Normen
BAO §115 Abs1
BAO §177 Abs1
EStG 1988 §2 Abs3
EStG 1988 §20 Abs1 Z2 lita
EStG 1988 §28
KStG 1988 §8 Abs2
UStG 1994 §10
UStG 1994 §12 Abs10
UStG 1994 §12 Abs2 Z2 lita
UStG 1994 §2 Abs1
UStG 1994 §4 Abs9
32006L0112 Mehrwertsteuersystem-RL Art117 Abs2
32006L0112 Mehrwertsteuersystem-RL Art168a Abs1
61994CJ0230 Renate Enkler VORAB
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020150004.L00
Spruch:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Bei der Revisionswerberin, einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die mit Erklärung über die Errichtung der Gesellschaft vom 14. Februar 2006 von der O Privatstiftung als deren 100 %iger Gesellschafterin gegründet wurde, fand eine den Zeitraum März bis Dezember 2007 betreffende Umsatzsteuerprüfung statt. Der Prüfer stellte fest, die Revisionswerberin habe auf einem in anspruchsvoller Grün- und Hanglage befindlichen Grundstück in der Stadt G ein besonders repräsentatives Einfamilienhaus errichtet. Eine Fläche im Ausmaß von ca. 250 m² des Hauses sei an Nikolaus O, den Stifter der O Privatstiftung und Geschäftsführer der Revisionswerberin, vermietet worden. Die verbleibende Fläche von ca. 60 m² habe die O GmbH, eine weitere Tochter der O Privatstiftung, deren Geschäftsführer ebenfalls Nikolaus O sei, angemietet. Das Vorbringen der Revisionswerberin, bei dem Einfamilienhaus handle es sich grundsätzlich um ein Gebäude mit vier getrennt vermietbaren Wohneinheiten, sei nicht nachvollziehbar, weil schon aufgrund des Einreichplanes und der baubehördlichen Abwicklung von einem Einfamilienhaus auszugehen sei. Der Eindruck eines Einfamilienhauses „(bietend eine im Innenbereich räumlich und architektonisch großzügig angelegte Wohneinheit mit der Besonderheit eines offensichtlich eingeplanten Bürobereichs im Untergeschoß des Gebäudes, im Außenbereich als Besonderheit bietend ein Schwimmbecken im Ausmaß von ca. 12 x 3,5 m und Holzterrassen und Freitreppen in der steilhangigen Außenlage)“ habe sich auch bei der Objektbesichtigung bestätigt. Der Umbau des Einfamilienhauses in drei bis vier getrennt vermietbare Wohneinheiten sei theoretisch möglich, nach den derzeitigen Verhältnissen aber nicht reell. Auch in Bezug auf die erforderlichen Investitionen stelle sich das Objekt als außergewöhnlich dar, zumal die Aufwendungen für den Grund und Boden ca. 550.000 € und jene für das Gebäude zumindest ca. 850.000 € betragen hätten.
2 Das Objekt sei nach Ansicht des Prüfers in mehrerer Hinsicht außergewöhnlich. Es sei davon auszugehen, dass es nach den Wünschen und Vorstellungen von Nikolaus O errichtet worden sei. Im Hinblick darauf wurde vom Prüfer der Standpunkt vertreten, dass die Investitionskosten für dieses Objekt, soweit sie auf den Wohnraum entfielen, der von Nikolaus O privat genutzt werde, Kosten der privaten Lebensführung iSd § 20 EStG 1988 darstellten. Gestaltungen zur Schaffung eines Bestandrechtstitels, die darauf abzielten, solche Kosten in das Erscheinungsbild einer wirtschaftlichen Tätigkeit zu kleiden und damit in abziehbare Kosten umzuwandeln, seien steuerlich unbeachtlich. Daher sei die im Zusammenhang mit der Errichtung des Objektes angefallene Vorsteuer nicht abziehbar.
3 Das Finanzamt folgte dem Prüfer und setzte mit Bescheiden vom 25. März 2008 die Umsatzsteuer für die Zeiträume März bis Dezember 2007 fest, wobei es die auf die in Rede stehende Liegenschaft entfallende Vorsteuer, soweit sie auf die von Nikolaus O genutzten Räumlichkeiten entfiel, außer Ansatz ließ. Gegen diese Bescheide brachte die Revisionswerberin mit Schriftsatz vom 28. April 2008 Berufung ein.
4 Mit Bescheid vom 14. April 2008 setzte das Finanzamt die Umsatzsteuer für den Zeitraum Jänner 2008 ‑ wiederum unter teilweiser Außerachtlassung der auf die Liegenschaft entfallenden Vorsteuer ‑ fest. Die Revisionswerberin berief mit Schriftsatz vom 16. Mai 2008 auch gegen diesen Bescheid.
5 Am 14. Dezember 2009 erließ das Finanzamt Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2007 und 2008, in denen es ‑ unter Hinweis auf die Feststellungen des Prüfers ‑ die im Zusammenhang mit der Liegenschaft stehenden Umsätze und Vorsteuern teilweise außer Ansatz ließ, wogegen die Revisionswerberin mit Schriftsatz vom 18. Jänner 2010 ebenfalls Berufung erhob.
6 In den weitgehend gleichlautenden Berufungen brachte die Revisionswerberin im Wesentlichen vor, ihr Geschäftsgegenstand sei das Objektmanagement für Immobilien, insbesondere die Anschaffung, die Veräußerung, die Vermietung und Verpachtung von immobilem Vermögen jeder Art, die Verwaltung von immobilem Vermögen sowie generell die Verwaltung von Vermögen, ferner die Durchführung baulicher Maßnahmen sowie die Sanierung und Neuerrichtung von Bauwerken aller Art.
7 Im Jahr 2006 habe die Revisionswerberin zwei Wohnungen in K und zwei Liegenschaften in V erworben. Eine weitere Wohnung habe sie im Jahr 2008 angeschafft. Die Liegenschaften in V seien in der Zwischenzeit wieder veräußert worden, die drei Wohnungen würden an Fremde vermietet.
8 Am 21. November 2005 und damit unmittelbar vor Gründung der Revisionswerberin habe die O Privatstiftung ein unbebautes Grundstück in G erworben. Bereits bei Abschluss des Kaufvertrages habe der Plan bestanden, die Liegenschaft durch die noch zu errichtende Revisionswerberin bebauen zu lassen. Aus diesem Grund sei die Revisionswerberin mit Nachtrag zum Kaufvertrag vom 19. Februar 2007 in den Kaufvertrag der O Privatstiftung vom 21. November 2005 eingetreten. Die Revisionswerberin habe zudem ein angrenzendes Grundstück erworben und mit der Errichtung eines Gebäudes begonnen, dessen Planung sie 2006 in Auftrag gegeben habe. Aus einer Bestätigung des Architekturbüros gehe hervor, dass die Entwurfsanforderung in der Schaffung von vier Wohneinheiten samt Parkmöglichkeit auf einer Verteilerebene unter optimaler Ausnutzung des relativ kleinen Grundstücks bestanden habe. Bis Ende 2008 seien Gesamtinvestitionskosten von rund 1,997.000 € angefallen, wovon 565.000 € auf Grund und Boden und 1,432.000 € auf die Baukosten entfielen.
