VwGH Ra 2020/17/0064

VwGHRa 2020/17/006429.3.2023

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Enzenhofer und die Senatspräsidentin Mag. Dr. Zehetner sowie den Hofrat Dr. Terlitza als Richterin und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision des H R in S, vertreten durch Dr. Patrick Ruth und MMag. Daniel Pinzger, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 19. März 2020, LVwG 30.18‑159/2019‑17, betreffend Übertretungen des Glücksspielgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Steiermark), den Beschluss gefasst:

Normen

GSpG 1989 §3
GSpG 1989 §52 Abs1
VStG §25 Abs1
VwGVG 2014 §38
12010E267 AEUV Art267
62009CJ0347 Dickinger und Ömer VORAB
62012CJ0390 Pfleger VORAB
62015CJ0464 Admiral Casinos Entertainment VORAB

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2023:RA2020170064.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die revisionswerbende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis erkannte das Landesverwaltungsgericht Steiermark (Verwaltungsgericht) den Revisionswerber der fünffachen Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 dritter Fall Glücksspielgesetz ‑ GSpG für schuldig (Spruchpunkt I.). Über ihn wurden fünf Geldstrafen in der Höhe von jeweils EUR 3.000,‑‑ (sowie Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt und es wurde dem Revisionswerber ein verminderter Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens auferlegt (Spruchpunkt II.). Weiters sprach das Verwaltungsgericht aus, dass die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei (Spruchpunkt III.).

2 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die außerordentliche Revision, zu der die belangte Behörde im Rahmen des vom Verwaltungsgerichtshof geführten Vorverfahrens eine Revisionsbeantwortung erstattete.

3 Mit Beschluss vom 27. April 2020, Ra 2020/17/0013, hat der Verwaltungsgerichtshof dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gemäß Art. 267 AEUV im Zusammenhang mit dem ‑ auch im vorliegenden Revisionsfall anzuwendenden ‑ § 52 Abs. 2 dritter Strafsatz GSpG stehende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt.

4 In der Folge hat der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 21. September 2020 das Revisionsverfahren bis zur Vorabentscheidung durch den EuGH in der Rechtssache C‑231/20 über die mit Vorlageentscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. April 2020, EU 2020/0002 (Ra 2020/17/0013), vorgelegten Fragen ausgesetzt.

5 Der EuGH hat aufgrund des genannten Vorlagebeschlusses mit Urteil vom 14. Oktober 2021, MT, C‑231/20, über die ihm vorgelegten Fragen entschieden.

6 Die Revision erweist sich als nicht zulässig:

7 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

10 Die Frage, ob die Voraussetzung des Art. 133 Abs. 4 B‑VG ‑ also eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung ‑ vorliegt, ist im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zu beurteilen. Wurde die zu lösende Rechtsfrage mittlerweile durch den Verwaltungsgerichtshof geklärt, liegt keine Rechtsfrage (mehr) vor, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme (vgl. für viele VwGH 26.1.2023, Ro 2020/17/0004, mwN).

11 Zum Zulässigkeitsvorbringen der Revision hinsichtlich des Schuldausspruches ist in Bezug auf die behauptete Unionsrechtswidrigkeit von Bestimmungen des GSpG festzuhalten, dass die Voraussetzungen für eine Vorlagepflicht an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gemäß Art. 267 AEUV geklärt sind. Ebenso sind die Anforderungen an eine Prüfung der Unionsrechtskonformität im Zusammenhang mit einer Monopolregelung im Glücksspielsektor durch die nationalen Gerichte geklärt (vgl. EuGH 15.9.2011, Dickinger und Ömer, C‑347/09, Rn. 83 f; 30.4.2014, Pfleger, C‑390/12, Rn. 47 ff; 30.6.2016, Admiral Casinos & Entertainment AG, C‑464/15, Rn. 31, 35 ff; 28.2.2018, Sporting Odds Ltd., C‑3/17, Rn. 28, 62 ff; sowie 6.9.2018, Gmalieva s.r.o. u.a., C‑79/17, Rn. 22 ff; VfGH 14.12.2022, G 259/2022, Punkt III.4.4; zur ständigen Rechtsprechung des OGH vgl. RIS‑Justiz RS0130636 [insbesondere T7]). Diesen Anforderungen ist der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 16. März 2016, Ro 2015/17/0022, durch die Durchführung der nach der Rechtsprechung des EuGH erforderlichen Gesamtwürdigung nachgekommen. Der Verwaltungsgerichtshof hat an dieser Gesamtwürdigung mit Erkenntnis vom 11. Juli 2018, Ra 2018/17/0048, 0049, mit näherer Begründung festgehalten. Von dieser Rechtsprechung ist das Verwaltungsgericht im Revisionsfall nicht abgewichen. Die angefochtene Entscheidung steht daher nicht im Widerspruch zum Urteil des EuGH vom 30. April 2014, Pfleger, C‑390/12.

