Normen
AlVG 1977 §8 Abs2
B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021080021.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis sprach das Bundesverwaltungsgericht im Beschwerdeverfahren aus, dass dem Revisionswerber für den Zeitraum vom 9. April 2019 bis 21. Mai 2019 keine Notstandshilfe gebührt, weil er sich geweigert habe, sich einer ärztlichen Untersuchung zu unterziehen. Dem Revisionswerber seien von der Pensionsversicherungsanstalt (PVA) Termine zur ärztlichen Untersuchung für den 15. Oktober 2018, den 13. Dezember 2018 und den 12. Februar 2019 zugewiesen worden. Die Ladung zum Untersuchungstermin vom 12. Februar 2019 sei dem Revisionswerber mittels RSa‑Brief durch Hinterlegung zugestellt worden. Das hinterlegte Schreiben sei nicht behoben und der PVA retourniert worden. Der Revisionswerber habe im gesamten Verfahren keinen triftigen Grund vorgebracht, aus welchem ihm das Erscheinen zur ärztlichen Untersuchung nicht möglich gewesen sei. In der Beweiswürdigung führte das Bundesverwaltungsgericht aus, dass aus dem Verfahrensakt eindeutig hervorgehe, dass dem Revisionswerber die Zuweisung zum Untersuchungstermin am 12. Februar 2019 mittels RSa‑Schreiben zugestellt worden sei. Der Revisionswerber habe zwar vorgebracht, dass er die Hinterlegungsanzeige nicht erhalten habe, dafür jedoch keine Nachweise erbringen können. Die Revision im Sinne von Art. 133 Abs. 4 B‑VG erklärte das Bundesverwaltungsgericht für unzulässig.
2 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
3 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
4 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
5 Das ‑ mit generellen Ausführungen (Punkt 3.1. und 3.2.) zur Revisionszulässigkeit eingeleitete ‑ Zulässigkeitsvorbringen der Revision stützt das Vorliegen einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung konkret zum einen darauf, dass die unterbliebene persönliche Einvernahme des Revisionswerbers durch das Verwaltungsgericht ein Verfahrensmangel sei (Punkt 3.4. des Zulässigkeitsvorbringens) und zum anderen darauf, dass die Begründung der Beschwerdeabweisung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Vorliegen triftiger Gründe für eine Weigerung, sich einer gemäß § 8 Abs. 2 AlVG angeordneten ärztlichen Untersuchung zu unterziehen, abweiche (Punkt 3.3. des Zulässigkeitsvorbringens).
6 Unter dem Gesichtspunkt eines Verfahrensmangels wird in der Zulässigkeitsbegründung ausgeführt, der ‑ zur Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht (entschuldigt) nicht erschienene ‑ Revisionswerber habe im Verfahren ein Vorbringen zu den von ihm geltend gemachten triftigen Gründen für sein Nichterscheinen beim Untersuchungstermin erstattet. Indem es verabsäumt habe, den Revisionswerber im Rahmen einer fortgesetzten mündlichen Verhandlung persönlich zu diesem Vorbringen einzuvernehmen, habe das Bundesverwaltungsgericht seine Pflicht verletzt, den wahren Sachverhalt durch Aufnahme der nötigen Beweise zu ermitteln.
7 Dass der ‑ in der Beschwerdeverhandlung vor dem Verwaltungsgericht zwar entschuldigt nicht erschienene, jedoch anwaltlich vertretene ‑ Revisionswerber einen auf seine persönliche Einvernahme abzielenden Beweisantrag gestellt hätte, wird in der Revision nicht behauptet und geht auch aus den Akten nicht hervor. Aus dem Akteninhalt ergibt sich zunächst, dass der Revisionswerber in einer Stellungnahme vom 30. Juli 2020 vorbrachte, es sei in der Zeit der Zustellung der Ladung zum Untersuchungstermin vom 12. Februar 2019 „regelmäßig zu Problemen bei der Zustellung gekommen“, was auch im Verfahren über eine gegen ihn angestrengte Räumungsklage thematisiert worden und vom „zuständigen Postboten“ in diesem Verfahren auch „bestätigt“ worden sei. Diesem Vorbringen ist das Verwaltungsgericht im Wege der vom Revisionswerber beantragten Einholung des betreffenden Gerichtsakts nachgegangen und es hat in weiterer Folge im Rahmen der mündlichen Verhandlung dem Vertreter des Revisionswerbers den Umstand vorgehalten, dass sich aus dem eingeholten Gerichtsakt keine Anhaltspunkte für die vom Revisionswerber aufgestellten Behauptungen ergäben (woraufhin der Vertreter des Revisionswerbers nur dessen Vorbringen wiederholte). Ausgehend davon hat das Bundesverwaltungsgericht im angefochtenen Erkenntnis seine einschlägigen Feststellungen (und seine Schlussfolgerung des Fehlens triftiger Gründe für das Fernbleiben von der ärztlichen Untersuchung) darauf gestützt, dass die ‑ in Form des Rückscheins durch öffentliche Urkunde nachgewiesene ‑ Zustellung durch Hinterlegung aus dem Akteninhalt zweifelsfrei hervorgehe, dass für den Nichterhalt der Hinterlegungsanzeige kein Beweis erbracht sei, dass der Behauptung, ein Nachbar entwende regelmäßig Schreiben aus den verschiedenen Postkästen, (aus näher genannten Gründen) nicht gefolgt werden könne, sowie, dass der Revisionswerber auch keine Zeugen namhaft gemacht habe.
8 Die Frage, ob auf Basis eines konkret vorliegenden Standes des Ermittlungsverfahrens ein „ausreichend ermittelter Sachverhalt“ vorliegt, oder ob weitere amtswegige Erhebungen erforderlich sind, stellt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, sondern eine jeweils einzelfallbezogen vorzunehmende Beurteilung dar. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung iSd. Art. 133 Abs. 4 B‑VG liegt in einem solchen Zusammenhang nur dann vor, wenn die Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt wäre (vgl. zB VwGH 25.2.2019, Ra 2019/19/0017; 29.6.2021, Ra 2020/08/0032). Derartiges zeigt das erwähnte Zulässigkeitsvorbringen, das sich mit den diesbezüglich vom Bundesverwaltungsgericht herangezogenen Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens nicht näher auseinandersetzt, nicht auf.
9 Bei der Beurteilung des Vorliegens triftiger Gründe für die Weigerung, sich einer gemäß § 8 Abs. 2 AlVG angeordneten ärztlichen Untersuchung zu unterziehen, handelt es sich um eine von den jeweiligen Umständen abhängige Einzelfallbeurteilung (vgl. VwGH 10.7.2019, Ra 2019/08/0085), die dann, wenn sie in vertretbarer Weise erfolgt, nicht revisibel ist. Soweit das Zulässigkeitsvorbringen in diesem Zusammenhang auf die bereits im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht erfolglos vorgebrachte Behauptung zurückkommt, dass es „regelmäßig zu Problemen bei der Zustellung gekommen“ sei, entfernt sich das Zulässigkeitsvorbringen vom festgestellten Sachverhalt (zum Nichtvorliegen einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung, wenn sich das Zulässigkeitsvorbringen vom festgestellten Sachverhalt entfernt, vgl. zB VwGH 29.1.2020, Ra 2018/08/0245). Dass ‑ ausgehend vom festgestellten Sachverhalt ‑ die Beurteilung des Verwaltungsgerichts unvertretbar gewesen wäre, zeigt das Zulässigkeitsvorbringen hingegen nicht auf.
10 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 22. Juni 2022
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