9 Im Sommer 2007 sei eine der vier Wohneinheiten mit einer Nutzfläche von 60 m² an die O GmbH vermietet worden. Das Mietverhältnis habe am 1. Jänner 2008 begonnen und sei auf unbestimmte Zeit abgeschlossen worden. Der wertgesicherte Mietzins habe 12 € je m² zuzüglich Umsatzsteuer und Betriebskosten betragen. Während der Bauphase habe die Revisionswerberin zudem Nikolaus O angeboten, die verbleibenden drei Wohneinheiten mit einer Gesamtnutzfläche von rund 250 m² zu denselben Konditionen ab 1. Jänner 2008 zu mieten. Die Vermietung der Wohnungen erfolge unmöbliert. Der Nettomietzins von 12 € sei marktüblich und führe im Hinblick auf die Gesamtinvestitionskosten zu einer Mietrendite von rund 2,2 % „(= reale Rendite aufgrund der Wertsicherung)“. Die Rendite sei angemessen, nachdem mit Wohnliegenschaften in hochwertiger Lage durchschnittliche Renditen von 2 bis 4 % erzielbar seien. Mit dem Mietobjekt werde, ungeachtet des Umstandes, dass ‑ wegen der beeinträchtigten Nutzungsmöglichkeit durch die noch nicht vollständig fertiggestellte Bauausführung ‑ zu Beginn des Mietverhältnisses eine um 25 % reduzierte Miete vereinbart worden sei, seit Beginn der Vermietung ein steuerpflichtiger Gewinn erzielt.
10 Gegenstand der Revisionswerberin sei die Vermietung von Wohnungen zu Wohnzwecken. Die Errichtung des in Rede stehenden Gebäudes auf einem Steilhang sei nicht außergewöhnlich, weil in G und im Umland von G viele Gebäude in Hanglage errichtet würden. Dass sich dabei die Errichtungskosten erhöhten, liege auf der Hand. Auch die anspruchsvolle architektonische und bauliche Gestaltung mache das Objekt nicht außergewöhnlich, zumal es in G und im Umland von G viele anspruchsvolle Büro‑ und Wohnhäuser gebe, die nicht von den Errichtern genutzt würden. Selbst die Höhe der Investitionskosten sei nicht außergewöhnlich, weil in Zeiten eines erhöhten Wohnbewusstseins auch architektonisch und finanziell anspruchsvolle Häuser als Wohnraum gemietet bzw. vermietet würden. Die Revisionswerberin habe, wie aus den Planunterlagen eindeutig erkennbar sei, ein Objekt mit vier Einheiten in Auftrag gegeben. Das Schwimmbecken im Außenbereich sowie die Holzterrassen und Freitreppen sprächen nicht dagegen, weil diese mehreren Wohnungen zugeteilt werden könnten. Im Übrigen wohne Nikolaus O, der über einen Forstbesitz in K verfüge, nur aus beruflichen Gründen in G. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass er die Räumlichkeiten langfristig mieten werde. Daher habe die Revisionswerberin besonderes Augenmerk darauf gelegt, dass das Objekt ohne übermäßigen Aufwand in bis zu drei gesondert vermietbare Wohneinheiten umgebaut werden könne. Im Ergebnis handle es sich um ein Veranlagungsobjekt, das unter Erwirtschaftung der erzielbaren Rendite vermietet werde. Dass die an Nikolaus O verrechnete Miete fremdüblich sei, werde vom Finanzamt nicht bestritten. Mit der Vermietung der in Rede stehenden Gebäudeteile seien von Beginn an steuerpflichtige Gewinne erzielt worden. Es liege keine rechtliche Gestaltung vor, die darauf abziele, Kosten der privaten Lebensführung in das Erscheinungsbild einer wirtschaftlichen Tätigkeit zu kleiden.
11 Mit Bescheid vom 12. September 2013, Zl. RV/0211‑G/10, wies der unabhängige Finanzsenat die Berufungen als unbegründet ab.
