Normen
B-VG Art133 Abs4
VStG §51e Abs6
VStG §51h
VwGG §34 Abs1
VwGVG 2014 §38
VwGVG 2014 §44 Abs6
VwRallg
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2023:RA2021020157.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Der Revisionswerber hat dem Land Wien Aufwendungen in der Höhe von € 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit Straferkenntnis des Magistrats der Stadt Wien vom 28. November 2018 wurde dem Revisionswerber zur Last gelegt, er habe als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als gemäß § 9 Abs. 1 VStG zu deren Vertretung nach außen berufenes Organ der J. GmbH zu verantworten, dass diese am 13. Oktober 2017 um 17:25 Uhr in einem näher genannten Gastgewerbelokal die Tätigkeit als Wettunternehmerin, nämlich als Vermittlerin von Wettkundinnen und Wettkunden aus Anlass sportlicher Veranstaltungen, wie z.B. Fußballspielen, insofern ausgeübt habe, als sie Wettkundinnen und Wettkunden im Wege eines betriebsbereiten Wettterminals gegen Entrichtung eines Wetteinsatzes zum Abschluss an eine Buchmacherin gewerbsmäßig weitergeleitet habe, obwohl die J. GmbH im Tatzeitpunkt über keine erforderlichen aufrechten Bewilligungen nach §§ 3 und 4 Abs. 1 Wiener Wettengesetz verfügt habe. Der Revisionswerber habe dadurch § 3 Wiener Wettengesetz in Verbindung mit § 9 Abs. 1 VStG verletzt, weshalb über ihn gemäß § 24 Abs. 1 Z 1 erster Fall Wiener Wettengesetz eine Geldstrafe in Höhe von € 3.300,‑‑ (Ersatzfreiheitsstrafe 6 Tage und 7 Stunden) verhängt wurde. Weiters wurde dem Revisionswerber die Zahlung eines Beitrages zu den Kosten des Strafverfahrens auferlegt.
2 Die gegen das Straferkenntnis erhobene Beschwerde des Revisionswerbers wies das Verwaltungsgericht Wien (Verwaltungsgericht) im ersten Rechtsgang ab. Mit dem hg. Erkenntnis vom 8. Oktober 2020, Ra 2020/02/0178, wurde das damals angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben, weil das Verwaltungsgericht unbegründet unterlassen hat, das Erkenntnis nach Schluss der mündlichen Verhandlung zu verkünden.
3 Mit dem Erkenntnis vom 12. April 2021 wies das Verwaltungsgericht im zweiten Rechtsgang die Beschwerde des Revisionswerbers nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung neuerlich ab, bestätigte den angefochtenen Bescheid, verpflichtete den Revisionswerber zur Zahlung eines Verfahrenskostenbeitrages in Höhe von € 660,‑‑und erklärte die Erhebung einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG für nicht zulässig.
4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
5 Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie die kostenpflichtige Zurück- bzw. Abweisung der Revision beantragt.
6 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist gemäß § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.
8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
9 Die Revision macht zur Begründung ihrer Zulässigkeit eine unzulässige Verkürzung der zweiwöchigen Vorbereitungszeit nach § 44 Abs. 6 VwGVG geltend. Dem Revisionswerber sei die Ladung für die mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 13. November 2020 erst am 4. November 2020 zugestellt worden.
10 Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner insofern auf die geltende Rechtslage übertragbaren Judikatur zu § 51e Abs. 6 VStG, der „Vorgängerbestimmung“ des § 44 Abs. 6 VwGVG, bereits ausgesprochen, dass dann, wenn die vorgesehene Mindestfrist von zwei Wochen zwischen Zustellung der Ladung und der Verhandlung nicht gewahrt wurde, die Behörde den bekämpften Bescheid mit Rechtswidrigkeit belastet, weil nicht gesagt werden kann, dass die Behörde bei Wahrung dieser Mindestfrist nicht zu einem anderen, für den Beschwerdeführer günstigen Ergebnis gelangt wäre, weshalb sich dieser Verfahrensmangel als wesentlich erweist. Die zweiwöchige Vorbereitungszeit gilt im Fall mehrerer Verhandlungstermine jedenfalls für die erste Verhandlung (vgl. VwGH 19.12.2022, Ra 2022/12/0083, unter Verweis auf VwGH 11.5.2018, Ra 2017/02/0169, mwN).
11 Die Vorbereitungsfrist des § 51e Abs 6 VStG muss im Falle einer Vertagung mangels eines Bedürfnisses nach einer neuerlichen Vorbereitung nicht abermals eingehalten werden; es mag jedoch Fälle geben, in denen der Beschuldigte eines Verwaltungsstrafverfahrens auch für die fortgesetzte Verhandlung einer entsprechenden Vorbereitung bedarf, sodass zwischen der Ladung zu dieser fortgesetzten Verhandlung und deren Durchführung ein entsprechender Zeitraum zu liegen hat (vgl. VwGH 8.6.2005, 2004/03/0221, mwN).
12 Derartige Umstände, die zwingend eine neuerliche Vorbereitung erforderlich gemacht hätten, werden aber vom Revisionswerber gar nicht ins Treffen geführt (zur Qualifikation einer mündlichen Verhandlung im zweiten Rechtsgang als Fortsetzung der mündlichen Verhandlung im ersten Rechtsgang siehe VwGH 8.8.2022, Ra 2022/02/0134, mwN). Dass dem Revisionswerber für die erste Verhandlung die zweiwöchige Vorbereitungszeit zur Verfügung gestanden ist, ergibt sich aus der Aktenlage und wird von ihm nicht bestritten.
13 Soweit der Revisionswerber das Unterbleiben einer beantragten Zeugeneinvernahme rügt und in diesem Zusammenhang auch einen Verstoß gegen das Amtswegigkeitsprinzip und den Grundsatz der Erforschung der materiellen Wahrheit erblickt, macht er Verfahrensmängel geltend.
14 Die Zulässigkeit der Revision setzt im Zusammenhang mit einem eine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG aufwerfenden Verfahrensmangel voraus, dass die Revision von der Lösung dieser geltend gemachten Rechtsfrage abhängt. Davon kann bei einem Verfahrensmangel aber nur dann ausgegangen werden, wenn auch die Relevanz des Mangels für den Verfahrensausgang dargetan wird, das heißt, dass im Falle der Durchführung eines mängelfreien Verfahrens abstrakt die Möglichkeit bestehen muss, zu einer anderen ‑ für die revisionswerbende Partei günstigeren ‑ Sachverhaltsgrundlage zu gelangen. Im Fall einer unterbliebenen Vernehmung hat der Revisionswerber konkret darzulegen, was die betreffende Person im Fall ihrer Vernehmung ausgesagt hätte bzw. welche anderen Feststellungen auf Grund dessen zu treffen gewesen wären (vgl. VwGH 13.7.2020, Ra 2020/02/0126, mwN).
15 Ein konkretes Vorbringen dazu, welche entscheidungswesentlichen Angaben der Zeuge zu von ihm gemachten Wahrnehmungen im Fall seiner Vernehmung hätte machen können und inwieweit sich daraus eine für den Revisionswerber günstigere Sachverhaltsgrundlage hätte ergeben können, wird in der Zulässigkeitsbegründung der Revision jedoch nicht erstattet.
16 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
17 Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.
18 Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG, insbesondere § 51 VwGG, iVm der VwGH‑Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 10. März 2023
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)
