R.C., welcher seit 27. November 2020 im Bezirk der belangten Behörde gemeldet sei, sei im (antragsgegenständlichen) Zeitraum vom 6. bis 12. Mai 2022 im „Klinikum Klagenfurt am Wörthersee“ stationär behandelt worden. Auf diesen Aufenthalt beziehe sich der verfahrenseinleitende Antrag der Revisionswerberin „als Rechtsträger dieser Landeskrankenanstalt die durch die Anstaltsbehandlung dieses Patienten/dieser Patientin entstandenen Kosten [...] zu ersetzen“.

3 In rechtlicher Hinsicht führte das Verwaltungsgericht im Kern aus, die belangte Behörde habe zutreffend gemäß § 35 Abs. 2 Steiermärkisches Sozialhilfegesetz (Stmk. SHG) ihre örtliche Zuständigkeit verneint, richte sich diese doch nach der „eindeutigen Anordnung“ des ersten Satzes dieser Bestimmung nach dem „Aufenthalt des Hilfeempfängers“; dieser sei als „tatsächliche körperliche Anwesenheit des Betreffenden“ zu verstehen und sei bei R.C. während des maßgeblichen Zeitraumes der Krankenbehandlung im Rahmen eines stationären Spitalaufenthaltes unbestrittenermaßen in Kärnten und (damit nicht im Sprengel der belangten Behörde) gewesen.

4 Die Bestimmung des § 35 Abs. 2 zweiter Satz Stmk. SHG sei ‑ anders, als die Revisionswerberin vermeine ‑ nicht einschlägig, weil es sich vorliegend nicht um ein „Verfahren betreffend die Unterbringung in stationären Einrichtungen“ handle:

5 Damit seien nach § 13 Stmk. SHG Verfahren zur Unterbringung pflegebedürftiger Personen in stationären Einrichtungen gemeint. Im gegenständlichen Fall handle es sich jedoch nicht um eine solche Unterbringung, sondern um Krankenhilfe im Sinn einer Untersuchung, Behandlung und Pflege in Krankenanstalten gemäß § 10 Abs. 1 lit. c Stmk. SHG.

6 Im Übrigen habe der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 9. September 2009, 2008/10/0009, bereits ausgesprochen, dass ein Anspruch der Stadt Wien auf Rückersatz von Kosten für einen in Wien stattgefundenen Krankenhausaufenthalt gemäß § 31 Abs. 3 Stmk. SHG zu verneinen sei, weil auch die Patientin selbst für eine Krankenbehandlung in Wien keinen entsprechenden Anspruch gehabt hätte; nach § 4 Abs. 1 Stmk. SHG habe nämlich einen Rechtsanspruch auf Leistungen der Krankenhilfe nur, wer sich „in der Steiermark aufhält“.

7 2. Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

10 3. Für den vorliegenden Revisionsfall sind folgende Bestimmungen des Steiermärkischen Sozialhilfegesetzes (Stmk. SHG; LGBl. Nr. 29/1998 idF LGBl. Nr. 1/2022) von Interesse:

§ 10

Krankenhilfe

(1) Die Krankenhilfe umfaßt:

a) Heilbehandlung einschließlich Zahnbehandlung;

b) Versorgung mit Heilmitteln, Heilbehelfen, Körperersatzstücken und Zahnersatz;

c) Untersuchung, Behandlung und Pflege in Krankenanstalten;

d) Krankentransport.

[...]

§ 13

Unterbringung in stationären Einrichtungen

(1) Pflegebedürftige Personen, die ihren Lebensbedarf auf Grund ihrer Pflege- und Betreuungsbedürftigkeit sonst nicht in zumutbarer Weise ausreichend decken können, haben Anspruch auf Übernahme der Kosten oder Restkosten der Unterbringung in einer stationären Einrichtung. Bei Personen, die zumindest Pflegegeld der Stufe 4 beziehen, ist das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen anzunehmen. Bei Personen, die nach den pflegegeldrechtlichen Bestimmungen ein Pflegegeld der Stufe 1 bis 3 oder von einem anderen Staat beziehen oder bei denen das Verfahren der Pflegegeldeinstufung noch nicht abgeschlossen ist, ist die tatsächliche Notwendigkeit der Unterbringung sowie der Pflege- und Betreuungserfordernisse durch ein amtsärztliches und/oder pflegerisches und/oder sozialarbeiterisches Gutachten zu bestätigen.

[...]

§ 31

Rückersatzansprüche Dritter für Hilfeleistungen

(1) Der Sozialhilfeträger hat demjenigen, der einem Hilfsbedürftigen Hilfe geleistet hat, Rückersatz zu leisten, wenn:

a) eine Gefährdung des Lebensbedarfes (§ 7) gegeben war;

b) die Hilfe des Sozialhilfeträgers nicht rechtzeitig gewährt werden konnte;

c) der Dritte nicht selbst die Kosten der Hilfe zu tragen hatte.

