VwGH Ra 2021/14/0011

VwGHRa 2021/14/001129.1.2021

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, die Hofrätin Mag. Rossmeisel und den Hofrat Dr. Himberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Gnilsen, in der Revisionssache des X Y, vertreten durch Dr. Manfred Schiffner, Rechtsanwalt in 8054 Seiersberg‑Pirka, Haushamer Straße 2, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. Juni 2020, W195 22242307‑1/12E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

AsylG 2005 §3 Abs1
AVG §37
AVG §45 Abs2
AVG §45 Abs3
VwGVG 2014 §17

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021140011.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger von Bangladesch, stellte am 2. April 2019 einen Antrag auf internationalen Schutz, den er im Wesentlichen damit begründete, dass gegen ihn eine politisch motivierte Strafanzeige eingebracht worden sei. Da er kein faires Strafverfahren zu erwarten habe, habe er sich zur Flucht entschieden. Er sei Mitglied der Jubo Dal, einem Zweig der BNP, und sei bereits einmal nach einer politischen Diskussionsrunde von der Polizei verhaftet und misshandelt worden.

2 Mit Bescheid vom 16. Juli 2019 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl diesen Antrag ab, erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen den Revisionswerber eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Bangladesch zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise legte die Behörde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.

3 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis nach Durchführung einer Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Erhebung einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei.

4 Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 24. November 2020, E 3370/2020‑7, ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

5 In der Folge brachte der Revisionswerber die vorliegende außerordentliche Revision ein.

6 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

9 Zu ihrer Zulässigkeit bringt die Revision zusammengefasst vor, das BVwG habe nicht überprüft, ob im Hinblick auf die vorgelegte Anzeige eine legitime Strafverfolgung oder eine asylrechtlich relevante Verfolgung durch die Strafjustiz vorliege. Das BVwG habe außerdem bloß pauschal festgehalten, dass Dokumente unwahren Inhaltes problemlos gegen Zahlung erhältlich seien, sich daher mit den beigebrachten Unterlagen in keiner Weise auseinandergesetzt, und damit eine unzulässige antizipierende Beweiswürdigung vorgenommen. Das Parteiengehör des Revisionswerbers sei mehrmals verletzt worden, weil pauschal von seiner Unglaubwürdigkeit ausgegangen worden sei, ohne ihm Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.

10 Soweit sich der Revisionswerber damit gegen die Beweiswürdigung des BVwG wendet, ist zunächst festzuhalten, dass der Verwaltungsgerichtshof nach seiner ständigen Rechtsprechung als Rechtsinstanz tätig und im Allgemeinen nicht zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Einzelfall berufen ist. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. VwGH 16.9.2020, Ra 2020/14/0389, mwN).

11 Das BVwG hat den Revisionswerber im Rahmen einer mündlichen Verhandlung vernommen und die Angaben zu seinen Fluchtgründen, insbesondere zu einer Verfolgung aus politischen Gründen, als nicht glaubwürdig erachtet. Dabei stützte es sich beweiswürdigend auf Ungereimtheiten zwischen den vorgelegten Daten und seinen Erzählungen sowie die oberflächlichen Angaben des Revisionswerbers zur fluchtauslösenden Anzeige. Das BVwG bezieht sich in seiner Beurteilung auch auf die bereits im behördlichen Verfahren veranlasste Übersetzung eines Teils der vorgelegten Unterlagen.

12 Entgegen dem Vorbringen der Revision, das eine Passage aus den Länderfeststellungen herausgreift, geht das BVwG jedoch nicht davon aus, dass den vorgelegten Unterlagen wegen der Verfügbarkeit von Dokumenten unwahren Inhalts generell kein Beweiswert zukomme. Vielmehr stützt es sich darauf, dass der Revisionswerber selbst auf dem Standpunkt steht, dass die von einem politischen Gegner erstattete Strafanzeige völlig unberechtigt („gänzlich falsch“) sei. Eine antizipierende oder sonst unvertretbare Beweiswürdigung zeigt die Revision damit nicht auf.

13 Zur Strafverfolgung wegen der unberechtigten Anzeige hat das BVwG weiters erwogen, dass der Revisionswerber nicht versucht hätte, diese mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln - etwa durch Betrauung eines Anwaltes mit der Verteidigung - abzuwehren. Vielmehr hätte er sich zunächst versteckt, seiner Ehefrau eine Vollmacht für die Regelung seiner finanziellen Angelegenheiten erteilt und dann die Flucht angetreten. Auf Basis der Länderfeststellungen sei jedoch nicht von einer generellen Schutzunfähigkeit des Staates oder einer flächendeckenden Inhaftierung oder Benachteiligung von Sympathisanten der BNP‑Partei auszugehen.

14 Diesen Einschätzungen tritt die Revision nicht konkret entgegen. Damit ist aber gar nicht von einer Verfolgung des Revisionswerbers durch die Strafjustiz auszugehen, sodass sich die aufgeworfene Frage der Abgrenzung legitimer Strafverfolgung von asylrelevanter Verfolgung ‑ etwa aufgrund einer politischen Gesinnung ‑ nicht stellt.

15 Hinsichtlich des Vorbringens in der Revision, es hätte nicht von der Unglaubwürdigkeit des Revisionswerbers ausgegangen werden dürfen, ohne ihm Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach sich das Recht auf Parteiengehör nur auf den vom Verwaltungsgericht festzustellenden maßgeblichen Sachverhalt bezieht. Die Beweiswürdigung im Sinn des § 45 Abs. 2 AVG zählt aber nicht zu den Ergebnissen des Beweisverfahrens. Es besteht keine Verpflichtung des BVwG, dem Asylwerber im Wege eines Vorhalts zur Kenntnis zu bringen, dass Widersprüche vorhanden seien, die im Rahmen der gemäß § 45 Abs. 2 AVG vorzunehmenden Beweiswürdigung zu seinem Nachteil von Bedeutung sein könnten, und ihm aus diesem Grunde eine Stellungnahme hiezu zu ermöglichen (vgl. VwGH 12.10.2020, Ra 2020/19/0258, mwN).

16 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 29. Jänner 2021

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte