Normen
AVG §37
AVG §56
B-VG Art133 Abs4
COVID-19-Universitäts- und HochschulV 2020
COVID-19-Universitäts- und HochschulV 2020 §10
EURallg
NAG 2005 §24
NAG 2005 §64 Abs1 Z4 idF 2018/I/056
NAG 2005 §64 Abs2
NAG 2005 §64 Abs2 idF 2018/I/056
UniversitätsG 2002 §52 Abs1 idF 2018/I/052
VwGG §34 Abs1
VwGVG 2014 §17
VwGVG 2014 §27
VwRallg
32016L0801 Studenten-RL Art21 Abs2 litf
32016L0801 Studenten-RL Art21 Abs7
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022220088.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Dem Revisionswerber, einem iranischen Staatsangehörigen, wurde erstmals mit Wirksamkeit ab Juni 2018 eine Aufenthaltsbewilligung „Student“ gemäß § 64 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) erteilt. Die Aufenthaltsbewilligung wurde in der Folge zwei Mal, zuletzt bis Juni 2021, verlängert. Am 2. Juni 2021 beantragte der Revisionswerber die erneute Verlängerung seiner Aufenthaltsbewilligung.
2 Mit Bescheid vom 29. September 2021 wies der Landeshauptmann von Wien (belangte Behörde) den Antrag des Revisionswerbers ab, weil er die besonderen Erteilungsvoraussetzungen für die Aufenthaltsbewilligung „Student“ nicht erfülle.
3 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht Wien mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 8. März 2022 ‑ nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung ‑ als unbegründet ab und erklärte die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG für unzulässig.
Das Verwaltungsgericht stellte ‑ nach Darstellung des Verfahrensgangs ‑ fest, der Revisionswerber sei mit Bescheid der Technischen Universität Wien (TU Wien) vom 19. Dezember 2017 zum Bachelorstudium Architektur unter der aufschiebenden Bedingung und Auflage zugelassen worden, dass er näher genannte Ergänzungsprüfungen innerhalb von höchstens vier Semestern positiv absolviere. Seit 23. August 2018 sei er im Vorstudienlehrgang gemeldet. Der Revisionswerber habe mehrere Kursbestätigungen (ua. vom 25. Jänner 2021 und vom 15. Juni 2021) vorgelegt, die Absolvierung von Prüfungen habe er jedoch nicht nachgewiesen. Der Vorstudienlehrgang sei nicht absolviert worden und dies werde vom Revisionswerber nach einem Studienwechsel auch nicht mehr angestrebt. Seit 1. September 2021 sei er ordentlicher Studierender im Studiengang Informatik/Computer Science an der Fachhochschule Technikum Wien (FH Technikum Wien). Dieses Studium habe er bereits im Iran absolviert und in der Folge als Netzwerktechniker gearbeitet. An der FH Technikum Wien habe er am 21. Jänner 2022 fünf ECTS‑Punkte absolviert.
Im Rahmen seiner rechtlichen Erwägungen führte das Verwaltungsgericht aus, der Revisionswerber habe die erforderlichen Ergänzungsprüfungen für das Bachelorstudium an der TU Wien nicht abgelegt und damit einen Studienerfolg nach den maßgeblichen studienrechtlichen Vorschriften nicht nachgewiesen. Darüber hinaus habe er die für die Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung erforderliche Voraussetzung der Zulassung zu einem ordentlichen Studium innerhalb von zwei Jahren nicht erfüllt. Der noch in der Beschwerde vorgebrachte Hinderungsgrund im Sinn des § 64 Abs. 2 NAG, wonach die Eltern des Revisionswerbers erkrankt und deshalb Aufenthalte im Iran notwendig gewesen seien, sei in der mündlichen Verhandlung nicht aufrechterhalten worden. Vielmehr habe er im verwaltungsgerichtlichen Verfahren erstmals den mangels Interesse vollzogenen Studienwechsel als Hinderungsgrund genannt. Weiters verwies das Verwaltungsgericht auf die hg. Rechtsprechung, wonach im laufenden Studienjahr abgelegte Prüfungen außerhalb des maßgeblichen Beurteilungszeitraums lägen und keinen beachtlichen Studienerfolg begründen könnten. Ein Studienerfolg im vorangegangenen Studienjahr liege ebenso wie die Aufnahme eines ordentlichen Studiums innerhalb von zwei Jahren nicht vor. Ein ernsthaftes Betreiben des nunmehrigen Studiums sei im Hinblick darauf, dass der Revisionswerber dieses Studium bereits im Iran absolviert und anschließend in dieser Sparte gearbeitet habe, zweifelhaft. Die nunmehrige Zulassung zu einem ordentlichen Studium stelle zudem keinen Nachweis über die Erbringung bestimmter universitärer Leistungen dar. Auch stelle der Studienwechsel keinen Hinderungsgrund im Sinn des § 64 Abs. 2 NAG dar, weil es sich dabei um kein unabwendbares oder unvorhergesehenes Ereignis handle und es an der Kausalität fehle. Im Ergebnis sei die Abweisung des Verlängerungsantrags angesichts des mangelnden Studienerfolgs nach sechs Semestern (erfolglosem) Vorstudienlehrgang nicht als unverhältnismäßig anzusehen.
4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
5 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
6 Nach § 64 Abs. 2 erster Satz NAG ist, wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen der Durchführung eines ordentlichen oder außerordentlichen Studiums dient, die Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung „Student“ nur zulässig, wenn der Drittstaatsangehörige nach den maßgeblichen studienrechtlichen Vorschriften einen Studienerfolgsnachweis der Universität, Fachhochschule, akkreditierten Privatuniversität oder Pädagogischen Hochschule erbringt und in den Fällen des § 64 Abs. 1 Z 4 NAG (Absolvierung eines außerordentlichen Studiums) darüber hinaus spätestens innerhalb von zwei Jahren die Zulassung zu einem Studium gemäß § 64 Abs. 1 Z 2 NAG (ordentlichen Studium) nachweist. Das Verwaltungsgericht hat seiner Entscheidung zugrunde gelegt, dass der Revisionswerber weder den erforderlichen Studienerfolg im vorangegangenen Studienjahr noch die Zulassung zu einem ordentlichen Studium innerhalb von zwei Jahren nachgewiesen habe.
7 Der Revisionswerber bringt zur Zulässigkeit der Revision vor, dem Revisionswerber könne der fehlende Abschluss des Vorstudienlehrgangs wegen „res iudicata“ nicht zur Last gelegt werden, weil die belangte Behörde bereits rechtskräftig darüber entschieden habe, indem sie den Aufenthaltstitel trotz des Ablaufs von zwei Jahren verlängert und damit den Umstand des fehlenden Abschlusses nicht als Fehlen einer besonderen Erteilungsvoraussetzung qualifiziert habe.
8 Dem ist zunächst entgegenzuhalten, dass die vom Revisionswerber angesprochene Verlängerung seines Aufenthaltstitels im Juni 2020 keinen im Zuge des weiteren Verlängerungsantrags im Jahr 2021 zu beachtenden rechtskräftigen Abspruch über das Vorliegen der besonderen Erteilungsvoraussetzung des § 64 Abs. 2 erster Satz letzter Halbsatz NAG (Zulassung zum ordentlichen Studium innerhalb von zwei Jahren) beinhaltet. Darüber hinaus geht dieses Vorbringen aber auch deshalb ins Leere, weil den vorliegenden Verfahrensakten nicht zu entnehmen ist, dass die belangte Behörde die Aufenthaltsbewilligung „Student“ trotz des Fehlens dieser Erteilungsvoraussetzung verlängert hätte. Vielmehr ging die belangte Behörde (wie einem Aktenvermerk zur Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung im Jahr 2020 zu entnehmen ist) davon aus, dass die Zweijahresfrist des § 64 Abs. 2 erster Satz letzter Halbsatz NAG zum Entscheidungszeitpunkt noch nicht abgelaufen gewesen sei, weil der Revisionswerber seinen Vorstudienlehrgang (erst) im August 2018 begonnen habe.
9 Nach der hg. Rechtsprechung ist die zweijährige Frist des § 64 Abs. 2 erster Satz letzter Halbsatz NAG ab dem Beginn des Semesters zu berechnen, in dem der betreffende Drittstaatsangehörige erstmals als außerordentlicher Studierender zugelassen und auch zum Aufenthalt in Österreich berechtigt war (vgl. VwGH 9.9.2020, Ra 2019/22/0127, Rn. 18). Ausgehend von den hier zugrunde gelegten Feststellungen ist die belangte Behörde somit zutreffend davon ausgegangen, dass die dargelegte Zweijahresfrist im Juni 2020 noch nicht abgelaufen war.
10 Der Revisionswerber bringt weiters vor, das angefochtene Erkenntnis weiche vom hg. Erkenntnis VwGH 18.10.2012, 2011/23/0441, ab. In dieser (einen ähnlich gelagerten Fall betreffenden) Entscheidung habe der Verwaltungsgerichtshof die Voraussetzungen für die Verlängerung des Aufenthaltstitels ungeachtet der Tatsache, dass der Vorstudienlehrgang nicht innerhalb von zwei Jahren abgeschlossen worden sei, als gegeben erachtet. Der Antragsteller habe dort ‑ wie auch vorliegend der Revisionswerber ‑ sein Studium gewechselt und anschließend positive Prüfungen absolviert, welche die Berufungsbehörde nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes hätte berücksichtigen müssen.
11 Dem Vorbringen zur (behaupteten) Vergleichbarkeit der zugrundeliegenden Ausgangskonstellationen ist Folgendes entgegenzuhalten: Zunächst lag dem zitierten Erkenntnis 2011/23/0441 keine Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung, sondern eine Ausweisung auf Grund der Beeinträchtigung öffentlicher Interessen zugrunde. Vor allem aber hat sich durch die Novelle BGBl. I Nr. 56/2018 die Rechtslage insoweit maßgeblich geändert, als die vom Verwaltungsgericht vorliegend (auch) herangezogene Erteilungsvoraussetzung nach § 64 Abs. 2 erster Satz letzter Halbsatz NAG (Zulassung zum ordentlichen Studium innerhalb von zwei Jahren) eingeführt worden ist. Schon vor diesem Hintergrund lassen die Ausführungen im Erkenntnis 2011/23/0441 keine Rückschlüsse auf den vorliegenden Fall zu. Dass das Verwaltungsgericht die dargestellte Erteilungsvoraussetzung des § 64 Abs. 2 erster Satz letzter Halbsatz NAG als nicht erfüllt erachtet hat, ist nicht zu beanstanden (vgl. auch VwGH 23.7.2021, Ra 2021/22/0111, Rn. 9 f).
12 Ausgehend davon kommt es auf das weitere Vorbringen, wonach das Verwaltungsgericht übersehen habe, dass der Revisionswerber im relevanten Studienjahr 2020/2021 (gemeint offenbar: durch die vorgelegten Kursbestätigungen) 46 ECTS‑Punkte vorgewiesen habe, fallbezogen nicht mehr an, weil es jedenfalls an der zusätzlich zu erfüllenden besonderen Erteilungsvoraussetzung der Zulassung zu einem ordentlichen Studium innerhalb von zwei Jahren fehlte.
13 Des Weiteren verweist der Revisionswerber auf die Richtlinie (EU) 2016/801 und moniert, die abweisende Entscheidung über den Verlängerungsantrag sei unverhältnismäßig, weil er einen ausreichenden Studienerfolg im Vorstudienlehrgang erzielt habe und nunmehr zu einem ordentlichen Studium zugelassen sei. Im Zuge der gebotenen Einzelfallprüfung hätte auch berücksichtigt werden müssen, dass der Revisionswerber in seinem Fachhochschulstudium eifrig studiere.
