VwGH Ra 2022/06/0094

VwGHRa 2022/06/009412.7.2022

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Lehofer und die Hofrätinnen Mag.a Merl und Mag. Liebhart‑Mutzl als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, in der Revisionssache des W H in A, vertreten durch Dr. Erik Kroker, Dr. Simon Tonini, Dr. Fabian Höss, Mag. Harald Lajlar und Dr. Miriam Obristhofer, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Sillgasse 12/IV, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 12. April 2022, LVwG‑2021/22/2949‑4, betreffend Bestrafung nach dem TROG 2016 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Kufstein; weitere Partei: Tiroler Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art133 Abs4
ROG Tir 2016 §13
ROG Tir 2016 §13 Abs1
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022060094.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Tirol (LVwG) die Beschwerde des Revisionswerbers gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kufstein (Behörde) vom 30. September 2021, mit dem über den Revisionswerber eine Geldstrafe in der Höhe von € 1.000,‑‑ (Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 12 Stunden) verhängt worden war, weil er zwischen 4. März 2019 und 30. September 2021 eine näher bezeichnete Wohnung in E. als Freizeitwohnsitz verwendet habe, ohne dass eine Feststellung über die Zulässigkeit der Verwendung der betreffenden Wohnung als Freizeitwohnsitz gemäß § 13 Abs. 3 lit. a oder eine Ausnahmebewilligung gemäß § 13 Abs. 7 Tiroler Raumordnungsgesetz 2016 (TROG 2016) vorgelegen wäre, als unbegründet ab. Eine ordentliche Revision wurde für nicht zulässig erklärt.

Begründend führte das LVwG zusammengefasst aus, der Revisionswerber habe die gegenständliche Wohnung seit 21. Juni 2018 gemietet und sei seit 4. März 2019 in dieser mit Nebenwohnsitz gemeldet; sein Hauptwohnsitz befinde sich in Deutschland. Er habe die Aufenthaltsabgabe (nach dem Tiroler Aufenthaltsabgabengesetz 2003) bezahlt und sich bereit erklärt, die Freizeitwohnsitzabgabe (nach dem Tiroler Freizeitwohnsitzabgabengesetz) zu entrichten; darüber hinaus habe er Gästekarten für sich und seine Ehefrau beantragt, weil sie sich meistens nur an den Wochenenden als Gäste in E. aufhielten. Eigenen Angaben zufolge habe der Revisionswerber nie beabsichtigt, einen festen Wohnsitz in E. begründen zu wollen. Diese Nutzung entspreche genau der Definition eines Freizeitwohnsitzes gemäß § 13 Abs. 1 TROG 2016, weshalb der objektive Tatbestand erfüllt sei. In weiterer Folge begründete das LVwG das Vorliegen der subjektiven Tatseite sowie die Strafbemessung.

5 In der Zulässigkeitsbegründung rügt der Revisionswerber eine krasse rechtliche Fehlbeurteilung des LVwG sowie relevante Verfahrensfehler. Zunächst bestreitet er die Verwendung der Wohnung als Freizeitwohnsitz unter Hinweis auf § 1 Abs. 6 Meldegesetz; er habe nie beabsichtigt, dort einen Anknüpfungspunkt von Lebensbeziehungen zu haben, sondern sei immer als Gast in E. gewesen; die Meldung als Nebenwohnsitz habe nur Indizwirkung.

