VwGH Ra 2022/15/0100

VwGHRa 2022/15/010030.8.2023

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser und die Hofräte Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Löffler, LL.M., über die Revision der O GmbH in G, vertreten durch die hba Held Berdnik Astner & Partner Rechtsanwälte GmbH in 8010 Graz, Karmeliterplatz 4, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 12. Oktober 2022, Zl. RV/2101231/2020, betreffend Umsatzsteuer 2007 und 2008, den Beschluss gefasst:

Normen

KStG 1988 §8 Abs2
UStG 1994 §12 Abs2 Z2 lita
UStG 1994 §2 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2023:RA2022150100.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Zur Vorgeschichte des Revisionsfalls wird auf die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 10. Februar 2016, 2013/15/0284, und vom 7. Dezember 2020, Ra 2020/15/0004, verwiesen. Mit Erkenntnis vom 10. Februar 2016 hat der Verwaltungsgerichtshof den im ersten Rechtsgang ergangenen Bescheid des unabhängigen Finanzsenates vom 12. September 2013, RV/0211‑G/10, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben und mit Erkenntnis vom 7. Dezember 2020 (im Folgenden: Vorerkenntnis) hob der Verwaltungsgerichtshof die im fortgesetzten Verfahren ergangene Entscheidung des Bundesfinanzgerichts (BFG) wiederum wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes auf.

2 Der Verwaltungsgerichtshof sprach im Vorerkenntnis aus, das BFG habe die Rechtslage verkannt, weil es in der angefochtenen Entscheidung davon ausgegangen sei, dass bereits das Abweichen der tatsächlich vereinbarten Miete von der Renditemiete zum Vorliegen einer verdeckten Gewinnausschüttung „an der Wurzel“ und dem daraus folgenden Vorsteuerausschluss nach § 12 Abs. 2 Z 2 lit. a UStG 1994 führt.

3 Der dem Vorerkenntnis zugrunde liegenden Entscheidung waren auch keine konkreten und nachvollziehbaren Feststellungen dahingehend zu entnehmen, dass es sich beim gegenständlichen Wohngebäude um ein besonders repräsentatives Objekt handelt, bei dem eine verdeckte Ausschüttung „an der Wurzel“ in Betracht kommt. Mit den diesbezüglichen Feststellungen des Finanzamtes hatte sich das BFG nicht auseinandergesetzt.

4 Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis, in dem eine Revision für nicht zulässig erklärt wurde, gab das BFG der Beschwerde ‑ im wiederum fortgesetzten Verfahren ‑ keine Folge. Begründend führte es im Wesentlichen aus, die Revisionswerberin habe auch im fortgesetzten Verfahren nicht nachgewiesen, dass es für ihr Mietobjekt einen funktionierenden Mietenmarkt gebe. Bezüglich des Renditemietzinses habe sie im Rahmen der mündlichen Verhandlung behauptet, es seien unerwartete Baukostenüberschreitungen aufgetreten, die nicht in die Renditeberechnung einbezogen werden dürften. Das BFG gehe jedoch davon aus, dass es bei Mietobjekten ‑ für die kein funktionierender Mietenmarkt vorliege ‑ im Wesen eines kalkulatorisch angemessenen Mietzinses liege, dass auch nicht erwartete Kosten in die Berechnung des Mietzinses einfließen würden. Abgesehen davon liege die Mietrendite selbst bei Außerachtlassung der von der Revisionswerberin nicht erwarteten Baukosten von 471.645,15 €, jedoch unter Berücksichtigung eines Baukostenrisikos von 10 % der erwarteten Baukosten von 764.000 € (764.000 € * 1,1 = 840.400 €), das dem Sachverständigengutachten der Revisionswerberin zu entnehmen sei, noch immer unter den regelmäßig zu erwartenden 3 % bis 5 % des Gesamtbetrages der Anschaffungs‑ und Herstellungskosten (36.000 € / [840.400 € + 516.072,21 €] = 0,0265 = 2,65 %).

5 Wären die Anschaffungs‑ und Herstellungskosten des in Rede stehenden Objektes von 1,751.717,36 € in gut rentierliche Eigentumswohnungen investiert worden, hätte die Revisionswerberin ‑ wie in der angefochtenen Entscheidung näher dargestellt ‑ deutlich höhere Mieten erzielen können. Die Anschaffungskosten des Grundstückes und die Errichtungskosten des in Rede stehenden Objektes lägen um ein Mehrfaches über den durchschnittlichen Anschaffungs‑ und Errichtungskosten von Einfamilienhäusern und die ruhige Lage der Liegenschaft erweise sich nur aus dem Privatnutzungsgesichtspunkt als sehr gut bis gut. Aus Ertragsgesichtspunkten sei sie, im Hinblick auf die Entfernung von Stadtzentrum (ca. 7 km) und vom nächsten öffentlichen Verkehrsmittel (ca. 1 km), als mäßig zu beurteilen. Nach dem Gesamtbild der Verhältnisse sei das Objekt der Revisionswerberin jenen Wohngebäuden zuzurechnen, die schon ihrer Erscheinung nach bloß für die private Nutzung durch den Gesellschafter bestimmt seien.

6 Die von der Revisionswerberin für ihren Standpunkt ins Treffen geführten Wertsteigerungen der Liegenschaft seien nicht zu berücksichtigen, weil mit der Renditeerwartung eines „marktüblich agierenden Immobilieninvestors“ jene Rendite gemeint sei, „die üblicherweise aus dem eingesetzten Kapital durch Vermietung erzielt“ werde. Dass es bautechnisch möglich sei, das Gebäude durch spätere Baumaßnahmen umzubauen und dadurch die Wohnfläche zu verkleinern sei ‑ wie der Verwaltungsgerichtshof schon im Vorerkenntnis ausgesprochen haben ‑ unbeachtlich.

7 Die gegen dieses Erkenntnis gerichtete außerordentliche Revision trägt zu ihrer Zulässigkeit vor, die angefochtene Entscheidung stehe im Widerspruch zur Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zu § 12 Abs. 2 Z 2 lit. a UStG 1994. Das BFG habe einen Nutzungsentgeltvergleich, einen Errichtungskostenvergleich und einen Grundstückspreisvergleich vorgenommen und daraus ohne weitere Begründung abgeleitet, dass es sich bei der gegenständlichen Liegenschaft um eine solche handle, „die schon ihrer Erscheinung nach“ von vornherein für die der Gesellschaft nahestehende Person bestimmt gewesen sei. Hinzu komme, dass das BFG die Anschaffungs‑ und Errichtungskosten der Immobilie mit den durchschnittlichen Anschaffungs‑ und Errichtungskosten für ein Einfamilienhaus vergleiche. Bei diesem Vergleich bleibe aber der erhebliche Größenunterschied zwischen dem Objekt der Revisionswerberin und dem „Durchschnitts‑Einfamilienhaus“ in Bezug auf die Grundstücks‑ und Nutzfläche völlig unberücksichtigt, was den vom BFG angestellten Vergleich aussagelos mache. Das BFG sei weder auf das Erscheinungsbild noch auf „außerrechnerische“ Umstände eingegangen, die ein besonderes Erscheinungsbild der Immobilie der Revisionswerberin ausmachen würden.

8 Im Zusammenhang mit der Renditemiete habe das BFG Einflüsse aus zu erwartenden Wertsteigerungen auf Grund und Boden nicht berücksichtigt und ohne nähere Begründung eine Mindest‑Mietrendite von 3 % verlangt. Damit unterstelle es ‑ nicht näher genannter ‑ Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes einen verfassungswidrigen Inhalt.

9 Schließlich wird gerügt, das BFG habe seine Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen, sodass ein grober Verfahrensfehler vorliege. Die Beweiswürdigung des BFG widerspreche den Gesetzen der Logik und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut. Dies betreffe einerseits die Feststellung, wonach es für die Vermietung von Objekten mit vergleichbarer Gediegenheit und Exklusivität keinen Mietenmarkt gebe, und andererseits die aus den Kostenvergleichen gezogene Schlussfolgerung, dass das Mietobjekt der Revisionswerberin als besonders repräsentativ einzustufen sei. Das BFG sei auf Vorbringen der Revisionswerberin vor und während der mündlichen Verhandlung nicht eingegangen und habe somit keine umfassende Beweiswürdigung vorgenommen.

10 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

11 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

12 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

13 Aus der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ergibt sich, dass es im Zusammenhang mit der Nutzungsüberlassung einer Immobilie an eine der Körperschaft nahestehende Person in drei Fällen zu einer Versagung des Vorsteuerabzuges kommen kann. Beim ersten Fall handelt es sich um die bloße Gebrauchsüberlassung, bei der keine unternehmerische Betätigung vorliegt. Der zweite Fall erfasst die (nicht fremdübliche) Nutzungsüberlassung an besonders repräsentativen Wohngebäuden, welche schon ihrer Erscheinung nach bloß für die private Nutzung durch den Gesellschafter bestimmt sind. Der dritte Fall betrifft die Vermietung von im betrieblichen Geschehen einsetzbaren Gebäuden um weniger als 50 % der Renditemiete. In den letzten beiden Fällen ordnet § 12 Abs. 2 Z 2 lit. a UStG 1994 den Vorsteuerausschluss an (vgl. z.B. VwGH 7.12.2020, Ra 2020/15/0004; 8.9.2022, Ra 2020/15/0026, mwN).