12 Der Verwaltungsgerichtshof gab einer gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates gerichteten Beschwerde mit Erkenntnis vom 10. Februar 2016, 2013/15/0284, statt, hob den Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf und führte aus, im Bereich der Überlassung von Wohngebäuden durch eine Körperschaft an ihre Gesellschafter bzw. an Personen, die den Gesellschaftern nahestehen, seien in rechtlicher Hinsicht mehrere dem Vorsteuerabzug allenfalls entgegenstehende Konstellationen zu unterscheiden. Der Vorgang könne einerseits eine verdeckte Ausschüttung darstellen und gegebenenfalls zum Ausschluss des Vorsteuerabzuges nach § 12 Abs. 2 Z 2 lit. a UStG 1994 führen (vgl. dazu etwa das Erkenntnis vom 23. Februar 2010, 2007/15/0003, VwSlg 8515 F/2010). In diesem Fall komme besondere Bedeutung der Angemessenheit der Miete zu. Der Vorgang könne sich aber andererseits auch als bloße Gebrauchsüberlassung darstellen, die nicht als wirtschaftliche (unternehmerische) Tätigkeit einzustufen sei. Um bei der Überlassung des Gebrauches das Vorliegen einer unternehmerischen Tätigkeit ausschließen zu können, komme entscheidendes Gewicht dem Gesamtbild der Verhältnisse zu. Ein (moderates) Abweichen des tatsächlich vereinbarten vom fremdüblichen Mietentgelt könne daher für sich allein nicht dazu führen, eine Tätigkeit als nichtunternehmerisch einzustufen.
13 Der unabhängige Finanzsenat habe die Frage, ob die streitgegenständliche Vermietung zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen ausgeübt werde und damit überhaupt eine unternehmerische Tätigkeit darstelle, lediglich anhand der Angemessenheit der Miete und nicht anhand des Gesamtbilds der Verhältnisse beurteilt und schon damit die Rechtslage verkannt. Abgesehen davon wäre eine abstrakte Renditeberechnung nur dann gerechtfertigt, wenn es für das von der Revisionswerberin errichtete Mietobjekt keinen funktionierenden Mietenmarkt gäbe, was von der Revisionswerberin im Verwaltungsverfahren bestritten worden sei. Wenn der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 23. Februar 2010, 2007/15/0003, VwSlg. 8515/F, auf die Renditeerwartung eines „marktüblich agierenden Immobilieninvestors“ als Vergleichsmaßstab abgestellt habe, dann sei damit jene Rendite gemeint gewesen, die üblicherweise aus dem eingesetzten Kapital durch Vermietung erzielt werde.
14 Im fortgesetzten Verfahren hob das zwischenzeitig zuständig gewordene Bundesfinanzgericht die Umsatzsteuerbescheide 2007 und 2008 ‑ unter Zurückverweisung der Sache an das Finanzamt ‑ mit der Begründung auf, die Ermittlungen des Finanzamts hätten nicht ausgereicht, um festzustellen, ob für Mietobjekte der gegenständlichen Art ein funktionierender Mietenmarkt bestehe, und in welchem Ausmaß der tatsächliche Mietzins von einer angemessenen Miete abweiche.
15 Das Finanzamt führte Erhebungen durch und erließ sodann Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2007 und 2008, in welchen es die auf die Liegenschaft entfallende Vorsteuer, soweit sie auf die von Nikolaus O zu Wohnzwecken genutzten Räumlichkeiten entfiel, wiederum außer Ansatz ließ.
16 Der Revisionswerberin sei es ‑ so das Finanzamt ‑ nicht gelungen, einen funktionierenden Mietenmarkt für Einfamilienhäuser dieser Exklusivität nachzuweisen und auch die Renditeberechnung ergebe eine signifikante Abweichung zur tatsächlich gezahlten Miete. Dem von der Revisionswerberin vorgelegten Gutachten zum funktionierenden Mietenmarkt seien keine Objekte zu entnehmen, die mit dem von der Revisionswerberin errichteten Objekt nach Bauart und Ausstattung vergleichbar wären.
17 Für das Objekt der Revisionswerberin werde ein Renditezinssatz von 5 % angesetzt, der sich innerhalb der vom Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 10. Februar 2016, 2013/15/0284, angeführten Bandbreite bewege. Bei Gesamtinvestitionskosten von 1,687.933 € errechne sich daher eine angemessene monatliche Miete von rund 7.900 €. Die tatsächlich gezahlte Miete von 3.000 € erreiche lediglich 38 % der Renditemiete.
18 Die Revisionswerberin brachte gegen die im fortgesetzten Verfahren ergangenen Umsatzsteuerbescheide 2007 und 2008 Beschwerde ein, in der sie u.a. rügte, dass der von ihr im Jahr 2017 erstmals abverlangte Nachweis eines funktionierenden Mietenmarktes unzumutbar sei.
