VwGH Ra 2022/16/0018

VwGHRa 2022/16/001829.2.2024

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma und die Hofrätin Dr. Reinbacher sowie den Hofrat Dr. Bodis als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Kittinger, LL.M., über die Revision des J S in W, vertreten durch die Hochstöger Nowotny Wohlmacher Rechtsanwälte OG in 4020 Linz, Breitwiesergutstraße 10, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 25. Jänner 2022, LVwG‑S‑1831/004‑2019, betreffend Übertretungen des Glücksspielgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Gänserndorf), den Beschluss gefasst:

Normen

GSpG 1989 §52 Abs1 Z1
VwGVG 2014 §44 Abs6

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2024:RA2022160018.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Zur Vorgeschichte des Revisionsfalls wird zunächst in sinngemäßer Anwendung des § 43 Abs. 2 VwGG auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 6. Oktober 2021, Ra 2020/17/0133, verwiesen. Der Verwaltungsgerichtshof hob damit das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 6. Februar 2020, LVwG‑S‑1831/001‑2019, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf, weil das Landesverwaltungsgericht das Erkenntnis ohne Begründung nicht nach Schluss der mündlichen Verhandlung verkündet hatte.

2 Mit dem im fortgesetzten Verfahren ergangenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht der Beschwerde teilweise Folge, indem es anstelle der ‑ von der belangten Behörde verhängten ‑ Gesamtstrafe drei herabgesetzte Einzelstrafen von jeweils 1.000 € (sowie jeweils eine Ersatzfreiheitsstrafe von 12 Stunden) verhängte und die Kosten des verwaltungsbehördlichen Verfahrens mit 100 € je Spruchpunkt festsetzte. Es sprach weiters aus, dass eine Revision nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei.

3 Das Landesverwaltungsgericht führte ‑ soweit für das Revisionsverfahren wesentlich ‑ aus, der Revisionswerber habe als Inhaber und Betreiber eines Cafés verbotene Ausspielungen ‑ mittels dreier näher bezeichneter Glücksspielgeräte ‑ unternehmerisch zugänglich gemacht. Er habe einen Nebenraum des Lokals an eine ausländische Gesellschaft zwecks Aufstellung der Eingriffsgegenstände vermietet und damit die verbotenen Ausspielungen gegen Entgelt geduldet. Weiters habe er an der erneuten Bereitstellung der Geräte für den nächsten Spieler mitgewirkt, indem er täglich nach Betriebsschluss die Glücksspielgeräte heruntergefahren und am nächsten Tag wieder hochgefahren habe. Damit habe der Revisionswerber das Tatbild des unternehmerischen Zugänglichmachens nach § 52 Abs. 1 Z 1 drittes Tatbild GSpG verwirklicht.

4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, zu der im Rahmen des vom Verwaltungsgerichtshof geführten Vorverfahrens keine Revisionsbeantwortung erstattet wurde.

5 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist nach § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.

7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8 Der Revisionswerber begründet die Zulässigkeit seiner Revision zunächst mit dem Abweichen des angefochtenen Erkenntnisses von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes betreffend die Verpflichtung zur Durchführung einer mündlichen Verhandlung im zweiten Rechtsgang sowie betreffend die Einhaltung der zweiwöchigen Vorbereitungszeit gemäß § 44 Abs. 6 VwGVG.

9 Entgegen dem Zulässigkeitsvorbringen hat das Landesverwaltungsgericht im zweiten Rechtsgang die für den 22. Dezember 2021 anberaumte mündliche Verhandlung in Abwesenheit des Revisionswerbers und seines Rechtsvertreters durchgeführt. Wie dem angefochtenen Erkenntnis entnommen werden kann, wurde im Rahmen dieser Verhandlung von einer mündlichen Verkündung mit näherer Begründung ‑ sowie im Hinblick darauf, dass der Revisionswerber in seiner am Tag der Verhandlung erstatteten Eingabe (per E‑Mail) auf eine mündliche Verkündung verzichtet hat ‑ Abstand genommen. Gründe, die für das Verwaltungsgericht eine Vertagung der mündlichen Verhandlung erforderlich gemacht hätten, führt der Revisionswerber nicht an.

10 Soweit der Revisionswerber geltend macht, die Ladung für diese Verhandlung sei ihm erst am 9. Dezember 2021 ‑ über Umwege, weil die Ladung trotz mehrfacher Bekanntgabe der geänderten Adressdaten unrichtig (an die frühere Kanzleiadresse des Rechtsvertreters des Revisionswerbers) adressiert worden sei ‑ zugestellt worden, womit die zweiwöchige Vorbereitungszeit gemäß § 44 Abs. 6 VwGVG unterschritten worden sei, wird auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen, wonach die zweiwöchige Vorbereitungszeit im Fall mehrerer Verhandlungstermine jedenfalls für die erste Verhandlung gilt (vgl. VwGH 9.3.2023, Ra 2021/02/0203, mwN). Für Folgeverhandlungen ‑ etwa im Fall der Vertagung oder bei Verhandlungen im zweiten Rechtsgang (zur Qualifikation einer mündlichen Verhandlung im zweiten Rechtsgang als Fortsetzung der mündlichen Verhandlung im ersten Rechtsgang vgl. VwGH 8.8.2022, Ra 2022/02/0134, sowie 3.3.2022, Ra 2020/02/0241, jeweils mwN) ‑ muss die Vorbereitungszeit allerdings nicht stets abermals eingehalten werden, sondern nur bei Bedarf einer neuerlichen, entsprechenden Vorbereitung (vgl. VwGH 10.3.2023, Ra 2021/02/0157, mwN). Derartige Umstände, die zwingend eine neuerliche Vorbereitung erforderlich gemacht hätten, werden vom Revisionswerber nicht genannt und sind auch nicht ersichtlich. Dass dem Revisionswerber für die erste Verhandlung (vom 14. November 2019) die zweiwöchige Vorbereitungszeit zur Verfügung gestanden ist, ergibt sich aus der Aktenlage und wird von ihm nicht bestritten.

