Normen
MRK Art8 Abs2
StbG 1965 §10 Abs1 Z8
StbG 1985 §10 Abs1 Z6
StbG 1985 §10 Abs1 Z8
StbG 1985 §11
StbGNov 1998
VerG 2002 §5 Abs1
VwRallg
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022010026.L04
Spruch:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Begründung
Vorgeschichte
1 Mit Bescheid der Salzburger Landesregierung (Amtsrevisionswerberin) vom 13. August 2020 wurde der Antrag des Mitbeteiligten, eines türkischen Staatsangehörigen, auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß § 11a Abs. 4 Z 3 iVm § 10 Abs. 1 Z 6 und 8 sowie § 11 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG) abgewiesen.
2 Die Abweisung des Verleihungsantrages begründete die Amtsrevisionswerberin zusammenfassend damit, der Mitbeteiligte verwirkliche aufgrund seiner Tätigkeit als Funktionär bzw. Obmann des Kulturvereins S in S (Kulturverein), welcher als Zweigverein zur ATIB‑Union (ATIB) gehöre, das Verleihungshindernis des § 10 Abs. 1 Z 6 StbG. Er habe zudem versucht, sich die Staatsbürgerschaft iSd § 63c StbG zu erschleichen, indem er die diversionelle Einstellung eines Strafverfahrens im Jahr 2013 verschwiegen habe. Aufgrund seiner jahrelangen Tätigkeit als Funktionsträger und Obmann des Kulturvereins und dessen Zugehörigkeit zur ATIB stünde der Mitbeteiligte mit dem türkischen Staat in solchen Beziehungen, dass iSd § 10 Abs. 1 Z 8 StbG die Verleihung der Staatsbürgerschaft die Interessen der Republik schädigen würde. Daher erfülle der Mitbeteiligte die Verleihungsvoraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z 6 und Z 8 sowie § 11 StbG nicht.
Angefochtenes Erkenntnis
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde der Beschwerde des Mitbeteiligten gegen diesen Bescheid stattgegeben und ihm gemäß § 20 Abs. 1 StbG die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft für den Fall zugesichert, dass er innerhalb von zwei Jahren ab Zusicherung das Ausscheiden aus seinem bisherigen Staatsverband (Republik Türkei) nachweist (I.). Der Mitbeteiligte wurde zur Entrichtung näher bezeichneter Verwaltungsabgaben verpflichtet (II.), eine Revision wurde für nicht zulässig erklärt (III.).
4 Begründend führte das Verwaltungsgericht zusammenfassend aus, es könne gemäß § 10 Abs. 1 Z 6 StbG jedenfalls eine positive Prognose über das zukünftige Wohlverhalten des Mitbeteiligten getroffen werden. So verfüge der Mitbeteiligte über sehr gute Deutschkenntnisse und habe in Österreich eine Berufsausbildung sowie ein Hochschulstudium abgeschlossen. Es hätten sich keine Anhaltspunkte ergeben, dass der Mitbeteiligte Rechtsvorschriften, die dem Schutz anderer Personen bzw. dem geordneten Funktionieren der Verwaltung dienten, keine ausreichende Beachtung schenke. Der Mitbeteiligte weise einen hohen Grad an Integration auf und es sei ihm ein besonderes Anliegen, anderen Menschen bei der Integration in Österreich behilflich zu sein. Zu den „Handlungen gewisser ATIB‑Vereine (Vorfälle in Wien)“ habe sich der Mitbeteiligte ausreichend distanziert. Auch deute das Verwaltungsgericht es jedenfalls positiv, dass der Mitbeteiligte dazu bereit gewesen sei, die Position als Obmann zurückzulegen, um die österreichische Staatsbürgerschaft zu erlangen. Auch „das spiegelt seinen dringlichen Wunsch die österreichische Staatsbürgerschaft zu erlangen wieder“. Im gegenständlichen Fall stelle die Verleihung den Abschluss einer erfolgreichen Integration dar.
5 Der Tatbestand des § 63c StbG sei nicht verwirklicht, da der Mitbeteiligte das mit Diversion eingestellte Strafverfahren im Verfahren vor der Amtsrevisionswerberin (in der zweiten mündlichen Befragung) ohne vorherige Aufforderung durch die Behörde erwähnt habe. Auf Grund der Nichterwähnung im schriftlichen Antrag könne daher kein „Indiz für mangelnde Vertrauenswürdigkeit“ iSd § 10 Abs. 1 Z 6 StbG festgestellt werden.
