Normen
AVG §58
AVG §60
BDG 1979 §211
BDG 1979 §43 Abs1
BDG 1979 §43 Abs2
BDG 1979 §44
B-VG Art133 Abs4
SchUG 1986 §11 Abs6 idF 2017/I/138
SchUG 1986 §20 Abs3 idF 1996/767
SchUG 1986 §23 Abs1 idF 2018/I/101
SchUG 1986 §56
VwGG §34 Abs1
VwGG §42 Abs2 Z3 litb
VwGG §42 Abs2 Z3 litc
VwGVG 2014 §29
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2023:RA2021090201.L00
Spruch:
I. zu Recht erkannt:
Das angefochtene Erkenntnis wird im Umfang der Bestätigung des Spruchpunktes 1. des Schuldspruches des Bescheids der Disziplinarkommission bei der Bildungsdirektion für Tirol vom 4. August 2020, 254.06/0011‑allg/2020, sowie in seinem Strafausspruch wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
II. den Beschluss gefasst:
Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber steht als Schulleiter einer Höheren Lehranstalt für wirtschaftliche Berufe in einem öffentlich‑rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund.
2 Mit Bescheid der Disziplinarkommission bei der Bildungsdirektion für Tirol (Disziplinarkommission) vom 4. August 2020 wurde der Revisionswerber nach Durchführung einer mündlichen Disziplinarverhandlung wie folgt für schuldig erkannt und bestraft (Anonymisierungen durch den Verwaltungsgerichtshof; Schreibweise im Original):
„Sie sind schuldig, Sie haben
1. die Schülerin A.B. trotz deren Nichtbestehens der am 10. September 2018 abgelegten Nachtragsprüfung im Pflichtgegenstand Bewegung und Sport am 10. September 2018 im Unterrichtsgegenstand Deutsch und am 11. September 2018 im Unterrichtsgegenstand Englisch jeweils zu der für die betreffende Schülerin vorgesehenen Wiederholungsprüfung antreten lassen, obwohl aufgrund der negativen Beurteilung in mehr als zwei Pflichtgegenständen die Voraussetzungen für den Antritt zu den Wiederholungsprüfungen nicht vorlagen und Sie haben der Schülerin damit zu Unrecht den Übertritt und Wechsel in die nächste Schulstufe ermöglicht
sowie
2. im Rahmen des Nebentermins der schriftlichen standardisierten Reife- und Diplomprüfung des Schuljahres 2017/18 den der vorgesehenen Stelle nicht namhaftgemachten IT‑Betreuer Prof. Mag. C.D. nach Erhalt des RSa‑Briefes ca. am 7. September 2018 mit dem Herunterladen der Prüfungsaufgaben für die Reife- und Diplomprüfung in ,Angewandte Mathematik [...]‘ (in der Folge: Klausuraufgabe für angewandte Mathematik für humanberufliche Schulen) sowie für die Berufsreifeprüfung in ,Angewandte Mathematik Cluster P/PRP Mathematik‘ (in der Folge: Klausuraufgabe für Mathematik Berufsreifeprüfung) beauftragt und diesem einen für Sie selbst bestimmten Entschlüsselungscode pflichtwidrig mittels WhatsApp‑Nachricht weitergeleitet und durch das Unterlassen des Ihnen jeweils persönlich obliegenden Herunterladens der Klausuraufgaben und der Entschlüsselung der Klausuraufgaben bewirkt, dass den Kandidat/innen im Unterrichtsgegenstand ,Angewandte Mathematik [...]‘ falsche Prüfungsaufgaben, nämlich anstelle der Klausuraufgaben für angewandte Mathematik für humanberufliche Schulen die Klausuraufgaben für Mathematik Berufsreifeprüfung vorgelegt wurden, sodass die betroffenen Schüler/innen die schriftliche Klausurprüfung wiederholen mussten.
Sie haben durch
die unter Z 1 dargestellte Verhaltensweise ohne Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen die Schülerin A.B. entgegen dem § 23 Abs. 1 Schulunterrichtsgesetz (SchUG) am 10. und 11. September 2018 zu Wiederholungsprüfungen antreten lassen und jene Schülerin in die nächst höhere Schulstufe aufsteigen lassen,
sowie
die unter Z 2 dargestellte Verhaltensweise entgegen § 18 der Prüfungsordnung BMHS in Verbindung mit § 37 Abs. 1 und § 56 SchUG sowie dem Durchführungserlass des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung ‑ BMBWF (BMBWF‑9.205/0010‑II/9a/2018) nicht die für die ordnungsgemäße Durchführung der Klausurarbeiten notwendigen Vorkehrungen getroffen.
