Normen
EURallg
FSVG §2 Abs2 Z1
GSVG 1978 §2 Abs1 Z4
GSVG 1978 §4
GSVG 1978 §5
VwRallg
11992E141 EGV Art141
12010E157 AEUV Art157
32000L0078 Gleichbehandlungs-RL Beschäftigung Beruf
61970CJ0080 Defrenne VORAB
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022080069.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
4 Mit dem angefochtenen, im Beschwerdeweg ergangenen Erkenntnis stellte das Bundesverwaltungsgericht fest, dass die 1952 geborene Revisionswerberin (auf Grund ihrer Tätigkeit als Wohnsitzärztin gemäß § 47 ÄrzteG 1988) im Zeitraum 1. April 2014 bis 31. Dezember 2018 der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung gemäß § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG unterlegen sei (die von der Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen ebenfalls festgestellte Pflichtversicherung in der Unfallversicherung gemäß § 8 Abs. 1 Z 3 lit. a ASVG war ‑ ebenso wie die Feststellung der Pflichtversicherung in der Unfallversicherung im Zeitraum 1. Jänner 2013 bis 31. März 2014 gemäß § 2 Abs. 2 Z 1 FSVG ‑ in der Beschwerde unbekämpft geblieben).
5 In der gegen dieses Erkenntnis ‑ nach Ablehnung einer Verfassungsgerichtshofsbeschwerde mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 18. März 2022 und Abtretung an den Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 5. April 2022 ‑ erhobenen außerordentlichen Revision wird unter dem Gesichtspunkt einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG vorgebracht, dass in der mangelnden Schaffung einer Ausnahmebestimmung (vergleichbar § 5 Z 2 FSVG) von der in § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG angeordneten Pflichtversicherung für Wohnsitzärzte eine durch Analogie zu schließende Regelungslücke liege. Die Revisionswerberin werde angesichts ihres Alters für ihre eingezahlten Pensionsbeiträge niemals eine Alterspension nach dem GSVG erhalten. Die Mitglieder der Österreichischen Apothekerkammer in der Abteilung für selbständige Apotheker und die Mitglieder der Österreichischen Patentanwaltskammer, die auf Grund einer Beschäftigung in einem öffentlich‑rechtlichen oder privatrechtlichen Dienstverhältnis zu einer öffentlich‑rechtlichen Körperschaft oder zu von solchen Körperschaften verwalteten Betrieben, Anstalten, Stiftungen oder Fonds stünden, seien gemäß § 5 Z 2 FSVG von der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nach § 2 FSVG ausgenommen, wenn ihnen aus ihrem Dienstverhältnis die Anwartschaft auf Ruhe- und Versorgungsgenuss zustehe, oder sie auf Grund eines solchen Dienstverhältnisses einen Ruhegenuss bezögen. Wohnsitzärzte seien aber tatsächlich „nicht anders gelagert tätig“.
6 Dieses Vorbringen blendet aus, dass auf Wohnsitzärzte in § 2 Abs. 2 Z 1 FSVG explizit Bedacht genommen wird, indem sie aus der Pflichtversicherung nach dem FSVG ausgenommen werden, was den Anwendungsbereich des Pflichtversicherungstatbestandes nach § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG eröffnet. Ein Ausnahmetatbestand, wie ihn die Revisionswerberin vermisst, hätte daher nicht im FSVG, sondern im GSVG geschaffen werden müssen. In §§ 4 und 5 GSVG sind die Tatbestände für Ausnahmen von der Pflichtversicherung (u.a.) in der Pensionsversicherung aber abschließend geregelt. Eine planwidrige Lücke ist nicht zu erkennen. Im Übrigen hat der Verfassungsgerichtshof im gegenüber der Revisionswerberin ergangenen Ablehnungsbeschluss vom 18. März 2022, E 341/2022, ausdrücklich auf seine ständige Rechtsprechung verwiesen, wonach die Belastung von Pensionisten, die eine pensionsversicherungspflichtige Beschäftigung ausüben, mit Pensionsversicherungsbeiträgen unbedenklich ist, auch wenn es künftig ‑ etwa mangels Erfüllung der zeitlichen Voraussetzungen ‑ zu keinem Pensionsanfall kommen mag.
7 Vor diesem Hintergrund ist es auch nicht darauf angekommen, ob die Revisionswerberin die Wartezeit für einen zusätzlichen Pensionsbezug noch erfüllen könnte. Es trifft daher entgegen dem weiteren Zulässigkeitsvorbringen nicht zu, dass das Bundesverwaltungsgericht zwecks Erörterung dieser Frage eine mündliche Verhandlung durchführen hätte müssen.
8 Soweit die Revisionswerberin schließlich geltend macht, dass das Fehlen einer Ausnahmebestimmung der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf widerspreche, genügt es, ihr zu entgegnen, dass diese Richtlinie auf die Sozialversicherungs‑ und Sozialschutzsysteme, deren Leistungen nicht einem Arbeitsentgelt im Sinn des Art. 141 EGV (nunmehr Art. 157 AEUV) gleichgestellt werden, keine Anwendung findet (siehe Erwägungsgrund 13. der Richtlinie). Leistungen aus gesetzlichen Altersversorgungssystemen und die Beiträge hierzu, die ‑ wie auch im hier gegenständlichen Fall ‑ nicht als Arbeitsentgelt im vorgenannten Sinn zu verstehen sind, zumal die sozialrechtliche gegenüber der arbeitsrechtlichen Komponente überwiegt, fallen daher nicht unter die Richtlinie (vgl. VwGH 9.5.2022, Ra 2018/08/0022, Punkt 6.2., mwN).
9 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 2. Juni 2022
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