6 Anhaltspunkte für ein Naheverhältnis zu einer extremistischen oder terroristischen Gruppierung gemäß § 10 Abs. 2 Z 7 StbG seien im Verfahren nicht hervorgekommen. „Keiner der Vereine“ seien auf der „EU‑Terrorliste“ zu finden. Sowohl der Kulturverein als auch der Dachverband (gemeint: ATIB) seien Vereine nach dem Vereinsgesetz. Es hätten sich keine Anhaltspunkte ergeben, dass es sich bei dem Kulturverein und dem Dachverband (wiederum gemeint: ATIB) um eine extremistische oder terroristische Gruppierung handle. Wie aus der Stellungnahme des Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) hervorgehe, gebe es zwar „im Verein“ Mitglieder, „deren persönliche Verbundenheit ungleich größer zur Türkei ist, als die zur Republik Österreich“. Daraus lasse sich aber nicht der Schluss ziehen, dass der gesamte Verein „von einer extremistischen Gesinnung geprägt ist“.
7 Auch lägen keine Gründe vor, die gegen eine positive Ermessensentscheidung nach § 11 StbG sprächen.
8 Das Ausscheiden aus dem türkischen Staatsverband sei nach der (nicht weiter festgestellten) türkischen Rechtslage „und dem dazu bestehenden Gerichtswissen“ möglich. Da die sonstigen Verleihungsvoraussetzungen (mit näherer Begründung) vorlägen und keine Verleihungshindernisse bestünden, sei dem Mitbeteiligten die Verleihung der Staatsbürgerschaft zuzusichern.
9 Die Unzulässigkeit einer Revision begründete das Verwaltungsgericht damit, es habe - bezogen auf den Einzelfall - zu beurteilen gehabt, ob der angefochtene Bescheid materiell- und verfahrensrechtlich rechtmäßig gewesen sei. Mit seiner Entscheidung sei das Verwaltungsgericht weder von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, noch fehle es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Auch sonst lägen keine Hinweise für eine grundsätzliche Bedeutung „der zu lösenden Rechtsfrage“ vor.
10 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Amtsrevision.
11 Der Mitbeteiligte erstattete nach Einleitung des Vorverfahrens durch den Verwaltungsgerichtshof eine Revisionsbeantwortung.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Zulässigkeit
12 Die Amtsrevision macht unter anderem in der Zulässigkeitsbegründung geltend, das Verwaltungsgericht sei im angefochtenen Erkenntnis nicht auf das von der Amtsrevisionswerberin im Bescheid herangezogene Verleihungshindernis des § 10 Abs. 1 Z 8 StbG eingegangen. Dazu wird (unter anderem) vorgebracht, das Verwaltungsgericht sei von näher bezeichneter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach es sich über erhebliche Behauptungen und Beweisanträge nicht ohne Ermittlungen und ohne Begründung hinwegsetzen darf, abgewichen (Verweis u.a. auf VwGH 26.9.2016, Ra 2015/08/0211, mwN).
13 Mit diesem Vorbringen wird eine zur Zulässigkeit der Revision führende Rechtsfrage aufgezeigt.
14 Die Revision ist zulässig und berechtigt.
Verleihungshindernis des § 10 Abs. 1 Z 8 StbG
Auseinandersetzung mit dem Bescheid der Verwaltungsbehörde
15 Gemäß § 18 VwGVG ist Partei (des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens) auch die belangte Behörde. Das verwaltungsgerichtliche Verfahren ist damit zumindest ein Zweiparteienverfahren, in dem der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat, die gleichen Parteirechte (unter anderem Recht auf Akteneinsicht, Parteiengehör, Ladung zur Verhandlung, Fragerecht an die Parteien, Zeugen und Sachverständigen, Zustellung der Entscheidung) wie dem Beschwerdeführer zukommen. Es stehen sich damit der Beschwerdeführer und die belangte Behörde im verwaltungsgerichtlichen Verfahren grundsätzlich gleichberechtigt gegenüber. Wenn das BVwG von der Entscheidung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) abweichen will, ist es daher gehalten, auf die beweiswürdigenden Argumente des BFA einzugehen und nachvollziehbar zu begründen, aus welchen Gründen es zu einer anderen Entscheidung kommt (vgl. etwa VwGH 3.5.2021, Ra 2020/01/0485, mwN; vgl. auch VwGH 30.11.2021, Ra 2020/20/0412, VwGH 8.9.2021, Ra 2020/20/0279, VwGH 27.5.2020, Ra 2019/14/0566, oder VwGH 4.6.2021, Ra 2021/01/0008, jeweils mwN).