Bezüglich der Ihnen unter den Z 1und 2 angeführten Verhaltensweisen haben Sie gegen die Ihnen durch § 43 Abs. 1 und 2 sowie § 211 des Beamten‑Dienstrechtsgesetzes 1979 (BDG 1979) auferlegte Verpflichtung, Ihre dienstlichen Aufgaben treu und gewissenhaft zu besorgen sowie in Ihrem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung Ihrer dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt, sowie gegen die Ihnen als Schulleiter gemäß § 56 SchUG auferlegte Verpflichtung für die Einhaltung aller Rechtsvorschriften und schulbehördliche Weisungen zu sorgen, verstoßen.“
3 Über den Revisionswerber wurde hiefür gemäß § 92 Abs. 1 Z 3 BDG 1979 in Verbindung mit den §§ 93 und 126 Abs. 2 BDG 1979 eine Geldstrafe in der Höhe von € 2.500,‑‑ verhängt.
4 Die Disziplinarkommission führte zu dem in Spruchpunkt 1. des Bescheids erhobenen Vorwurf begründend aus, dass die Schülerin aus gesundheitlichen Gründen (ab Mai 2018) für die restliche Dauer des Unterrichtsjahres 2017/18 unter Stundung der Ablegung der Prüfung vom Turnunterricht befreit gewesen sei, weshalb sie am ersten Schultag des Schuljahres 2018/19, nämlich am 10. September 2018, eine Nachtragsprüfung abzulegen gehabt habe, welche die Schülerin jedoch nicht bestanden habe. Die Schwester der Schülerin habe den Revisionswerber anschließend davon überzeugt, dass die für die ursprüngliche Turnbefreiung vorgelegenen gesundheitlichen Probleme auch über die Sommerferien 2018 hinaus und weiterhin gegeben seien, sodass die Schülerin zur Ablegung der Nachtragsprüfung aus gesundheitlichen Gründen gar nicht in der Lage gewesen sei, was später auch fachärztlich bestätigt worden sei und zu einer Befreiung im Wintersemester 2018 geführt habe. Wenngleich der Revisionswerber die Schülerin im unmittelbaren Anschluss an die nicht bestandene Nachtragsprüfung von der Teilnahme am Turnunterricht vorläufig befreit habe, sei dadurch jedoch die negative Beurteilung nicht beseitigt worden. Aufgrund der negativen Nachtragsprüfung sei eine negative Beurteilung in mehr als zwei Pflichtgegenständen vorgelegen, weshalb die Voraussetzungen für den Antritt zu den Wiederholungsprüfungen am 10. und 11. September 2018 gemäß § 23 Abs. 1 letzter Satz SchUG nicht vorgelegen seien. Im Rahmen der Strafbemessung wies die Disziplinarkommission darauf hin, dass diese Dienstpflichtverletzung nicht herangezogen werde, weil dem Revisionswerber zu Gute gehalten werde, in dem Glauben das Richtige im Sinne der Schülerin zu tun, gehandelt zu haben und es eine rechtliche Möglichkeit (Stellung eines Antrags auf Zulassung zu der Wiederholung der Nachtragsprüfung) gegeben hätte, um das herbeigeführte Ergebnis zu erzielen.
5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung insoweit Folge, als es über den Revisionswerber die Disziplinarstrafe des Verweises verhängte. Im Übrigen wies es die Beschwerde ab und erklärte die Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG für nicht zulässig.
6 Das Bundesverwaltungsgericht traf nach Darstellung des Verfahrensganges unter der Überschrift „Feststellungen (Sachverhalt) und Beweiswürdigung“ folgende Feststellungen (Schreibweise im Original):
„1.2.1. Zum Schuldspruch nach Z 1 des bekämpften Bescheides
Festgestellt wird, dass die Schülerin A.B. am 10.09.2018 zum Zeitpunkt der Abnahme der Nachtragsprüfung vom Pflichtgegenstand Bewegung und Sport nicht befreit war.
