Normen
StVO 1960 §5 Abs2
StVO 1960 §5 Abs5
StVO 1960 §5 Abs9
StVO 1960 §99 Abs1 litb
VStG §44a Z1
VStG §44a Z2
VStG §44a Z3
VwGVG 2014 §38
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022020049.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau vom 21. Oktober 2021 wurde die Revisionswerberin beschuldigt, sie habe sich am 3. September 2021 um 22:28 Uhr in B, L‑weg 50, nach Aufforderung eines besonders geschulten Organs der Bundespolizei geweigert, sich zum Zweck der Feststellung des Grades der Beeinträchtigung durch Suchtgift zu einem bei einer öffentlichen Krankenanstalt diensthabenden Arzt vorführen zu lassen, wobei vermutet habe werden können, dass sie um 21:55 Uhr in B an einem näher bestimmten Parkplatz das angeführte Fahrzeug in einem vermutlich durch Suchtgift beeinträchtigten Zustand gelenkt habe. Sie habe dadurch § 99 Abs. 1 lit. b StVO iVm § 5 Abs. 5 1. Satz und Abs. 9 StVO verletzt. Gemäß § 99 Abs. 1 StVO wurde über sie eine Geldstrafe von € 1.600,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 14 Tage) verhängt.
2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde die dagegen von der Revisionswerberin erhobene Beschwerde mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass im Spruch einerseits als Zeitpunkt und Ort des Lenkens des nach dem Kennzeichen bestimmten Fahrzeugs 21:55 Uhr bzw. der Parkplatz zwischen den Objekten S Straße 66 und 68 genannt und andererseits die verletzten Rechtsvorschriften sowie die Strafnorm um die jeweiligen Fundstellen ergänzt wurden, wobei die Strafnorm auch um die korrekte Littera (lit. b) ergänzt wurde. Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde für nicht zulässig erklärt.
3 In der Begründung führte das Verwaltungsgericht zusammengefasst aus, die Lenkerin sei um 21:55 Uhr angehalten und aufgrund der im Zuge der Fahrzeug- und Lenkerkontrolle vom besonders geschulten einschreitenden Beamten wahrgenommenen verlangsamten Pupillenreaktion und der minimal geröteten Bindehäute zur klinischen Untersuchung auf eine mögliche Beeinträchtigung durch Suchtgift aufgefordert worden, nachdem sie einen freiwilligen Urintest verweigert habe. Nach der Fahrt vom Kontrollort zur Polizeiinspektion B sei die Ärzte‑Pool‑Liste abtelefoniert worden und eine diensthabende Ärztin im Krankenhaus B erreicht worden. Diese hätte die klinische Untersuchung sodann im 1,4 km entfernten Krankenhaus B (Fahrtzeit: 4 Minuten) durchführen sollen. Um 22:28 Uhr habe die Revisionswerberin die klinische Untersuchung verweigert, da sie ‑ laut eigenen Angaben in der Verhandlung ‑ eine rechtliche Abklärung durch ihren Anwalt habe abwarten wollen.
4 Rechtlich folgerte das Verwaltungsgericht im Kern, dass die Vorführung nach § 5 Abs. 5 und 9 StVO ein durchaus länger dauernder, fortgesetzter Vorgang sei, der erst ende, wenn festgestellt worden sei, wo die Untersuchung tatsächlich durchgeführt werde, und auch nicht durch eine zwischenzeitliche Verbringung auf eine Polizeidienststelle unterbrochen werde. Es entspreche auch der gängigen Praxis, dass erst im Zuge der weiteren Amtshandlung ein entsprechender Arzt kontaktiert werden könne und erst so der Ort der Untersuchung letztlich bestimmt werden könne. Es bestehe kein Wahlrecht betreffend den Ort der Untersuchung. Das Setzen einer Verweigerungshandlung sei daher bis zum Ende der Untersuchung möglich und denkbar; dies sei gegenständlich der Fall gewesen. Allein durch das Mitfahren zur Polizeidienststelle sei der gesetzlichen Verpflichtung, sich einem Arzt vorführen zu lassen noch nicht vollständig bzw rechtskonform entsprochen worden. Nicht zuletzt aufgrund der örtlichen Nähe des Krankenhauses und der Kürze der Amtshandlung sei es der Revisionswerberin auch zumutbar gewesen, sich weiters zur klinischen Untersuchung dorthin verbringen zu lassen.
5 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
6 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B‑VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B‑VG).