16 Gleiches gilt für die Landesregierung als belangte Behörde und Partei (des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens) in Angelegenheiten nach dem StbG. Daher hat der Verwaltungsgerichtshof auch im Anwendungsbereich des StbG auf seine Rechtsprechung hingewiesen, wonach das Verwaltungsgericht, wenn es von einer Entscheidung der Verwaltungsbehörde abweichen will, gehalten ist, auf die beweiswürdigenden Argumente der Verwaltungsbehörde einzugehen und nachvollziehbar zu begründen, aus welchen Gründen es zu einer anderen Entscheidung kommt (vgl. VwGH 6.7.2020, Ra 2019/01/0426, mwN).
17 Dies hat das Verwaltungsgericht in der vorliegenden Rechtssache nicht getan. Vielmehr führt es in der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses zu Beginn der Erwägungen (S 8) ausdrücklich aus, die Amtsrevisionswerberin habe ihre abweisende Entscheidung auf § 10 Abs. 1 Z 6 „und sowie“ § 11 StbG gestützt. Zusätzlich habe die Amtsrevisionswerberin im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vorgetragen, dass das Verleihungshindernis des § 10 Abs. 2 Z 7 StbG vorliege. Sodann behandelt das Verwaltungsgericht das Verleihungshindernis des § 10 Abs. 1 Z 6 und des § 10 Abs. 2 Z 7 StbG sowie § 11 StbG. Auf das von der Amtsrevisionswerberin im Bescheid herangezogene Verleihungshindernis des § 10 Abs. 1 Z 8 StbG geht das Verwaltungsgericht nicht ein.
§ 10 Abs. 1 Z 8 StbG (Beziehungen mit fremden Staaten)
18 Gemäß § 10 Abs. 1 Z 8 StbG, BGBl. Nr. 311/1985 idF BGBl. I Nr. 162/2021, darf die Staatsbürgerschaft einem Fremden, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, nur verliehen werden, wenn er nicht mit fremden Staaten in solchen Beziehungen steht, dass die Verleihung der Staatsbürgerschaft die Interessen der Republik schädigen würde.
19 Der Verwaltungsgerichtshof hat dazu bereits festgehalten, die Bestimmung des § 10 Abs. 1 Z 8 StbG stellt auf eine materielle Prüfung der Persönlichkeit des Fremden ab. Unter „Beziehung“ ist jegliche Verbindung des Bewerbers mit einem anderen Staat zu verstehen, sei es, dass er als dessen Organ bestellt ist, oder durch seine gegen den anderen Staat gerichteten Handlungen oder Unterlassungen zu diesem in Kontakt getreten ist (z.B. Hochverrat, im Ausland anhängiges gerichtliches Strafverfahren, Nahebeziehungen zu maßgeblichen Vertretern eines Staates). Als Kriterien, wann eine solche Nahebeziehung einen Hinderungsgrund darstellt, nennt das Gesetz die mögliche Gefährdung der Interessen und des Ansehens der Republik (vgl. VwGH 23.9.1998, 98/01/0091, mwN).
20 Die nach der zitierten Rechtsprechung im Gesetz noch enthaltene Wortfolge „oder das Ansehen“ (der Republik) entfiel mit der Staatsbürgerschaftsgesetznovelle 1998, BGBl. I Nr. 124, weil (nach den Materialien) „die Gesamtinteressen der Republik bereits in Z 6 lit. b Berücksichtigung finden und Redundanz vermieden werden soll“. Zu der erwähnten Z 6 lit. b führen die Materialien aus, „Die Einfügung der lit. b in Abs. 1 Z 6 soll nicht bloß die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit, sondern sämtliche Schutzgüter des Art. 8 Abs. 2 EMRK vor Gefährdung zu bewahren“ (vgl. ErläutRV 1283 BlgNR 20. GP 7).