12 Ebenso stehen nach den Ausführungen des EuGH in seinem Urteil vom 14. Juni 2017, Online Games Handels GmbH u.a., C‑685/15, die Art. 49 AEUV (Niederlassungsfreiheit) und Art. 56 AEUV (Dienstleistungsfreiheit) im Lichte des Art. 47 GRC einem Verfahrensregime wie dem vor dem Verwaltungsgericht geltenden betreffend die amtswegige Ermittlung der Umstände der vom Gericht entschiedenen Rechtssachen nicht entgegen (vgl. auch EuGH 28.2.2018, Sporting Odds Ltd., C‑3/17, Rn. 55; sowie VwGH 11.7.2018, Ra 2018/17/0048, 0049, Rn. 24 ff, und VfGH 12.6.2018, E 885/2018).

13 Anders als der Revisionswerber vermeint, kann sich das GSpG selbst bei Hinweisen auf das Vorliegen einer expansionistischen Geschäftspolitik der Konzessionäre ‑ etwa durch das Glücksspiel verharmlosende Werbung ‑ nach der Rechtsprechung des EuGH und des Verwaltungsgerichtshofes im Rahmen der Gesamtwürdigung als mit dem Unionsrecht in Einklang stehend erweisen, wenn etwa mit dieser Geschäftspolitik eine Umlenkung von Spielern vom illegalen zum legalen Glücksspiel sichergestellt werden soll (vgl. VwGH 3.2.2022, Ra 2019/17/0100, mwN). Dass das Verwaltungsgericht von dieser Rechtsprechung abgewichen wäre, wird mit dem Zulässigkeitsvorbringen der vorliegenden Revision nicht aufgezeigt.

14 Mit dem weiteren Zulässigkeitsvorbringen, das angefochtene Erkenntnis stehe im Widerspruch zur Rechtsprechung des EuGH vom 12. September 2019, Maksimovic u.a., C‑64/18 u.a., und es fehle dazu an Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, wird ebenso keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt. Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 10. Dezember 2021, Ra 2020/17/0013, unter Zugrundelegung des Urteils des EuGH vom 14. Oktober 2021, MT, C‑231/20, ausgesprochen hat, sind die Rechtsgrundlagen für die Verhängung von Geldstrafen gemäß § 52 Abs. 2 dritter Strafsatz GSpG, für die Verhängung von Ersatzfreiheitsstrafen gemäß § 16 VStG im Zusammenhang mit der Verhängung von Geldstrafen gemäß § 52 Abs. 2 dritter Strafsatz GSpG und für die Vorschreibung eines Beitrages zu den Kosten des Strafverfahrens gemäß § 64 Abs. 2 VStG grundsätzlich mit dem Unionsrecht (insbesondere Art. 56 AEUV und Art. 49 Abs. 3 GRC) vereinbar (vgl. dazu VwGH 7.4.2022, Ra 2019/17/0110, mwN). Dass im Revisionsfall außerordentliche Umstände vorgelegen seien, die zu einer anderen Beurteilung führen müssten, wird in der Revision nicht aufgezeigt und ist auch sonst nicht ersichtlich.

15 Wenn zur Zulässigkeit der Revision weiters vorgebracht wird, das Verwaltungsgericht sei von näher genannter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu Beweisanträgen abgewichen und habe keine Feststellungen zur Beurteilung der behaupteten Unionsrechtswidrigkeit des GSpG getroffen, ist dem entgegenzuhalten, dass das Verwaltungsgericht diesbezügliche Feststellungen getroffen hat. Überdies wird die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensmängel nicht dargelegt.

16 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit überdies vor, es fänden sich im angefochtenen Erkenntnis keine Feststellungen, wonach tatsächlich in der Zeit vom 28. April 2018 bis zum Kontrolltag am 25. Mai 2018 verbotene Ausspielungen unternehmerisch zugänglich gemacht worden wären, weil „[z]um Zeitpunkt der Kontrollhandlung“ das Lokal nicht geöffnet gewesen sei und die inkriminierten Glücksspielapparate nicht an das Stromnetz angeschlossen gewesen seien, sodass von einem Widerspruch zwischen Spruch und Begründung auszugehen sei.

17 Stehen Spruch und Begründung einer Entscheidung zueinander im Widerspruch, erweist sich nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine solche Entscheidung als mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit behaftet, sofern sich der vorliegende Widerspruch nicht als bloß terminologische Abweichung darstellt, deren Wirkung sich im Sprachlichen erschöpft (vgl. VwGH 3.2.2022, Ra 2020/17/0116 bis 0117, mwN).

18 Nach der hg. Rechtsprechung liegt eine Ausspielung iSd § 2 Abs. 1 GSpG mit Glücksspielautomaten nur vor, wenn den Spielern für eine vermögenswerte Leistung eine mittels eines Glücksspielautomaten zu bewirkende vermögenswerte Gegenleistung in Aussicht gestellt wird. Das ist bereits dann der Fall, wenn der Glücksspielautomat in betriebsbereitem Zustand aufgestellt ist oder aus den Umständen hervorgeht, dass jedem potentiellen Interessenten die Inbetriebnahme des Gerätes möglich ist. Eine Betriebsbereitschaft (Spielbereitschaft) wird noch nicht durch jederzeit unmittelbar reversible Maßnahmen beendet. Die konkrete Beurteilung einer Maßnahme als derart reversibel und der sich daraus ergebenden Betriebsbereitschaft hängt von den Umständen des Einzelfalles ab und obliegt dem Verwaltungsgericht. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung läge in diesem Zusammenhang nur dann vor, wenn die Beurteilung durch das Verwaltungsgericht in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Weise vorgenommen worden wäre (vgl. etwa VwGH 9.4.2021, Ra 2020/17/0052, mwN).

19 Eine derartige Fehlbeurteilung ist aber im Revisionsfall nicht ersichtlich. Auch der Umstand, dass die Durchführung von Probespielen während einer glücksspielrechtlichen Kontrolle nicht möglich war, führt noch nicht dazu, dass schon deshalb die Verwirklichung eines objektiven Tatbildes nach § 52 Abs. 1 GSpG zu verneinen wäre, weil das Verwaltungsgericht im Rahmen seiner Verpflichtung zur amtswegigen Wahrheitserforschung auch Zeugenaussagen und andere Beweismittel heranziehen darf (vgl. wiederum VwGH 9.4.2021, Ra 2020/17/0052, mwN).

20 Das Verwaltungsgericht stellte (wenngleich zum Teil disloziert) fest, dass es sich bei allen fünf vorgefundenen Geräten um Glücksspielgeräte handle, die im Rahmen der Kontrolle an das Stromnetz hätten angeschlossen werden können. Nur das Gerät Nr. 1 habe mangels Eingabecodes nicht bespielt werden können. Zum Gerät Nr. 4 seien handschriftliche Aufzeichnungen über die Gewinne seit 28. April 2019 vorgefunden worden. Die Beurteilung des Tatzeitraums durch das Verwaltungsgericht wurde somit weder in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Weise vorgenommen noch liegt ein Widerspruch zwischen Spruch und Begründung vor.

21 Soweit die Revision diesbezüglich auch einen Feststellungsmangel behauptet, fehlt es auch an jeglicher diesbezüglichen Relevanzdarstellung im Zulässigkeitsvorbringen. Werden Verfahrensmängel als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, so muss schon in der Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel dargelegt werden, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können. Die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensfehler ist in konkreter Weise, also fallbezogen darzulegen (vgl. für viele wiederum VwGH 26.1.2023, Ro 2020/17/0004, mwN).

22 In der Revision werden somit insgesamt keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

23 Die Kostenentscheidung gründet auf den §§ 47 ff VwGG, insbesondere § 51 VwGG, in Verbindung mit der VwGH‑Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 29. März 2023

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