14 Das BFG hat die streitgegenständliche Immobilie der Revisionswerberin als Wohngebäude, das schon seiner Erscheinung nach für die private Nutzung durch den Gesellschafter bestimmt ist, eingeordnet. Dafür stellte es ‑ basierend auf den Erhebungen des Finanzamts ‑ mehrere Vergleichsrechnungen und eine Lagebeurteilung an. Die Vergleichsrechnungen ergaben, dass die Anschaffungs‑ und Errichtungskosten um ein Mehrfaches über den durchschnittlichen Anschaffungs‑ und Errichtungskosten von Einfamilienhäusern lägen. Auch die ruhige Lage der Liegenschaft erweise sich nur aus dem Privatnutzungsgesichtspunkt als sehr gut bis gut, wohingegen sie ‑ im Hinblick auf die Entfernung von Stadtzentrum (ca. 7 km) und vom nächsten öffentlichen Verkehrsmittel (ca. 1 km) ‑ aus Ertragsgesichtspunkten als mäßig zu beurteilen sei.

15 Es trifft daher ‑ entgegen dem diesbezüglichen Zulässigkeitsvorbringen ‑ nicht zu, dass das BFG ohne Begründung vom Vorliegen einer Liegenschaft ausgegangen ist, „die schon ihrer Erscheinung nach“ von vornherein für eine der Gesellschaft nahestehende Person bestimmt war. Dies gilt umso mehr, als der Größenunterschied zwischen dem Objekt der Revisionswerberin, das eine Grundstücksgröße im Stadtgebiet von 2.400 m² aufweist, und dem „Durchschnitts‑Einfamilienhaus“ in Bezug auf die Grundstücks‑ und Nutzfläche erheblich ist, worauf auch im Zulässigkeitsvorbringen der Revision hingewiesen wird.

16 Soweit die Revision moniert, das BFG habe ohne Begründung eine Mindest‑Mietrendite von 3 % verlangt, ist auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, dass mit der Renditeerwartung eines marktüblich agierenden Immobilieninvestors jene Rendite gemeint ist, die bei Vermietung von gut rentierlichen Wohnungen (also etwa kleinere Wohnungen in guter bis mäßig guter Lage) erzielbar gewesen wäre (vgl. VwGH 21.6.2023, Ro 2023/15/0008). Bei einer Investition der Anschaffungs‑ und Errichtungskosten des hier in Rede stehenden Objektes in gut rentierliche Wohnungen wäre laut dem vom BFG angestellten Berechnungen eine Mietrendite von 3,3 % bis 3,6 % möglich gewesen, was von der Revision nicht in Abrede gestellt wird.

17 Der Rüge, das BFG habe allfällige Wertsteigerungen auf Grund und Boden nicht in die Renditeberechnung einbezogen, kommt keine Berechtigung zu. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist mit der Renditeerwartung eines marktüblich agierenden Immobilieninvestors jene Rendite gemeint, die üblicherweise aus dem eingesetzten Kapital durch Vermietung erzielt wird (vgl. VwGH 10.2.2016, 2013/15/0284). Ein allfälliger späterer Veräußerungsgewinn ‑ auch wenn er in der Folge tatsächlich eingetreten ist ‑ ist in diese Renditeberechnung nicht miteinzubeziehen (vgl. wiederum VwGH 21.6.2023, Ro 2023/15/0008).

18 Mit dem Vorbringen, das BFG habe seine Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen, macht die Revision Verfahrensfehler geltend.

19 Werden Verfahrensmängel als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, muss auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für die revisionswerbende Partei günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden. Dies setzt voraus, dass ‑ auch in der gesonderten Begründung für die Zulässigkeit der Revision zumindest auf das Wesentlichste zusammengefasst ‑ jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben hätten (vgl. VwGH 15.2.2023, Ra 2023/15/0005).

20 Soweit die Revision die Beurteilung des Bundesfinanzgerichts, dass ein funktionierender Mietenmarkt nicht habe nachgewiesen werden können moniert, genügt der Hinweis, dass es nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in den Fällen einer „Ausschüttung an der Wurzel“ nicht auf das Vorliegen eines funktionierenden Mietenmarkts ankommt (vgl. ein weiteres Mal VwGH 21.6.2023, Ro 2023/15/0008). Wieso die aus den Kostenvergleichen des BFG gezogene Schlussfolgerung, dass das Mietobjekt der Revisionswerberin als besonders repräsentativ einzustufen sei, unvertretbar sein soll, wird im Zulässigkeitsvorbringen der Revision nicht nachvollziehbar dargetan. Dort wird auch nicht dargelegt, auf welches konkrete Vorbringen der Revisionswerberin das BFG nicht eingegangen ist.

21 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 30. August 2023

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