7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
9 In der Zulässigkeitsbegründung der Revision wird zunächst vorgebracht, der spruchgemäße Tatvorwurf sei ungerechtfertigt, weil die in § 5 Abs. 5 iVm Abs. 9 StVO normierte Pflicht für einen Probanden, sich einer Untersuchung zu unterziehen, nur dann gegeben sei, wenn dieser zu einem Arzt gebracht werde. Der Revisionswerberin sei aber nicht zur Last gelegt worden, sich nicht der ärztlichen Untersuchung zur Feststellung des Grades der Beeinträchtigung durch Suchtgift unterzogen zu haben, sondern sich nicht vorführen haben zu lassen. Die Bestimmung des § 5 Abs. 5 iVm Abs. 9 StVO sehe aber keine Verpflichtung vor, sich vorführen zu lassen. Zudem habe sie der Aufforderung zum Mitkommen zur klinischen Untersuchung zugestimmt und sei zur Polizeiinspektion mitgefahren. Ferner sei kein begründeter Verdacht der Suchtmittelbeeinträchtigung gegeben gewesen, zumal Symptome wie verlangsamte Pupillenreaktion oder minimal gerötete Augenbindehäute vielerlei Ursachen haben könnten.
10 Gemäß § 5 Abs. 5 StVO, BGBl. Nr. 159/1960 in der zum maßgeblichen Tatzeitpunkt geltenden Fassung BGBl. I Nr. 50/2012, sind die Organe der Straßenaufsicht berechtigt, Personen, von denen vermutet werden kann, dass sie sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befinden, zum Zweck der Feststellung des Grades der Beeinträchtigung durch Alkohol zu einem im öffentlichen Sanitätsdienst stehenden, bei einer Landespolizeidirektion tätigen, bei einer öffentlichen Krankenanstalt diensthabenden oder im Sinne des § 5a Abs. 4 ausgebildeten und von der Landesregierung hierzu ermächtigten Arzt zu bringen, sofern eine Untersuchung gemäß Abs. 2 1. keinen den gesetzlichen Grenzwert gemäß Abs. 1 erreichenden Alkoholgehalt ergeben hat oder 2. aus in der Person des Probanden gelegenen Gründen nicht möglich war.
11 Gemäß § 5 Abs. 9 leg. cit. gelten die Bestimmungen des Abs. 5 auch für Personen, von denen vermutet werden kann, dass sie sich in einem durch Suchtgift beeinträchtigten Zustand befinden; wer zum Arzt gebracht wird, hat sich der Untersuchung zu unterziehen. Die in Abs. 5 genannten Ärzte sind verpflichtet, die Untersuchung durchzuführen.
12 Gemäß § 99 Abs. 1 lit. b StVO, BGBl. Nr. 159/1960 in der hier anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 39/2013, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von € 1600 bis € 5900, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe von zwei bis sechs Wochen, zu bestrafen, wer sich bei Vorliegen der in § 5 bezeichneten Voraussetzungen weigert, seine Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen oder sich vorführen zu lassen, oder sich bei Vorliegen der bezeichneten Voraussetzungen nicht der ärztlichen Untersuchung unterzieht.
13 Den insofern unbestrittenen Feststellungen zufolge waren die Augenbindehäute der Revisionswerberin gerötet und ihre Pupillenreaktion verlangsamt. Aus dem Akteninhalt ergibt sich überdies, dass nach der Aussage des Meldungslegers die Revisionswerberin auch eine unkooperative Verhaltensweise an den Tag gelegt und angegeben habe, sie habe in der Vergangenheit in Deutschland Probleme mit Suchtmittel gehabt. Einen freiwilligen Urintest (Drogenschnelltest) verweigerte die Revisionswerberin. Da unter den gegebenen Umständen die Vermutung iSd § 5 Abs. 9 StVO zu Recht bestand, war der einschreitende Meldungsleger auch berechtigt, die Revisionswerberin zu einer entsprechenden ärztlichen Untersuchung aufzufordern. Darauf, ob die festgestellten spezifischen Symptome tatsächlich einer anderen Ursache geschuldet waren, kommt es für die Frage, ob die zur Erkennung von Suchtgiftbeeinträchtigungen besonders geschulten Beamten zu Recht vermuten durften, dass eine solche Beeinträchtigung vorliege, nicht an.
14 Die Voraussetzungen des § 5 Abs. 5 iVm Abs. 9 StVO lagen somit vor; dem hält die Revision auch nichts Konkretes entgegen. Die Revisionswerberin durfte daher zu Recht einem Arzt zur Untersuchung vorgeführt werden. Dies hat die Revisionswerberin jedoch letztlich unter Hinweis darauf, dass sie das erst mit ihrem Anwalt besprechen wolle, abgelehnt. Selbst wenn somit die Revisionswerberin vorerst der Aufforderung zur Vorführung zwecks klinischer Untersuchung nachkam, erfüllte sie durch ihren noch vor der Vorführung erfolgten Gesinnungswandel auf der Polizeidienststelle, zu der sie im Zuge der Kontaktierung eines entsprechenden Arztes vorerst verbracht worden war, den Tatbestand der Weigerung iSd § 99 Abs. 1 lit. b StVO iVm § 5 Abs. 5 iVm Abs. 9 StVO. Das Gesetz räumt dem zur Untersuchung Aufgeforderten nämlich kein Recht ein, zu bestimmen, wo die Untersuchung stattfinden soll, solange die Umstände unter dem Blickwinkel der Zumutbarkeit ‑ das bedeutet, dass die Einschränkung der persönlichen Freiheit des zu Untersuchenden möglichst gering gehalten werden soll (vgl. dazu zB VwGH 9.10.2017, Ra 2017/02/0138, zur Zumutbarkeit einer Untersuchung der Atemluft auf deren Alkoholgehalt mittels Alkomaten) ‑ vertretbar erscheinen.