(2) Der Rückersatz muß spätestens sechs Monate nach Beginn der Hilfeleistung bei sonstigem Anspruchsverlust beim örtlich zuständigen Sozialhilfeträger beantragt werden. [...]

 

§ 35

Behörde, Entscheidungsfrist

(1) Behörde ist die Bezirksverwaltungsbehörde.

(2) Die örtliche Zuständigkeit richtet sich nach dem Aufenthalt des Hilfeempfängers. In Verfahren betreffend die Unterbringung in stationären Einrichtungen richtet sich die örtliche Zuständigkeit für das Restkostenübernahmeverfahren und das Kostenrückersatzverfahren nach dem letzten gewöhnlichen Aufenthalt des Hilfeempfängers vor Unterbringung in einer stationären Einrichtung, sofern dieser in der Steiermark liegt.

[...]“

11 4.1. Die Revisionswerberin kritisiert in den Zulässigkeitsausführungen ihrer Revision die Begründung des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 zweiter Satz VwGG als unkonkret und „floskelhaft“.

12 Dazu genügt ein Hinweis auf die hg. Rechtsprechung, wonach eine fehlerhafte ‑ teilweise nicht fallbezogene ‑ Begründung des Zulassungsausspruchs durch das Verwaltungsgericht keine Rechtsfrage von der Qualität des Art. 133 Abs. 4 B‑VG aufwirft, von deren Lösung die Entscheidung über die Revision abhängt (vgl. etwa VwGH 13.9.2017, Ra 2017/12/0065, mwN).

13 4.2. Soweit die Revisionswerberin zur Zulässigkeit ihrer Revision geltend macht, das Verwaltungsgericht habe ein Beschwerdevorbringen nicht behandelt, wonach die Ursache der Krankenbehandlung des R.C. und ob diese Behandlung nicht eine (keinen Aufschub duldende) Akutbehandlung gewesen sei, nicht ermittelt worden sei, zielt sie (erkennbar) auf die (materielle) Anspruchsvoraussetzung des § 31 Abs. 1 lit. b Stmk. SHG ab; dieses Vorbringen geht angesichts dessen, dass das Verwaltungsgericht die Zurückweisung des Antrages der Revisionswerberin wegen örtlicher Unzuständigkeit der belangten Behörde bestätigt hat, ins Leere.

14 4.3. Im Weiteren versucht die Revisionswerberin zu argumentieren, bei der Auslegung des Aufenthaltes des Hilfeempfängers (vgl. § 4 Abs. 1 sowie § 35 Abs. 2 erster Satz Stmk. SHG) sei auch ein „Willenselement“ der betroffenen Person zu berücksichtigen, „in einem anderen Bundesland seinen Aufenthalt zu wählen“; in diesem Zusammenhang gebe es „keine eindeutige Rechtsprechung“.

Dem ist das (im angefochtenen Erkenntnis [vgl. oben Rz 6] erwähnte) hg. Erkenntnis 2008/10/0009 entgegen zu halten, in dem sich der Verwaltungsgerichtshof bereits mit einem Antrag eines Krankenhausträgers auf Rückersatz von ‑ durch einen Aufenthalt in einer Krankenanstalt außerhalb der Steiermark entstandenen ‑ Kosten der Krankenbehandlung gemäß § 31 Abs. 1 Stmk. SHG befasst und einen derartigen Rückersatzanspruch gerade unter Hinweis auf den Aufenthalt der Patientin „während des maßgeblichen Zeitraumes der Hilfegewährung (stationärer Spitalsaufenthalt) unbestrittenermaßen in Wien“ (so im viertletzten Abs. des Erkenntnisses) verneint hat.

15 Daran könnte ‑ entgegen der Auffassung der Revisionswerberin ‑ auch nichts ändern, „dass das Kärntner Mindestsicherungsgesetz in der Zuständigkeitsfrage keinesfalls einen Ersatz oder eine Behördenzuständigkeit eröffnet“.

16 Soweit die Revisionswerberin in diesem Zusammenhang ausführt, die hier von ihr konstatierte „Regelungslücke“ sei „unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten“ nicht sachlich gerechtfertigt, ist dem mit der hg. Rechtsprechung zu erwidern, dass Normbedenken keine grundsätzliche, vom Verwaltungsgerichtshof zu lösende Rechtsfrage iSd Art. 133 Abs. 4 B‑VG darstellen (vgl. etwa VwGH 3.3.2023, Ra 2021/10/0103, mwN).

17 4.4. Soweit die Revisionswerberin schließlich zur Stützung des von ihr gewünschten Ergebnisses § 35 Abs. 2 zweiter Satz Stmk. SHG ins Treffen führt, hat schon das Verwaltungsgericht (vgl. oben Rz 4 und 5) darauf hingewiesen, dass sich diese Bestimmung unmissverständlich auf Fälle der ‑ hier nicht gegenständlichen ‑ Unterbringung von pflegebedürftigen Personen in stationären Einrichtungen bezieht.

18 5. In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

19 Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 21. Juni 2023

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