21 Daraus ergibt sich für die vorliegend maßgebliche Rechtslage des § 10 Abs. 1 Z 8 StbG, dass als Kriterium, wann eine solche Nahebeziehung einen Hinderungsgrund darstellt, im Gesetz die mögliche Gefährdung der Interessen der Republik im Sinne der (auch in § 10 Abs. 1 Z 6 StbG genannten) Schutzgüter des Art. 8 Abs. 2 EMRK genannt wird (die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung, die Verhinderung von strafbaren Handlungen, der Schutz der Gesundheit und der Moral oder der Schutz der Rechte und Freiheiten anderer).
22 Zusammenfassend stellt daher § 10 Abs. 1 Z 8 StbG idF BGBl. I Nr. 162/2021 auf eine materielle Prüfung der Persönlichkeit des Fremden ab. Unter „Beziehung“ ist jegliche Verbindung des Bewerbers mit einem anderen Staat zu verstehen, sei es, dass er als dessen Organ bestellt ist, oder durch seine gegen den anderen Staat gerichteten Handlungen oder Unterlassungen zu diesem in Kontakt getreten ist (z.B. Hochverrat, im Ausland anhängiges gerichtliches Strafverfahren, Nahebeziehungen zu maßgeblichen Vertretern eines Staates). Als Kriterien, wann eine solche Nahebeziehung einen Hinderungsgrund darstellt, nennt das Gesetz die mögliche Gefährdung der Interessen der Republik im Sinne der Schutzgüter des Art. 8 Abs. 2 EMRK (nationale Sicherheit, öffentliche Ruhe und Ordnung, wirtschaftliches Wohl des Landes, Verteidigung der Ordnung, Verhinderung von strafbaren Handlungen, Schutz der Gesundheit und der Moral oder Schutz der Rechte und Freiheiten anderer).
23 Eine die Interessen der Republik schädigende Beziehung zu einem fremden Staat kann zB dann vorliegen, wenn der Antragsteller für einen ausländischen Nachrichtendienst tätig ist (vgl. Plunger in Plunger/Esztegar/Eberwein [Hrsg], StbG § 10 Rz 15). So hat der Verwaltungsgerichtshof bereits zu § 10 Abs. 1 Z 8 StbG 1965 festgehalten, dass die Zugehörigkeit zu einem ausländischen Staatssicherheitsdienst und eine damit verbundene nachrichtendienstliche Tätigkeit im Inland eine Schädigung österreichischer Staatsinteressen bilden (vgl. VwGH 16.1.1985, 82/01/0118).
Einzelfallbezogene Anwendung
24 Vorliegend ist die Amtsrevisionswerberin in ihrem abweisenden Bescheid davon ausgegangen, der Mitbeteiligte stehe zur Republik Türkei in solchen Beziehungen, dass die Verleihung der Staatsbürgerschaft die Interessen der Republik schädigen würde. Diese Nahebeziehung bestehe, weil der Mitbeteiligte als Obmann und (immer noch) Mitglied des Kulturvereins und damit eines Zweigvereins der ATIB aufgrund der speziellen Vereinskonstruktion, der Satzungen/Statuten und des besonderen Abhängigkeitsverhältnisses, welches zwischen den Mitgliedern und Funktionären der Zweigvereine, der ATIB und dem türkischen Botschaftsrat für religiöse und soziale Angelegenheiten sowie den Attachés für religiöse und soziale Angelegenheiten der türkischen Botschaft in W bestehe, in einem besonderen Naheverhältnis zur Republik Türkei stehe. Die Imame der Zweigvereine von ATIB seien für viele Jahre vom türkischen Staat finanziert worden. Auch sei die enge Verbindung des türkischen Staates durch die Entsendung von Führungsmitgliedern in die ATIB evident. Gegen ATIB werde wegen § 256 StGB (Geheimer Nachrichtendienst zum Nachteil Österreichs) ermittelt und es komme zu einem gewissen „Informationsabfluss“ in die Türkei. Die Amtsrevisionswerberin gehe davon aus, dass es tatsächlich zu einer Bespitzelung einzelner Bevölkerungsschichten (in Österreich lebender Personen mit türkischem Migrationsintergrund) gekommen sei. Dieses als nachrichtendienstlich einzustufende Verhalten schädige für sich schon die Interessen der Republik. Auch sei davon auszugehen, dass ATIB und ihre Zweigvereine überwiegend türkisch‑nationalistische Ziele verfolgten. Die systematischen Handlungen der ATIB und von zumindest einigen der Zweigvereine ließen es als dringend geboten erscheinen, dem Mitbeteiligten die Staatsbürgerschaft zu versagen.
