European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021060075.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
4 Mit Bescheiden des Bürgermeisters des Gemeinde P jeweils vom 6. August 2019 wurde den revisionswerbenden Parteien einerseits aufgetragen, ein näher bezeichnetes, 2004 errichtetes Wirtschaftsgebäude auf dem in ihrem Eigentum stehenden Grundstück in der KG P gemäß § 41 Abs. 3 Steiermärkisches Baugesetz (Stmk. BauG) innerhalb einer festgesetzten Frist zu beseitigen; andererseits wurde ihnen die Benützung dieses Gebäudes gemäß § 38 Abs. 7 Z 1 Stmk. BauG untersagt.
5 Der Gemeinderat der Gemeinde P (Behörde) wies mit Bescheid vom 26. August 2020 die Berufungen der revisionswerbenden Parteien ab.
6 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht Steiermark (LVwG) der Beschwerde hinsichtlich des Beseitigungsauftrages Folge und hob den Bescheid vom 6. August 2019 in diesem Umfang auf; der Beschwerde betreffend die Untersagung der Benützung des Gebäudes wurde hingegen keine Folge gegeben. Eine ordentliche Revision erklärte das LVwG für unzulässig.
Die Aufhebung des Beseitigungsauftrages begründete das LVwG damit, dass das Wirtschafsgebäude abweichend von der Baubewilligung vom 7. Juni 2004 errichtet worden sei und ein rechtliches aliud darstelle. Darüber hinaus stehe es in einem untrennbaren Zusammenhang mit dem westlich situierten Hallenbereich, sodass von einem einheitlichen Bauwerk hinsichtlich des 2004 errichteten Wirtschaftsgebäudes und der 2014 angebauten Halle auszugehen sei. Der Beseitigungsauftrag hätte sich daher nicht nur auf das Wirtschaftsgebäude beziehen dürfen, sondern hätte auch die Halle mitumfassen müssen. Die Prüfbefugnis des LVwG sei jedoch auf die „Sache“ des angefochtenen Bescheides beschränkt, weshalb es dem LVwG verwehrt sei, die Beseitigung einer bisher nicht umfasst gewesenen baulichen Anlage auszusprechen. Der Berufungsbescheid sei daher insofern abzuändern gewesen, als der erstinstanzliche Beseitigungsauftrag aufgehoben werde.
Anschließend begründete das LVwG die Abweisung der Beschwerde gegen das Benützungsverbot.
7 Dagegen richtet sich die vorliegende Revision, in welcher unter der Überschrift „1.2 Berechtigung zur Erhebung“ ausgeführt wird, die revisionswerbenden Parteien seien in ihrem „Recht auf Sachentscheidung bzw. in ihrem Recht auf Zurückverweisung an die belangte Behörde, aufgrund der vorliegenden Voraussetzungen hierfür“ verletzt. Sie seien daher nach Art. 133 Abs. 6 Z 1 B‑VG berechtigt, Revision zu erheben.
8 Zur Frage der rechtmäßigen Ausführung des Revisionspunktes im Sinn des § 28 Abs. 1 Z 4 VwGG kann gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf die Begründung im hg. Beschluss VwGH 1.6.2021, Ro 2020/06/0011 bis 0090, Rn. 12 ff, verwiesen werden.
Im „Recht auf Sachentscheidung “ können die revisionswerbenden Parteien im gegenständlichen Verfahren nicht verletzt werden, weil das LVwG sowohl mit der Aufhebung des Beseitigungsauftrages als auch der Abweisung der Beschwerde gegen das Benützungsverbot ohnehin inhaltliche Entscheidungen traf. Durch die Aufhebung des Beseitigungsauftrages können die revisionswerbenden Parteien auch nicht im „Recht auf Zurückverweisung an die belangte Behörde, aufgrund der vorliegenden Voraussetzungen hierfür“ verletzt werden. In diesem Umfang war die Revision daher schon deshalb gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
9 Darüber hinaus zeigt die Zulässigkeitsbegründung auch keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung auf. Soweit die Revision vorbringt, es gebe keine hg. Judikatur zur Frage der Teilbarkeit eines Bauvorhabens betreffend eine „Fallkonstellation, dass der übrige, angeblich mitumfasste Teil, genehmigt wurde“, wendet sie sich offenbar gegen die Aufhebung des Beseitigungsauftrages mit der Begründung, dass der Auftrag auch den westlich situierten Hallenbereich umfassen hätte müssen. Abgesehen davon, dass keine Bindungswirkung der vorliegenden Entscheidung für ein allfälliges neu eingeleitetes Bauauftragsverfahren hinsichtlich des Gesamtkomplexes bestünde, ist die Revisionswerberin auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage der Trennbarkeit von Bauteilen zu verweisen. Inwiefern das Verwaltungsgericht bei seiner Einzelfallbeurteilung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgegangen wäre, wird in der Revision nicht aufgezeigt (vgl. etwa VwGH 16.9.2020, Ra 2020/06/0128, Rn. 9, mwN). Das LVwG beurteilte die Frage, ob das Wirtschaftsgebäude von der westlich angrenzenden Halle trennbar ist, auf Basis der Ausführungen des Amtssachverständigen DI L und der Aussage des Baumeisters Ing. M. als Zeuge. Dem traten die revisionswerbenden Parteien ‑ den Ausführungen im angefochtenen Erkenntnis zufolge ‑ nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegen. Die Revision zeigt somit nicht auf, dass die Beurteilung des LVwG in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen worden wäre.
In welcher Hinsicht das angefochtene Erkenntnis in Widerspruch zum Gesetzeswortlaut und zu welcher Judikatur betreffend die Zurückverweisung an die Behörde stehen sollte und inwiefern dies im vorliegenden Fall entscheidungsrelevant sein könnte, lässt die Revision offen.
10 In der Revision wird somit auch keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.
Wien, am 7. Juli 2021
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