14 Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits mehrfach ausgesprochen, dass im Hinblick auf Art. 21 Abs. 7 der Richtlinie (EU) 2016/801 im Fall einer (beabsichtigten) Abweisung eines Verlängerungsantrages im Einzelfall zu prüfen ist, ob es unverhältnismäßig wäre, ungeachtet der Nichterfüllung der nationalen Vorgaben einen ausreichenden Studienerfolg zu verneinen (vgl. VwGH 22.3.2022, Ra 2021/22/0239, Rn. 9, mwN). Es ist aber Aufgabe des Revisionswerbers, konkret darzulegen, aus welchem Grund die Annahme eines nicht ausreichenden Studienerfolges unverhältnismäßig wäre (vgl. VwGH 3.6.2020, Ra 2020/22/0044, Rn. 10).
15 Das Verwaltungsgericht hat im vorliegenden Fall ‑ wenn auch ohne ausdrückliche Bezugnahme auf die zitierte Richtlinie ‑ eine derartige Einzelfallbeurteilung durchgeführt und ist unter Bedachtnahme darauf, dass der Revisionswerber auch nach sechs Semestern den Vorstudienlehrgang nicht abgeschlossen und dann sein Studium gewechselt habe, zu dem nicht als unvertretbar anzusehenden Ergebnis gelangt, dass die Abweisung des Verlängerungsantrages nicht unverhältnismäßig sei. Dabei durfte das Verwaltungsgericht auch berücksichtigen, dass der Revisionswerber nunmehr ein Studium betreibe, das er bereits im Iran absolviert habe, und dass die von ihm ins Auge gefasste Aufnahme einer Arbeit keine Wiederholung des Studiums in Österreich erfordere.
16 Soweit der Revisionswerber schließlich das Fehlen der besonderen Erteilungsvoraussetzungen mit der Erkrankung seines Vaters bzw. der Unmöglichkeit der Wiedereinreise nach einem Heimataufenthalt aufgrund der Covid‑19‑Pandemie begründet und darin einen Hinderungsgrund im Sinn des § 64 Abs. 2 letzter Satz NAG erblickt, ist ihm Folgendes zu entgegnen:
17 Der Verwaltungsgerichtshof hat zwar bereits festgehalten, dass Maßnahmen, die im Zusammenhang mit der Covid‑19‑Pandemie gesetzt werden, grundsätzlich geeignet sein können, einen Grund im Sinn des § 64 Abs. 2 letzter Satz NAG darzustellen. Es ist jedoch jeweils im Einzelfall zu prüfen, ob die Hinderungsgründe tatsächlich der Einflusssphäre des Drittstaatsangehörigen entzogen, unabwendbar oder unvorhersehbar sind und auch entsprechend nachgewiesen werden (vgl. VwGH 7.12.2021, Ra 2021/22/0151, Rn. 13, mwN). Im vorliegenden Fall legt der Revisionswerber in keiner Weise substantiiert dar, weshalb es ihm nicht möglich gewesen wäre, unter Nutzung von während der pandemiebedingten Maßnahmen verfügbaren Studienangeboten einen entsprechenden Studienerfolg nachzuweisen. Es ist auch nicht zu beanstanden, dass sich das Verwaltungsgericht mit dem Beschwerdevorbringen betreffend einen dahingehenden Hinderungsgrund nicht weiter auseinandergesetzt hat, weil der Revisionswerber dieses ‑ nach den mit der Aktenlage in Einklang stehenden Ausführungen im angefochtenen Erkenntnis ‑ in der mündlichen Verhandlung nicht aufrechterhalten hat.
18 In der Revision wird somit keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.
Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
19 Ausgehend davon erübrigt sich eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes über den Antrag, der Revision aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Wien, am 1. August 2022
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