European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021010085.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis erkannte das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) ‑ in der Sache, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung ‑ dem Revisionswerber den Status als subsidiär Schutzberechtigter gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 ab, wies seinen Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung ab, erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei, und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest. Die Revision wurde nicht zugelassen.
2 Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) lehnte mit Beschluss vom 18. Jänner 2021, E 4466‑2020‑5, die Behandlung der dagegen erhobenen Beschwerde ab und trat diese gemäß Art. 144 Abs. 3 B‑VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. Begründend führte der VfGH aus, dass eine von ihm aufzugreifende Verletzung des Art. 3 EMRK nicht vorliege; dem BVwG könne unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten auch nicht entgegengetreten werden, wenn es auf Grund der Umstände des vorliegenden Falles davon ausgehe, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthalts von Fremden ohne Aufenthaltstitel das Interesse am Verbleib im Bundesgebiet aus Gründen des Art. 8 EMRK überwiege.
3 In der Folge erhob der Revisionswerber die gegenständliche außerordentliche Revision.
4 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
7 Das BVwG traf Feststellungen zur Sicherheits- und Versorgungslage in Herat und Mazar-e Sharif und kam zu dem Schluss, dass für den Revisionswerber als jungen, gesunden Mann im erwerbsfähigen Alter in den genannten Städten eine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative offenstehe. Es berücksichtigte dabei aktuelle Länderberichte, die UNHCR-Richtlinien vom 30. August 2018 sowie die aktuellen EASO Country Guidance Notes zu Afghanistan.
8 Auf Grundlage dieser Feststellungen vermag die Revision fallbezogen nicht aufzuzeigen, dass die Beurteilung des BVwG unvertretbar wäre. Es entspricht nämlich der auf vergleichbarer Sachverhaltsgrundlage ergangenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass es einem gesunden Asylwerber im erwerbsfähigen Alter, der eine der Landessprachen Afghanistans beherrsche, mit den kulturellen Gepflogenheiten seines Herkunftsstaates vertraut sei und die Möglichkeit habe, sich durch Gelegenheitstätigkeiten eine Existenzgrundlage zu sichern, die Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative in bestimmten Gebieten Afghanistans zugemutet werden könne, und zwar selbst dann, wenn er nicht in Afghanistan geboren worden sei, dort nie gelebt und keine Angehörigen in Afghanistan habe, sondern im Iran aufgewachsen sei (vgl. etwa VwGH 20.1.2021, Ra 2020/19/0381, mwN). Im Übrigen entfernt sich der Revisionswerber mit dem Vorbringen, dass er in Afghanistan über kein (ihn unterstützendes) familiäres Netzwerk verfüge, vom festgestellten Sachverhalt.
9 Werden Verfahrensmängel als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, so muss auch schon in der Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel dargelegt werden, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können. Die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensfehler ist in konkreter Weise, also fallbezogen darzulegen (vgl. für viele VwGH 27.7.2020, Ra 2020/01/0130, mwN).
10 Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG (vgl. für viele VwGH 18.3.2019, Ra 2019/01/0068, mwN).
11 In der Revision werden vor diesem Hintergrund keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 22. März 2021
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