VwGH Ra 2022/06/0193

VwGHRa 2022/06/019330.8.2022

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Lehofer und die Hofrätinnen Mag.a Merl und Mag. Liebhart‑Mutzl als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, in der Revisionssache des Dr. S M in P, vertreten durch die Riedmüller & Mungenast Rechtsanwälte OG in 6020 Innsbruck, Maximilianstraße 13, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 30. März 2022, LVwG‑2021/40/3325‑4, betreffend eine Angelegenheit nach der Tiroler Bauordnung 2018 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Gemeinde Ehrwald; weitere Partei: Tiroler Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Normen

BauRallg
ROG Tir 2016 §13 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022060193.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Tirol (LVwG) die Beschwerde des Revisionswerbers gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde E. vom 24. November 2021, mit welchem dem Revisionswerber die weitere Benützung einer näher genannten Wohnung in E. als Freizeitwohnsitz gemäß § 13 Abs. 1 Tiroler Raumordnungsgesetz 2016 (TROG 2016) untersagt worden war, als unbegründet ab und erklärte eine ordentliche Revision für unzulässig.

5 In der Zulässigkeitsbegründung wird ein Abweichen des angefochtenen Erkenntnisses von der hg. Rechtsprechung insofern gerügt, als das LVwG von einer Freizeitwohnsitznutzung ausgegangen sei; der Revisionswerber habe die Wohnung als „Arbeitswohnsitz“ genutzt.

6 Damit wendet sich der Revisionswerber gegen die vom LVwG durchgeführte einzelfallbezogene Beweiswürdigung. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung läge nur dann vor, wenn das LVwG die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hätte. Die Beweiswürdigung ist damit nur insofern einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof zugänglich, als es sich um die Schlüssigkeit dieses Denkvorganges (nicht aber die konkrete Richtigkeit) handelt bzw. darum, ob die Beweisergebnisse, die in diesem Denkvorgang gewürdigt wurden, in einem ordnungsgemäßen Verfahren ermittelt wurden (vgl. VwGH 25.2.2022, Ra 2021/06/0237, Rn. 6, mwN).

7 Eine solche Unvertretbarkeit vermag der Revisionswerber nicht aufzuzeigen.

Den Feststellungen im angefochtenen Erkenntnis, wonach die gegenständliche Wohnung nicht der Befriedigung eines dauernden Wohnbedarfes diene und kein deutliches Übergewicht hinsichtlich der beruflichen und familiären Lebensbeziehungen des Revisionswerbers in E. feststellbar gewesen sei, wird in der Zulässigkeitsbegründung nicht entgegengetreten. Dass in der verfahrensgegenständlichen Wohnung gelegentlich auch berufliche Tätigkeiten ausgeübt wurden, steht nach ständiger hg. Rechtsprechung der Beurteilung als Freizeitwohnsitz nicht entgegen (vgl. etwa das vom LVwG zitierte Erkenntnis VwGH 28.6.2021, Ra 2021/06/0056 und 0057, Rn. 9, mwN). Den Begriff des „Arbeitswohnsitzes“ kennt das TROG 2016 nicht. Angesichts des Hauptwohnsitzes des Revisionswerbers in P./Deutschland, der fehlenden Gewerbeberechtigung in Österreich, seiner Anwesenheit von etwa 12 Wochen pro Jahr (vor Ausbruch der Corona‑Pandemie) in der gegenständlichen Wohnung und der wenig ausgeprägten privaten Interessen (Aufbau und Verfestigung der Beziehungen zu zwei Rotary‑Clubs in Tirol) ist die Beurteilung des LVwG, dass kein deutliches Übergewicht hinsichtlich der beruflichen und familiären Lebensbeziehungen des Revisionswerbers in E. vorliege, jedenfalls vertretbar.

Entgegen der vom Revisionswerber vertretenen Ansicht kann dem Erkenntnis VwGH 27.6.2014, 2012/02/0171, gerade nicht entnommen werden, dass die Nutzung einer Wohnung zu beruflichen Zwecken das Vorliegen eines Freizeitwohnsitzes ausschließe. Vielmehr wird darin ‑ in Übereinstimmung mit der oben zitierten hg. Rechtsprechung ‑ betont, dass eine gelegentliche Ausübung von beruflichen Tätigkeiten der Beurteilung als Freizeitwohnsitz nicht entgegenstehe.

8 Zum weiteren Zulässigkeitsvorbringen betreffend die Behauptung der Verletzung der unionsrechtlich garantierten Niederlassungsfreiheit genügt es, gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 12. Dezember 2013, 2013/06/0078, und die darin zitierte Rechtsprechung zu verweisen. Auch im vorliegenden Fall legt der Revisionswerber nicht dar, dass § 13 Abs. 1 TROG 2016 im Sinn der Judikatur des EuGH nicht legitimiert und verhältnismäßig sei (vgl. dazu auch VwGH 28.6.2021, Ra 2021/06/0056 und 0057, Rn. 12, mwN).

Der Hinweis auf VwGH 8.10.1996, 95/04/0253, ist nicht nachvollziehbar, weil diesem Erkenntnis ein wesentlich anderer Sachverhalt zugrunde lag. Aus dem gleichen Grund ist der Verweis auf EuGH 11.3.2004, C‑9/02, ebenfalls nicht zielführend.

9 Mit dem weiteren Zulässigkeitsvorbringen betreffend Verfahrensmängel wurde deren Relevanz nicht aufgezeigt (vgl. etwa VwGH 25.5.2022, Ra 2022/06/0066, Rn. 7, mwN).

Im Übrigen ist der Hinweis auf § 1 Abs. 6 Meldegesetz nicht zielführend, weil das TROG 2016 in seinem § 13 Abs. 1 eine Definition von Freizeitwohnsitzen enthält (vgl. etwa VwGH 12.7.2022, Ra 2022/06/0094, Rn. 5), die ‑ wie in Rn. 7 dargelegt ‑ im vorliegenden Fall erfüllt ist.

10 In der Revision wird somit keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme; sie war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 30. August 2022

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