VwGH Ra 2021/06/0015

VwGHRa 2021/06/00151.3.2021

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler und die Hofrätinnen Mag.a Merl und Mag. Liebhart‑Mutzl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schreiber BA, in der Revisionssache des A D in G, vertreten durch Haßlinger Haßlinger & Planinc, Rechtsanwälte in 8530 Deutschlandsberg, Obere Schmiedgasse 7, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom 28. Oktober 2020, LVwG 50.32‑712/2020‑25, betreffend eine Angelegenheit nach dem Steiermärkischen Baugesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Marktgemeinde Groß St. Florian, vertreten durch Hohenberg Rechtsanwälte GmbH; mitbeteiligte Partei: M S, G, vertreten durch KSKP Rechtsanwälte, Am Eisernen Tor 2/II, 8010 Graz, weitere Partei: Steiermärkische Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Normen

BauG Stmk 1995 §4 Z30
B-VG Art133 Abs4
VwGG §34 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021060015.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Bescheid der belangten Behörde vom 10. Februar 2020 wurde dem Revisionswerber die mit Antrag vom 14. November 2019 begehrte Baubewilligung für die Errichtung zweier näher beschriebener Hochsilos samt einer näher beschriebenen Überdachung auf näher bezeichneten Grundstücken der KG M. unter Vorschreibung von Auflagen erteilt.

2 Gegen diesen Bescheid erhob die Mitbeteiligte als Nachbarin Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Steiermark (LVwG).

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das LVwG dieser Beschwerde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung wegen Verletzung von subjektiv‑öffentlichen Rechten der Mitbeteiligten Folge, hob den Bescheid (lediglich) auf und sprach aus, dass dagegen eine ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei.

4 Begründend führte das LVwG hierzu unter Bezugnahme auf das im Verfahren eingeholte Gutachten eines bautechnischen Amtssachverständigen auf das Wesentliche zusammengefasst aus, bei dem projektierten Bauvorhaben werde der Grenzabstand zur Liegenschaft der Mitbeteiligten nicht eingehalten. Die beiden in Rede stehenden Silos sollten südöstlich eines bestehenden Stallgebäudes als Hochsilos für Futtermittel in Betonbauweise errichtet werden. Einer der beiden neuen Silos solle nördlich, der andere südlich von zwei bereits bestehenden Hochsilos errichtet werden. Die projektierten Silos hätten je einen kreisförmigen Grundriss mit einem Außendurchmesser von 3,20 m und seien, jeweils bezogen auf das angrenzende natürliche Gelände, 5,09 m bzw. 5,90 m hoch. Der minimale Grenzabstand des nördlichen Silos zur gemeinsamen Grundgrenze mit der Mitbeteiligten betrage 2,36 m, jener des südlichen Silos 3,49 m. Die beiden Silos sollten oben offen, also ohne Deckel, ausgebildet werden, sollten jedoch durch die ebenfalls verfahrensgegenständliche Pultdachkonstruktion überdeckt werden. Diese weise eine Dachneigung von 7 auf und solle im Bereich des Stall‑Firsts und der südöstlichen Außenwand des Stalls mit diesem statisch‑konstruktiv verbunden werden. Das Dach trete optisch als abgeschlepptes Dach des bestehenden Stallgebäudes in Erscheinung, der Pultdachfirst sei gleichzeitig der Satteldachfirst des bestehenden Stallgebäudes. Die überdachte Fläche werde im Einreichplan mit 101,8 m² angegeben, wobei das Dach gegenüber der südöstlichen Außenwandfront des bestehenden Stallgebäudes um 4,20 m vorspringe. Die Höhe des Dachsaumes auf der Traufseite werde im Einreichplan, bezogen auf das natürliche Gelände, mit 6,90 m bis 7,84 m angegeben; der minimale Grenzabstand des Pultdaches zur gemeinsamen Grundgrenze der Mitbeteiligten betrage laut Einreichplan 1,17 m. Die Silos seien auf den Seitenflächen umschlossen und wiesen durch die Überdachung mit der Pultdachkonstruktion Gebäudeeigenschaft auf. Auch bei getrennter Betrachtung von Silos und Pultdach sei die Dachkonstruktion als Zubau zum bestehenden Stallgebäude abstandsrelevant, da es sich bei der in Rede stehenden Dachkonstruktion nicht um einen vorspringenden Bauteil gewöhnlichen Ausmaßes im Sinne des § 4 Z 30 Steiermärkisches Baugesetz (Stmk. BauG) handle. Das Dach sei unabdingbare Voraussetzung dafür, die Silos für den projektierten Verwendungszweck als Futtermittelspeicher nutzen zu können.

5 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zu ihrer Zulässigkeit zusammengefasst vorbringt, das LVwG habe sich im Ausspruch über die Zulässigkeit der Revision mit dem bloßen Gesetzeswortlaut begnügt, ohne einen Fallbezug herzustellen. Außerdem habe sich das LVwG unzureichend mit dem vom Revisionswerber vorgelegten Sachverständigengutachten auseinandergesetzt. Da die nach oben offen ausgebildeten Silos keine konstruktive Verbindung mit der darüber liegenden Überdachung aufweisen würden, liege kein Gebäude im Sinne des § 4 Z 29 des Steiermärkischen Baugesetzes (Stmk. BauG) vor. Die Dachkonstruktion stelle ein Schutzdach und somit keinen abstandsrelevanten Bauteil dar.