25 Das Verwaltungsgericht hat sich mit dem Verleihungshindernis des § 10 Abs. 1 Z 8 StbG und der damit zusammenhängenden Bescheidbegründung der Amtsrevisionswerberin wie angeführt nicht auseinandergesetzt.
26 Der Mitbeteiligte bringt zu § 10 Abs. 1 Z 8 StbG in der Revisionsbeantwortung vor, die Amtsrevision orientiere sich nicht an den Feststellungen des Verwaltungsgerichts. Beim vorliegenden Verfahren stehe der Mitbeteiligte als Antragsteller im Mittelpunkt. Die Amtsrevisionswerberin versuche, den „Fokus“ von dem Mitbeteiligten auf den Kulturverein und den Dachverband zu lenken. Eine Pauschalierung, dass sämtliche Handlungen seitens ATIB bzw. einzelner Mitglieder oder einzelner Vereine auch den Zweigvereinen bzw. deren Mitglieder zuzurechnen seien, sei nicht vorzunehmen.
27 Der Mitbeteiligte ist im Recht, dass schon nach dem Wortlaut des § 10 Abs. 1 Z 8 StbG (arg.: „wenn er ... in solchen Beziehungen steht“) Handlungen anderer Mitglieder des Kulturvereins bzw. anderer Zweigvereine von ATIB dem Mitbeteiligten nicht zuzurechnen sind.
28 Sollten die Bedenken der Amtsrevisionswerberin aber auf den Kulturverein selbst zutreffen und dieser aufgrund der angeführten Vereinskonstruktion und der Einbindung des Kulturvereines in die ATIB in dem von der Amtsrevisionswerberin angeführten Naheverhältnis zur Republik Türkei stehen, so läge insoweit eine Beziehung mit einem fremden Staat im Sinne des § 10 Abs. 1 Z 8 StbG vor (vgl. zur ATIB und zum Verbot der Finanzierung der gewöhnlichen Tätigkeit der islamischen Religionsgesellschaften durch ausländische Staaten und deren Einrichtungen nach dem Islamgesetz 2015 VfGH 13.3.2019, E 3830/2018 ua = VfSlg. 20.321). Wie dargestellt, erfüllen eine Tätigkeit für einen ausländischen Nachrichtendienst und eine damit verbundene nachrichtendienstliche Tätigkeit im Inland den Tatbestand des § 10 Abs. 1 Z 8 StbG (vgl. nochmals Plunger aaO und VwGH 82/01/0118).
29 Sollte der Kulturverein wie von der Amtsrevisionswerberin angenommen „überwiegend türkisch nationalistische Ziele“ verfolgen, so könnte dies auch gemäß § 10 Abs. 1 Z 6 iVm § 11 StbG relevant sein (vgl. VwGH 10.12.2021, Ra 2021/01/0291, mwN, insbes. Rn. 38).
30 Der Mitbeteiligte selbst wäre als Mitglied des Leitungsorgans des Kulturvereines für eine derartige Führung der Vereinsgeschäfte mitverantwortlich gewesen (vgl. iZm § 10 Abs. 2 Z 7 StbG VwGH 4.4.2019, Ra 2019/01/0083, mit Verweis auf § 5 Abs. 1 Vereinsgesetz 2002).
31 Das Verwaltungsgericht wird vor diesem Hintergrund im fortgesetzten Verfahren auf das Verleihungshindernis des § 10 Abs. 1 Z 8 StbG einzugehen haben.
Ergebnis
32 Das angefochtene Erkenntnis war aus diesen Erwägungen gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Wien, am 20. April 2022
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