15 Im vorliegenden Einzelfall besteht angesichts der festgestellten Umstände kein Zweifel, dass sich die Revisionswerberin auch unter dem Blickwinkel der Zumutbarkeit von der Polizeidienststelle zur kontaktierten diensthabenden Ärztin im 1,4 km entfernt gelegenen Krankenhaus hätte verbringen lassen müssen. Das Verwaltungsgericht ist daher zu Recht davon ausgegangen, dass die Revisionswerberin den Tatbestand der Verweigerung iS § 99 Abs. 1 lit. b iVm § 5 Abs. 5 iVm Abs. 9 StVO erfüllt hat.
16 Entgegen den weiteren Revisionsausführungen hat der Verwaltungsgerichtshof bereits festgestellt, dass das konkrete Verhalten, welches als Weigerung qualifiziert wurde, kein Tatbestandsmerkmal der Übertretung des § 99 Abs. 1 lit. b iVm § 5 Abs. 2 iVm StVO darstellt, welches Bestandteil des Spruchs zu sein hat, um dem Konkretisierungsgebot des § 44a Z 1 VStG Genüge zu tun (siehe VwGH 8.3.1989, 88/03/0189 zum damals geltenden, inhaltsgleichen § 44a lit. a VStG).
17 Der Revisionswerber bringt zur Zulässigkeit der Revision ferner vor, das angefochtene Erkenntnis weiche von näher bezeichneter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 44a Z 2 VStG ab, da im angefochtenen Erkenntnis nicht die richtige Übertretungsnorm bzw. Strafnorm im Spruch genannt würden, weil sie nicht in der richtigen Fassung ‑ nämlich unter Anführung jener Novelle, durch welche die Norm ihre zum Tatzeitpunkt gültige Fassung erhalten hat, angeführt worden seien.
18 Im vorliegenden Fall hat das Verwaltungsgericht sowohl betreffend § 5 Abs. 5 und 9 StVO als auch § 99 Abs. 1 lit b StVO jeweils jene Fassung angeführt, welche zum Tatzeitpunkt in Geltung stand, nicht aber jene Novellen, mit der die Übertretungs- bzw. Strafnormen in ihren Untergliederungen jeweils zuletzt geändert worden waren. Mit Blick auf die geänderte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH [verstärkter Senat] 27.6.2022, Ra 2021/03/0328, auf dessen Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs. 2 und 9 VwGG verwiesen wird), kann darin jedoch ein Verstoß gegen § 44a Z 2 VStG nicht erkannt werden, da nicht ersichtlich ist, dass die Revisionswerberin dadurch in ihren Verteidigungsrechten beeinträchtigt worden, sie der Gefahr einer Doppelbestrafung ausgesetzt oder nicht in der Lage gewesen wäre, ihre Rechtsschutzinteressen zu wahren. Ebenso wenig ist ersichtlich, dass die herangezogenen Rechtsvorschriften in irgendeiner Weise für die Revisionswerberin zweifelhaft gewesen sein könnten. Solches hat die anwaltlich vertretene Revisionswerberin im gesamten verwaltungsstrafrechtlichen Verfahren auch nicht vorgebracht.
19 Im Übrigen handelt es sich im Fall des Tatvorwurfs der Weigerung, sich bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 5 Abs. 5 StVO einem Arzt vorführen zu lassen, um den Vorwurf der Verletzung des § 99 Abs. 1 lit. b StVO; diese Rechtsvorschrift ist somit nicht nur Strafsanktionsnorm, sondern auch Übertretungsnorm (vgl. VwGH 15.1.1980, 2799/78, noch betreffend die Vorgängerbestimmungen). Die Zitierung des § 99 Abs. 1 lit. b StVO im Spruch erweist sich somit ‑ entgegen den Revisionsausführungen ‑ nicht als rechtswidrig.
20 Soweit sich schließlich die Revision in der Zulässigkeitsbegründung gegen die als zu knapp empfundene Begründung des angefochtenen Erkenntnisses wendet, gelingt es ihr nicht, die Relevanz der vermissten Sachverhaltsfeststellungen konkret darzulegen (zum diesbezüglich eingeschränkten Prüfmaßstab des Verwaltungsgerichtshofes siehe etwa VwGH 9.9.2019, Ra 2019/18/0169).
21 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 27. Juli 2022
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