11 Der Revisionswerber bringt weiters vor, er habe lediglich ein Zimmer vermietet und daher die Glücksspielgeräte schon deshalb nicht in seiner Gewahrsame gehabt, womit er das dritte Tatbild des § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG nicht verwirklicht habe. Dem ist entgegenzuhalten, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine Person das unternehmerische Zugänglichmachen einer verbotenen Ausspielung iSd dritten Tatbilds des § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG verwirklicht, wenn sie etwa ein Glücksspielgerät in ihrer Gewahrsame hat und damit Spielern die Teilnahme an verbotenen Ausspielungen ermöglicht. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn ein Wirt die Aufstellung eines solchen Glücksspielgerätes durch einen Dritten duldet, weil er dafür eine Miete erhält oder sich zumindest durch das Vorhandensein dieses Gerätes in seinem Lokal eine Belebung seiner Getränkeumsätze erhofft (vgl. VwGH 6.7.2023, Ra 2020/17/0023, mwN). Ein unternehmerisches Zugänglichmachen liegt daher nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gerade dann vor, wenn ein Teil der Räumlichkeiten „als Aufstellfläche für Glücksspielgeräte“ vermietet war (vgl. etwa VwGH 9.4.2021, Ra 2020/17/0052, mwN). Dass er ‑ entgegen den Feststellungen des Landesverwaltungsgerichtes, denen zufolge der Revisionswerber etwa die Glücksspielgeräte täglich „auf- und abgedreht“ habe ‑ keine Gewahrsame (im Sinne einer faktischen Verfügungsmacht) über den vermieteten Raum, in dem die Glücksspielgeräte aufgestellt waren, gehabt habe, behauptet der Revisionswerber nicht (vgl. dazu etwa VwGH 21.2.2022, Ra 2020/17/0003; 26.2.2020, Ra 2019/17/0098).

12 Abschließend erblickt der Revisionswerber die Zulässigkeit der Revision im Abweichen des angefochtenen Erkenntnisses von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Bestimmung des § 16 Abs. 2 VStG, wonach unverhältnismäßige Unterschiede zwischen Geld- und Ersatzfreiheitsstrafe nur bei Vorliegen einer entsprechenden Begründung zulässig seien. Das Landesverwaltungsgericht habe Geldstrafen in Höhe von jeweils 1.000 €, somit im Ausmaß von 10 % der Höchststrafe (10.000 €) verhängt. Die verhängten Ersatzfreiheitsstrafen von jeweils 12 Stunden würden jedoch lediglich 3,5 % der Höchststrafe (zwei Wochen) ausmachen. Das Erkenntnis enthalte aber keine Begründung für diesen erheblichen Unterschied.

13 Es ist zutreffend, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes jedenfalls dann, wenn zwischen der Höhe der verhängten Geldstrafe und der verhängten Ersatzfreiheitsstrafe ein erheblicher, nach dem Verhältnis zur Höchststrafe zu bemessender Unterschied besteht, dafür eine Begründung erforderlich ist (vgl. etwa VwGH 15.9.2021, Ra 2019/17/0118, mwN). Vorliegend stehen die verhängten Ersatzfreiheitsstrafen in einem auffallenden Missverhältnis zur Höhe der verhängten Geldstrafen, weil sie im Verhältnis zur möglichen Höchststrafe erheblich geringer sind. Vor dem Hintergrund, dass der Revisionswerber die Bemessung der Geldstrafen, die ohnehin in Höhe der Mindeststrafen festgesetzt wurde, nicht bekämpft ‑ und auch das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Herabsetzung der verhängten Geldstrafen gemäß § 20 VStG nicht behauptet ‑, läuft sein Vorbringen im Ergebnis auf eine Erhöhung der Ersatzfreiheitsstrafen hinaus. Im Hinblick auf den geltend gemachten Revisionspunkt ‑ die Verletzung im subjektiven Recht auf (gänzliche) Nichtbestrafung nach § 52 GSpG ‑ wird mit diesem Zulässigkeitsvorbringen nicht dargetan, weshalb die zu niedrigen Ersatzfreiheitsstrafen den Revisionswerber in seinem Recht verletzt haben könnten (vgl. VwGH 14.12.2023, Ra 2021/17/0225).

14 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

15 Von der beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.

Wien, am 29. Februar 2024

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