Der Hinweis auf das Meldegesetz ist insofern nicht zielführend, als das TROG 2016 in seinem § 13 Abs. 1 eine Definition von Freizeitwohnsitzen enthält. Demnach sind Freizeitwohnsitze Gebäude, Wohnungen oder sonstige Teile von Gebäuden, die nicht der Befriedigung eines ganzjährigen, mit dem Mittelpunkt der Lebensbeziehungen verbundenen Wohnbedürfnisses dienen, sondern zum Aufenthalt während des Urlaubs, der Ferien, des Wochenendes oder sonst nur zeitweilig zu Erholungszwecken verwendet werden (die in den lit. a bis d des § 13 Abs. 1 TROG 2016 angeführten Ausnahmen sind fallbezogen nicht relevant). Dass dieser Tatbestand durch den vorliegend zu beurteilenden Sachverhalt nicht erfüllt werde, wird in der Revision nicht nachvollziehbar begründet. Angesichts dessen, dass der Revisionswerber eigenen Angaben zufolge seinen Hauptwohnsitz in Deutschland hatte und die Wohnung in E. meist nur an Wochenenden nützte, kann die einzelfallbezogene Beurteilung des LVwG, wonach im gegenständlichen Fall die Wohnung als Freizeitwohnsitz verwendet worden sei, jedenfalls nicht als unvertretbar angesehen werden (vgl. zur einzelfallbezogenen Beweiswürdigung und den dazu erforderlichen Darlegungen in der Zulässigkeitsbegründung etwa VwGH 25.2.2022, Ra 2021/06/0237, Rn. 6, mwN). Dass der Revisionswerber für sich und seine Ehefrau Gästekarten beantragte, vermag an der Qualifikation der Wohnung als Freizeitwohnsitz nichts zu ändern.

6 Wenn der Revisionswerber vorbringt, das LVwG hätte das Strafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 zweiter Satz VStG mit einer Ermahnung beenden müssen, wird darauf hingewiesen, dass der Wertungsfrage, ob besondere Umstände des Einzelfalls auch eine andere Entscheidung gerechtfertigt hätten, in der Regel keine grundsätzliche Bedeutung zukommt (vgl. etwa VwGH 22.2.2022, Ra 2022/06/0009, Rn. 6, mwN). Dass die Frage der Strafbemessung in der Höhe von € 1.000,‑‑ angesichts einer möglichen Geldstrafe bis zu € 40.000,‑‑ im vorliegenden Fall unvertretbar gelöst worden wäre, zeigt die Revision nicht auf.

7 Das Vorbringen in der Zulässigkeitsbegründung, das angefochtene Erkenntnis leide insofern unter einem Verfahrensmangel, als sich das LVwG nicht mit dem unionsrechtlichen Vorbringen in der Beschwerde auseinandergesetzt habe, trifft zu. Dazu ist jedoch festzuhalten, dass bei Verfahrensmängeln schon in der Zulässigkeitsbegründung deren Relevanz, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden muss. Dies setzt voraus, dass - auch in der gesonderten Begründung für die Zulässigkeit der Revision zumindest auf das Wesentliche zusammengefasst - jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben hätten (vgl. VwGH 25.5.2022, Ra 2022/06/0060, Rn. 12, mwN). Eine derartige Darstellung enthält die Zulässigkeitsbegründung jedoch nicht.

Im Übrigen setzte sich der Verwaltungsgerichtshof mit der unionsrechtlichen Kapitalverkehrsfreiheit sowie der Dienstleistungsfreiheit in Zusammenhang mit Freizeitwohnsitzen bereits mehrfach auseinander (vgl. zur Frage der Kapitalverkehrsfreiheit VwGH 16.12.2021, Ra 2018/06/0262, Rn. 14 bis 16; zur Frage der Dienstleistungsfreiheit VwGH 21.1.2021, Ra 2020/06/0327 und 0328, Rn. 8, jeweils mwN). Auf diese Rechtsprechung geht die Revision mit keinem Wort ein und legt somit auch nicht dar, dass § 13a Abs. 1 lit. a erster Fall TROG 2016 ‑ sofern dieser überhaupt vom Anwendungsbereich der genannten Grundfreiheiten umfasst ist ‑ im Sinn der Judikatur des EuGH nicht legitimiert und verhältnismäßig wäre.

8 In der Revision wird somit keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme; sie war daher zurückzuweisen.

Wien, am 12. Juli 2022

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