Diese Feststellung konnte aufgrund der vorliegenden Aktenlage und den Angaben des BF getroffen.
Der BF gibt einerseits an, dass die Schülerin zu diesem Zeitpunkt vom Unterrichtsfach Bewegung und Sport befreit gewesen wäre, gibt jedoch andererseits an, dass er eine mündliche Befreiung erst nach Durchführung der Nachtragsprüfung nach Vorsprache der Schwester der Schülerin ausgesprochen habe. Näheres dazu unter II. Rechtliche Beurteilung.“
7 In rechtlicher Hinsicht erachtete das Bundesverwaltungsgericht zu dem unter Spruchpunkt 1. des Bescheids angelasteten Verhalten, dass die Voraussetzungen zum Antritt der Wiederholungsprüfung gemäß § 23 Abs. 1 letzter Satz SchUG nicht gegeben gewesen seien, weil unter Berücksichtigung des Nichtbestehens der am 10. September 2018 abgelegten Nachtragsprüfung im Pflichtgegenstand Bewegung und Sport mehr als zwei Beurteilungen mit „Nicht genügend“ vorgelegen seien. Es gebe keinen Hinweis auf eine Unrechtmäßigkeit oder Gegenstandslosigkeit der abgelegten Nachtragsprüfung. Die vom Revisionswerber am selben Tag nach der Nachtragsprüfung ausgesprochene Befreiung von diesem Unterrichtsfach wirke nicht in die Vergangenheit (Verweis auf § 11 Abs. 6 SchUG).
8 Zum Vorwurf Spruchpunkt 2. führte das Bundesverwaltungsgericht aus, aus dem für die am ersten Nebentermin am 20. September 2018 an der Schule durchgeführten abschließenden schriftlichen Prüfungen im Gegenstand Mathematik ergangenen Durchführungserlass des Bundesministers zur Vorbereitung und Durchführung der standardisierten Reifeprüfung bzw. Reife- und Diplomprüfungen bzw. Berufsreifeprüfung für das Schuljahr 2017/18 (Durchführungserlass) ergebe sich, dass die Klausuraufgaben elektronisch zu Verfügung gestellt würden. Das Passwort (gültig für das jeweilige Schuljahr) sei dem Revisionswerber vorab in einem Rsa‑Brief zugestellt worden. Die in Datencontainern gesicherten Aufgabenstellungen könnten nur mit dem am Vortag der Prüfung per SMS an den Schulleiter oder an eine von ihm vorweg namhaft gemachte Person zur Verfügung gestellten Code zur Entschlüsselung der Aufgaben geöffnet werden. Der Revisionswerber habe den per SMS erhaltenen Code zur Entschlüsselung und zum Herunterladen der Klausuraufgaben für das Fach „Angewandte Mathematik Berufsreifeprüfung“ an den IT‑Betreuer der Schule mittels WhatsApp‑Nachricht weitergeleitet und diesen mit dem Herunterladen der Klausuraufgaben beauftragt. Den zweiten Entschlüsselungscode zur Entschlüsselung der Klausuraufgaben für das Fach „Angewandte Mathematik für humanberufliche Schulen“, den der Revisionswerber nachweislich per SMS erhalten habe, habe er nicht weitergeleitet. Aus dem Durchführungserlass ergebe sich, dass die elektronische Weitergabe der Aufgabenstellung ausdrücklich untersagt gewesen sei, um das vorzeitige Bekanntwerden der zentral für einen Prüfungstermin bereit gestellten Klausuraufgaben zu vermeiden. Nichts anderes könne für den Entschlüsselungscode gelten, den die für die Öffnung der Aufgabenstellung bestimmten Personen im Vorfeld der zentralen Prüfung erhielten. Die Weiterleitung des Entschlüsselungscodes per WhatsApp sei als elektronische Weiterleitung der Aufgabenstellung zu betrachten. Der Revisionswerber als Schulleiter sei dafür verantwortlich gewesen, dass die Klausurarbeiten ordnungsgemäß heruntergeladen, vervielfältigt und sicher verwahrt werden. Das Vorgehen des Revisionswerbers sei in Anbetracht des Umstandes, dass es sich um einen bedeutenden Vorgang gehandelt habe, von einer gewissen Sorglosigkeit geprägt, zumal etliche Schüler eine für sie nicht vorgesehene Aufgabenstellung bearbeitet hätten.