6 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

9 Der von der Revision unter dem Gesichtspunkt einer grundsätzlichen Rechtsfrage angesprochene Umstand, dass das LVwG seinen Ausspruch über die Unzulässigkeit der Revision nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG lediglich mit der Wiedergabe der verba legalia begründet habe, wirft keine Rechtsfrage von der Qualität des Art. 133 Abs. 4 B‑VG auf, von deren Lösung die Entscheidung über die Revision abhinge. Auch wenn das Verwaltungsgericht nach § 25a Abs. 1 letzter Satz VwGG seinen Ausspruch über die Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG kurz ‑ und in der Regel fallbezogen ‑ zu begründen hat, ist der Verwaltungsgerichtshof entsprechend § 34 Abs. 1a VwGG bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an diesen Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof vielmehr im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. An der gesonderten Darlegung von in § 28 Abs. 3 VwGG geforderten Gründen, aus denen entgegen dem Ausspruch des LVwG die Revision für zulässig erachtet wird, war der Revisionswerber nicht gehindert (vgl. VwGH 29.3.2017, Ra 2015/05/0057, mwN).

10 Wenn der Revisionswerber darüber hinaus eine mangelnde Auseinandersetzung mit dem von ihm vorgelegten Sachverständigengutachten rügt und unter Verweis darauf ausführt, die projektierten Silos wiesen „mangels eigenständiger Überdeckung“ keine Gebäudeeigenschaft im Sinne des § 4 Z 29 Stmk. BauG auf und die Dachkonstruktion stelle ein Schutzdach und somit keinen abstandsrelevanten Bauteil dar, ist dazu Folgendes festzuhalten:

11 Angesichts der Ausführungen des LVwG im angefochtenen Erkenntnis zum Vorliegen eines abstandsrelevanten Bauteiles und zum Vorliegen eines einheitlichen Projektes, denen in der Zulässigkeitsbegründung der Revision nichts Substantielles entgegengesetzt wird, erweist sich die Frage, ob es sich bei den projektierten Silos in Verbindung mit dem projektierten Pultdach um Gebäude im Sinne des § 4 Z 29 Stmk. BauG handelt, gegenständlich als nicht streitentscheidend.

12 Das LVwG hat im angefochtenen Erkenntnis unter Einbeziehung der geplanten Größe des projektierten Pultdaches und der unbestritten gebliebenen Tatsache, dass dieses gegenüber der südöstlichen Außenwandfront des bestehenden Stallgebäudes um 4,20 m vorspringe, rechtlich ausgeführt, es handle sich bei diesem Dach ‑ in Bezug auf den Stall, an dessen Dachfirst dieses konstruktiv befestigt sein soll ‑ nicht um einen vorspringenden Bauteil gewöhnlichen Ausmaßes im Sinne des § 4 Z 30 Stmk. BauG (weshalb das Dach abstandsrelevant sei) und die Überdachung sei unabdingbare Voraussetzung für die dem projektierten Verwendungszweck entsprechende Nutzung der Silos als Futtermittelspeicher.

13 Die Frage, ob ein Bauteil als „vorspringender Bauteil im gewöhnlichen Ausmaß“ im Sinne des § 4 Z 30 Stmk. BauG anzusehen ist oder nicht, ist eine solche des Einzelfalles; eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung läge in diesem Zusammenhang nur vor, wenn diese Beurteilung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen worden wäre (vgl. etwa VwGH 16.9.2020, Ra 2020/06/0128, oder auch 20.4.2020, Ra 2019/06/0028, jeweils zu der auch im Revisionsfall noch anzuwendenden Fassung vor der Novelle LGBl. Nr. 11/2020 und jeweils mwN).

14 Dass sich das LVwG bei seiner Beurteilung von den in der Rechtsprechung hierzu aufgestellten Leitlinien entfernt hätte, zeigt die Revision mit ihrem Zulässigkeitsvorbringen nicht auf.

15 Wenn in der Zulässigkeitsbegründung weiters allgemein vorgebracht wird, die beantragten Silos könnten auch ohne Überdachung genutzt werden, so entfernt sich die Revision damit von der Feststellung des LVwG im angefochtenen Erkenntnis, dass laut Baubewilligungsantrag die Hochsilos als Silos für Futtermittel verwendet werden sollen und das Dach unabdingbare Voraussetzung für den projektierten Verwendungszweck sei. Dass entgegen dem im Baubewilligungsantrag zum Ausdruck gebrachten Bauwerberwillen die in Rede stehenden Silos ‑ in Abänderung des ursprünglichen Antrages ‑ im Verfahren vor dem LVwG nicht mehr als Futtermittelspeicher geplant gewesen seien, bringt die Revision in ihrer Zulässigkeitsbegründung nicht vor.

16 Die Frage, ob angesichts des rechtlichen Ergebnisses des LVwG der Spruch des angefochtenen Erkenntnisses richtig gefasst wurde und sich im Zusammenhang damit für den Revisionsfall eine grundsätzliche Rechtsfrage ergeben könnte, wird in den Zulässigkeitsgründen der Revision nicht angesprochen.

17 In der Revision werden damit insgesamt keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen grundsätzliche Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 1. März 2021

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte