VwGH Ra 2020/19/0073

VwGHRa 2020/19/007322.5.2020

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zens sowie die Hofräte Mag. Stickler und Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Schara, über die Revision des A A, vertreten durch die Kinberger‑Schuberth‑Fischer Rechtsanwälte‑GmbH in 5700 Zell am See, Salzachtal Bundesstraße 13, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. November 2019, W127 2163031‑1/12E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020190073.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein afghanischer Staatsangehöriger und Angehöriger der Volksgruppe der Hazara, stellte am 17. August 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Zu seinen Fluchtgründen berief er sich auf die schlechte Sicherheitslage in Afghanistan. Sein Vater, der Waren für die Amerikaner transportiert habe, sei von den Taliban getötet worden. Später seien auch vier maskierte Männer zum Hause seiner Familie gekommen.

2 Mit Bescheid vom 8. Juni 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Revisionswerbers zur Gänze ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei, und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei.

4 Begründend führte das BVwG ‑ soweit hier wesentlich ‑ aus, es sei nicht glaubhaft, dass dem Revisionswerber bei der Rückkehr nach Afghanistan Verfolgung drohe. Die Angaben des Revisionswerbers, wonach er und seine Familie von maskierten Männern bedroht worden seien, seien ‑ unter Beachtung näher ausgeführter Ungereimtheiten in seinen Aussagen ‑ nicht glaubwürdig. Es könne auch nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass, wie vom Revisionswerber selbst nur vage angegeben, der Vater des Revisionswerbers wegen des Transportes von Waren für die Amerikaner von den Taliban im Jahr 2011 ermordet worden wäre. Der nunmehr volljährige, junge und gesunde Revisionswerber, der über ein familiäres Netzwerk in mehreren Städten Afghanistans verfüge, könne unter Berücksichtigung der (näher getroffenen) Feststellungen zur Sicherheits‑ und Versorgungslage in Afghanistan in seine Herkunftsstadt Kabul zurückkehren, ohne dass eine Verletzung seiner Rechte nach Art. 2 und 3 EMRK drohe. Alternativ stehe ihm auch eine innerstaatliche Fluchtalternative in den Städten Herat und Mazar‑Sahrif offen. Eine besondere Gefährdung, die dem entgegenstehen könnte, bestehe auch nicht aufgrund der Volksgruppen‑ und Religionszugehörigkeit des Revisionswerbers.

5 Dagegen erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Mit Beschluss vom 21. Jänner 2020, E 4675/2019‑8, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der Beschwerde ab und trat diese dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

6 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

9 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, das BVwG habe eine unvertretbare Beweiswürdigung vorgenommen. Entgegen der Argumentation des BVwG sei die Darstellung des Revisionswerbers schlüssig gewesen. Auch sei dem Umstand, dass der Revisionswerber zu Beginn des Verfahrens noch minderjährig gewesen sei, keine Beachtung geschenkt worden. Richtigerweise wäre davon auszugehen gewesen, dass der Revisionswerber und seine Familie von den Taliban verfolgt würden. Auch drohe dem Revisionswerber bei einer Rückkehr nach Afghanistan eine Verletzung seiner Rechte nach Art. 3 EMRK, zumal er Hazara sei und sein Vater von den Taliban ermordet worden sei.

10 Soweit die Revision sich gegen die Beweiswürdigung wendet, ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach dieser ‑ als Rechtsinstanz ‑ zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen ist. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. VwGH 9.1.2020, Ra 2019/19/0394, mwN). Das BVwG hat sich ‑ nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung ‑ mit dem Fluchtvorbringen des Revisionswerbers auseinandergesetzt und ist in seiner Beweiswürdigung zum Ergebnis gelangt, dass die‑ teilweise unbestimmten und widersprüchlichen ‑ Angaben des Revisionswerbers nicht plausibel seien. Dabei hat das BVwG ‑ entgegen den Ausführungen der Revision ‑ auch berücksichtigt, dass der Revisionswerber zunächst noch minderjährig war. Eine Unvertretbarkeit dieser Beweiswürdigung ergibt sich nicht.

11 Die Revision zeigt auch nicht auf, dass die Beurteilung des BVwG, wonach dem arbeitsfähigen Revisionswerber, der über Schulbildung und ‑ in Österreich erworbene ‑ Berufserfahrung verfüge, im Herkunftsstaat finanzielle Unterstützung von seinen Familienangehörigen erhalten und Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen könne, jedenfalls eine innerstaatliche Fluchtalternative in der Stadt Mazar‑e Sharif in Anspruch nehmen könne, fallbezogen mit einer vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifenden Rechtswidrigkeit belastet wäre (vgl. ebenfalls zu einem schiitischen Hazara etwa VwGH 23.10.2019, Ra 2019/19/0413, mwN). Soweit die Revision in diesem Zusammenhang darauf verweist, dass der Vater des Revisionswerbers von den Taliban ermordet worden sei, entfernt sie sich vom festgestellten Sachverhalt und vermag daher schon deshalb auch insoweit keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung aufzuzeigen (vgl. VwGH 3.9.2019, Ra 2019/01/0325).

12 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Wien, am 22. Mai 2020

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