9 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision. Eine Revisionsbeantwortung wurde in dem vom Verwaltungsgerichtshof durchgeführten Vorverfahren nicht erstattet.
10 Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Zur Zurückweisung der Revision:
11 Gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichts ist die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abweicht, eine solche fehlt, oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs nicht einheitlich beantwortet wird.
12 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist in jeder Lage des Verfahrens zu fassen (§ 34 Abs. 3 VwGG).
13 Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist der Verwaltungsgerichtshof an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts nach § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu prüfen.
14 Weist die angefochtene Entscheidung eines Verwaltungsgerichts mehrere trennbare Spruchpunkte auf, so ist die Zulässigkeit einer dagegen erhobenen Revision getrennt zu prüfen. Solche trennbaren Absprüche liegen auch dann vor, wenn die Spruchpunkte eines (vom Verwaltungsgericht etwa bestätigten) Bescheids als trennbar anzusehen sind (vgl. VwGH 24.1.2019, Ra 2018/09/0137, mwN). Eine Trennbarkeit von Absprüchen ist dann gegeben, wenn jeder Teil für sich allein ohne einen inneren Zusammenhang mit anderen Teilen einem gesonderten Abspruch zugänglich ist (vgl. etwa VwGH 20.1.2021, Ra 2019/09/0137, mwN).
15 Die Spruchpunkte des Bescheids der Disziplinarkommission enthielten hinsichtlich des Schuldspruches zwei voneinander trennbare Absprüche. Ein innerer Zusammenhang zwischen diesen Spruchpunkten im Sinn der dargelegten Rechtsprechung besteht nicht.
16 Hinsichtlich des zweiten Spruchpunkts des vom Verwaltungsgericht bestätigten Bescheids bringt die Revision zu ihrer Zulässigkeit vor, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Auslegung des Durchführungserlasses betreffend „Standardisierte Reifeprüfung bzw. Reife- und Diplomprüfung bzw. Berufsreifeprüfung (SRDP)“ betreffend das Jahr 2018. Es sei unklar, ob eine Weitergabe eines Entschlüsselungscodes mit einer elektronischen Weiterleitung der Prüfung gleichzuhalten sei. Bei Fehlen eines Verbots zur Weitergabe bloß des Entschlüsselungscodes könne auch eine Pflichtwidrigkeit des Revisionswerbers nicht vorliegen. Der Wortlaut des Erlasses schließe nicht aus, dass die Schulleitung eine Person ohne weitere Bekanntgabe zur Weitergabe des Entschlüsselungscodes namhaft machen könne.
17 Mit diesem Vorbringen des Revisionswerbers wird jedoch keine grundsätzliche Rechtsfrage aufgezeigt:
18 Vorweg ist festzuhalten, dass dem Revisionswerber spruchgemäß nicht ein Verstoß gegen die Weisungspflichten gemäß § 44 BDG 1979 zur Last gelegt wurde, sondern ein Verstoß gegen die allgemeinen Dienstpflichten gemäß § 43 Abs. 1 und 2 BDG 1979 und § 211 BDG 1979 sowie gegen die ihm als Schulleiter gemäß § 56 SchUG auferlegte Verpflichtung, für die Einhaltung aller Rechtsvorschriften und schulbehördlichen Weisungen zu sorgen. Das Bundesverwaltungsgericht kam mit nachvollziehbarer Begründung zum Ergebnis, dass das festgestellte Verhalten des Revisionswerbers im Zusammenhang insbesondere mit der Weiterleitung der Entschlüsselungscodes von einer disziplinär relevanten Sorglosigkeit geprägt gewesen sei, wobei es sich unter anderem auch darauf stützte, dass der Revisionswerber den zweiten Entschlüsselungscode gar nicht wahrgenommen und den ersten bereits unmittelbar nach der Weiterleitung an den IT‑Betreuer gelöscht habe. Die Revision wendet sich weder gegen die getroffenen Feststellungen, noch legt sie mit ihrem Zulässigkeitsvorbringen dar, dass diese einzelfallbezogene Beurteilung unvertretbar wäre.
19 Darüber hinaus vermag der Revisionswerber auch nicht aufzuzeigen, dass das Bundesverwaltungsgericht bei der vorgenommenen Auslegung, wonach bei verständiger Würdigung des Durchführungserlasses des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung ‑ BMBWF (BMBWF‑9.205/0010‑II/9a/2018) als generelle Weisung auch die Weiterleitung des Entschlüsselungscodes per Whatsapp oder SMS als untersagte „elektronische Weiterleitung der Aufgabenstellung“ zu betrachten sei, einen Rechtsfehler begangen hätte, der im Sinn der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Rechtssicherheit vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifen gewesen wäre.
20 Die Revision war daher insoweit nach § 34 Abs. 1 und Abs. 3 VwGG wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG mit Beschluss zurückzuweisen.
Zur Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften:
21 Die Revision ist hinsichtlich des Spruchpunktes 1. des vom Bundesverwaltungsgericht bestätigten Bescheids zulässig und begründet, wenn diesbezüglich unter anderem in ihrer Zulässigkeitsbegründung ein Abweichen des angefochtenen Erkenntnisses von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere hinsichtlich der Ermittlungspflicht gerügt wird (Hinweis auf VwGH 26.6.2014, Ro 2014/03/0063).
22 Die hier relevanten Bestimmungen des Schulunterrichtsgesetzes (SchUG), BGBl. Nr. 472/1986, § 11 Abs. 6 in der Fassung BGBl. I Nr. 138/2017, § 20 Abs. 3 in der Fassung BGBl. Nr. 767/1996, § 23 Abs. 1 in der Fassung BGBl. I Nr. 101/2018, lauteten auszugsweise:
„Pflichtgegenstände und verbindliche Übungen
§ 11.
...
(6) Auf Ansuchen des Schülers oder der Schülerin oder von Amts wegen hat der Schulleiter oder die Schulleiterin einen Schüler oder eine Schülerin von der Teilnahme an einzelnen Pflichtgegenständen und verbindlichen Übungen ohne oder mit Auflage von Prüfungen zu befreien, wenn dieser oder diese aus gesundheitlichen Gründen daran nicht teilnehmen kann. Der Schulleiter oder die Schulleiterin kann im Zweifelsfall hiefür die Vorlage eines ärztlichen Zeugnisses verlangen.
...
Leistungsbeurteilung für eine Schulstufe
§ 20.
...
(3) Wenn ein Schüler ohne eigenes Verschulden so viel vom Unterricht versäumt, daß die erfolgreiche Ablegung der Prüfung (Abs. 2) nicht zu erwarten ist, ist sie ihm vom Schulleiter auf mindestens acht, höchstens zwölf Wochen ‑ bei lehrgangsmäßigen Berufsschulen höchstens bis zum Beginn des nächsten der Schulstufe entsprechenden Lehrganges im nächsten Schuljahr ‑ zu stunden (Nachtragsprüfung). Hat der Schüler die Nachtragsprüfung nicht bestanden, ist er auf Antrag innerhalb von zwei Wochen zu einer Wiederholung der Nachtragsprüfung zuzulassen; der Antrag ist spätestens am dritten Tag nach Ablegung dieser Prüfung zu stellen.
...
Wiederholungsprüfung
§ 23. (1) Ein Schüler darf ‑ ausgenommen in der Grundschule sowie in Sonderschulen mit Klassenlehrersystem sowie in der 10. bis 13. Schulstufe von zumindest dreijährigen mittleren und höheren Schulen ‑ in einem Pflichtgegenstand oder in zwei Pflichtgegenständen eine Wiederholungsprüfung ablegen, wenn im Jahreszeugnis
1. der Schüler in Pflichtgegenständen ohne Leistungsgruppen mit ‚Nicht genügend‘ beurteilt worden ist, oder
2. der Schüler in der niedrigsten Leistungsgruppe eingestuft war und mit ‚Nicht genügend‘ beurteilt worden ist, oder
3. der Schüler in der letzten Stufe einer Schulart in einer höheren Leistungsgruppe eingestuft war und mit ‚Nicht genügend‘ beurteilt worden ist;
hiebei darf die Gesamtanzahl der Beurteilungen mit ‚Nicht genügend‘ gemäß Z 1 bis 3 zwei nicht übersteigen.
...“
23 Der Verwaltungsgerichtshof sprach zur Begründungspflicht der Erkenntnisse der Verwaltungsgerichte gemäß § 29 VwGVG bereits wiederholt aus, dass die Begründung jenen Anforderungen zu entsprechen hat, die in seiner Rechtsprechung zu den §§ 58 und 60 AVG entwickelt wurden. Dies erfordert in einem ersten Schritt die eindeutige, eine Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichende und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zugängliche konkrete Feststellung des der Entscheidung zugrunde gelegten Sachverhalts, in einem zweiten Schritt die Angabe jener Gründe, welche die Behörde im Fall des Vorliegens widerstreitender Beweisergebnisse in Ausübung der freien Beweiswürdigung dazu bewog, gerade jenen Sachverhalt festzustellen, und in einem dritten Schritt die Darstellung der rechtlichen Erwägungen, deren Ergebnisse zum Spruch des Bescheides führten. Diesen Erfordernissen werden die Verwaltungsgerichte dann gerecht, wenn sich die ihre Entscheidungen tragenden Überlegungen zum maßgeblichen Sachverhalt, zur Beweiswürdigung sowie zur rechtlichen Beurteilung aus den verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen selbst ergeben (vgl. anstatt vieler VwGH 31.1.2022, Ra 2020/09/0005, mwN). Weiters sprach der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt aus, dass die bloße Zitierung von Beweisergebnissen nicht hinreichend ist, um den Anforderungen an die Begründungspflicht gerecht zu werden. Auch die Darstellung des Verwaltungsgeschehens vermag die fehlende Begründung der Entscheidung eines Verwaltungsgerichts nicht zu ersetzen (vgl. etwa VwGH 1.7.2022, Ra 2019/06/0106, mwN).
24 Diesen Anforderungen genügt das angefochtene Erkenntnis nicht, weil es nicht erkennen lässt, von welchem Sachverhalt das Bundesverwaltungsgericht ausgeht. Das Erkenntnis enthält zum gegenständlichen Faktum ‑ mit Ausnahme der Feststellung, dass die Schülerin am 10. September 2018 zum Zeitpunkt der Abnahme der Nachtragsprüfung vom Pflichtgegenstand Bewegung und Sport nicht befreit war ‑ keine Feststellungen. Aus der rechtlichen Begründung lässt sich ableiten, dass das Bundesverwaltungsgericht von einem Nichtbestehen der Nachtragsprüfung am 10. September 2018 und einem „Nicht genügend“ im Pflichtgegenstand Bewegung und Sport ausgeht. Nach dem Akteninhalt dürfte zum Zeitpunkt der Zulassung der Schülerin zu den Wiederholungsprüfungen am 10. September 2018 allerdings eine komplexe Situation vorgelegen sein. Diese findet jedoch im Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts keinen Niederschlag. Der Verweis auf die Begründung des Bescheids im Rahmen der Darstellung des Verwaltungsgeschehens ist nach der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes unzureichend. Vor diesem Hintergrund entzieht sich das angefochtene Erkenntnis des Verwaltungsgerichts schon mangels näherer Sachverhaltsfeststellungen einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof auf seine inhaltliche Rechtmäßigkeit.
25 Das angefochtene Erkenntnis war daher schon deshalb wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
26 Mit Blick auf das fortgesetzte Verfahren ist darauf hinzuweisen, dass das Bundesverwaltungsgericht insbesondere präzise Feststellungen zu treffen haben wird, ob zum Zeitpunkt der Zulassung zu den Wiederholungsprüfungen bereits festgestanden ist, dass die Schülerin von ihrem Recht auf Wiederholung der Nachtragsprüfung gemäß § 20 Abs. 3 SchUG nicht Gebrauch machen wird und unter diesem Gesichtspunkt eine Beurteilung des Pflichtgegenstandes mit „Nicht genügend“ im Jahreszeugnis überhaupt feststand.
27 Da mit dem Schuldausspruch der Ausspruch über die zu verhängende Strafe und jener über die Verfahrenskosten in untrennbarem Zusammenhang stehen, war das angefochtene Erkenntnis auch in diesem Umfang bereits deshalb aufzuheben (VwGH 28.10.2021, Ra 2021/09/0075 und 0096, mwN).
28 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere § 50 VwGG, in Verbindung mit der VwGH‑Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 29. März 2023
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