19 Mit dem hier angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht der Beschwerde gegen die im fortgesetzten Verfahren ergangenen Umsatzsteuerbescheide 2007 und 2008 keine Folge.
20 Das Bundesfinanzgericht ging ‑ wie zuvor das Finanzamt ‑ davon aus, dass die Revisionswerberin den Nachweis dafür, dass es für das von ihr errichtete Wohnhaus einen funktionierenden Mietenmarkt gebe, nicht erbracht habe.
21 Dem Beschwerdevorbringen, der Revisionswerberin sei der Nachweis für das Vorliegen eines funktionierenden Mietmarktes nicht zumutbar, hielt das Bundesfinanzgericht die diesbezüglichen Ausführungen im Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. März 2018, Ra 2017/15/0047, entgegen.
22 Vergleiche man das vereinbarte Nutzungsentgelt von (jährlich) 36.000 € mit einem bei einer angemessenen Rendite anzunehmenden Mietzins, ergebe sich unter Zugrundelegung eines nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes im Allgemeinen anzuwendenden Renditezinssatzes von 3 bis 5 %, dass das tatsächlich vereinbarte Mietentgelt im Beschwerdefall zwischen 59 % (Renditezinssatz 5 %) und 31 % (Renditezinssatz 3 %) unter dem angemessenen Mietentgelt liege, das sich bei einem Renditezinssatz von 5 % auf 87.585,87 €, bei einem Renditezinssatz von 4 % auf 70.068,69 € und bei einem Renditezinssatz von 3 % auf 52.551,52 € (jeweils pro Jahr) belaufe. Ein nur moderates Abweichen der tatsächlich vereinbarten Miete von der Renditemiete könne darin nicht erkannt werden. Soweit die Revisionswerberin dazu unter Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. Juni 2018, Ra 2017/15/0019, vorgebracht habe, dass die Vorsteuerausschlussbestimmung des § 12 Abs. 2 Z 2 lit. a UStG 1994 nur anwendbar sei, wenn die tatsächlich vereinbarte Miete um mehr als die Hälfte unter der Renditemiete liege, sei ihr entgegenzuhalten, dass die Aussagen dieses Erkenntnisses eine andere rechtliche Kategorie beträfen, weil das betroffene Gebäude (ein Schulgebäude) nicht als „für die private Nutzung durch den Gesellschafter bestimmt“ beurteilt worden sei.
23 Zur mehrfach behaupteten Möglichkeit der Teilung in vier selbständige Wohneinheiten, sei festzustellen, dass laut „Hauptmietvertrag“ das „Einfamilienhaus“ als solches mietgegenständlich sei. Dass die Revisionswerberin nun ‑ wie dies in der mündlichen Verhandlung behauptet worden sei ‑ viele Jahre später im Nachhinein das Obergeschoss abgetrennt (Kosten: 30.000 €) und anderweitig vermietet habe (die Identität des Mieters sei in der mündlichen Verhandlung nicht offengelegt worden), sei rückwirkend für die Streitjahre nicht von Belang.
24 Eine Revision erklärte das Bundesfinanzgericht für nicht zulässig.
25 Die gegen dieses Erkenntnis gerichtete außerordentliche Revision trägt zu ihrer Zulässigkeit u.a. vor, es fehle Rechtsprechung zur Frage, ob die im angefochtenen Erkenntnis vorgenommene Rechtsauslegung zum Vorsteuerabzug aus den Investitionskosten von zu Wohnzwecken des Gesellschafters vermieteten Immobilien mit dem Unionsrecht vereinbar sei. Auch hinsichtlich der Frage, welche Nachweispflichten einen Steuerpflichtigen träfen, fehle es an einschlägiger Rechtsprechung. In der Revision wird zur Zulässigkeit zudem vorgebracht, das angefochtene Erkenntnis stehe in Widerspruch zur Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, weil das Bundesfinanzgericht davon ausgehe, dass ein mehr als nur moderates Abweichen der tatsächlich vereinbarten Miete von der fremdüblichen Renditemiete zum Vorliegen einer verdeckten Ausschüttung an der Wurzel und zur Anwendung des Vorsteuerausschlusses nach § 12 Abs. 2 Z 2 lit. a UStG 1994 führe. Zur Frage, welche Liegenschaftszinssätze am Markt erzielbar sind, führt die Revision für die Jahre 2007 und 2016 folgende Auflistung an:
Liegenschaftsart | Lage | |||
hochwertig | sehr gut | gut | mäßig | |
Wohnliegenschaft | 2,0-4,0% | 2,5-4,5% | 3,0-5,0% | 3,5-5,5% |
Büroliegenschaft | 3,5-5,5% | 4,0-6,0% | 4,5-6,5% | 5,0-7,0% |
Geschäftsliegenschaft | 4,0-6,0% | 4,5-6,5% | 5,0-7,0% | 5,5-7,5% |
Einkaufszentrum, Supermarkt | 4,5-7,5% | 5,0-8,0% | 5,5-8,5% | 6,0-9,0% |
Gewerblich genutzte Liegenschaft | 5,5-8,5% | 6,0-9,0% | 6,5-9,5% | 7,0-10,0% |
Industrieliegenschaft | 5,5-9,5% | 6,0-10,0% | 6,5-10,5% | 7,0-11,0% |
Land- und forstw. Liegenschaften | 2,0 bis 4,0% | |||
Quelle: Der Sachverständige Heft 2/2007 | ||||
Liegenschaftsart | Lage | |||
hochwertig | sehr gut | gut | mäßig | |
Wohnliegenschaft | 1,0-3,0% | 2,0-4,0% | 3,0-5,0% | 3,5-5,5% |
Büroliegenschaft | 3,0-5,5% | 4,0-6,0% | 4,5-6,5% | 5,0-7,0% |
Geschäftsliegenschaft | 4,0-6,0% | 4,5-6,5% | 5,0-7,0% | 5,5-7,5% |
Einkaufszentrum, Supermarkt | 4,5-7,5% | 5,0-8,0% | 5,5-8,5% | 6,0-9,0% |
Gewerblich genutzte Liegenschaft | 5,5-8,5% | 6,0-9,0% | 6,5-9,5% | 7,0-10,0% |
Industrieliegenschaft | 5,5-9,5% | 6,0-10,0% | 6,5-10,5% | 7,0-11,0% |
Land- und forstw. Liegenschaften | 1,5 bis 4,0% | |||
Quelle: Der Sachverständige Heft 2/2016 | ||||
26 Das Finanzamt hat ‑ nach Einleitung des Vorverfahrens ‑ eine Revisionsbeantwortung erstattet.
27 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
28 Die Revision ist zulässig und begründet.
29 A. Die dem persönlichen Wohnbedürfnis eines Steuerpflichtigen dienende eigene Wohnung gehört zum Kernbereich der persönlichen Lebensführung (vgl. VwGH 27.1.2011, 2010/15/0197). Die Anschaffung oder Herstellung einer Wohnimmobilie zur Befriedigung des eigenen Wohnbedarfs erfüllt weder einen Einkunftstatbestand iSd EStG 1988 noch stellt sie eine unternehmerische Tätigkeit iSd UStG 1994 dar. Eine Person kann ihren Wohnbedarf auch dadurch befriedigen, dass sie die Wohnimmobilie durch eine in ihrem Einflussbereich stehende Körperschaft (GmbH, Privatstiftung etc.) anschaffen oder herstellen und sich sodann von dieser Körperschaft das Recht auf Nutzung der Wohnimmobilie einräumen lässt. In einem solchen Fall ist zu prüfen, ob die Körperschaft mit der Nutzungsüberlassung als Unternehmerin zur Erzielung von Einnahmen tätig wird oder ob die Nutzungsüberlassung erfolgt, um der nahestehenden Person (Gesellschafter, Stifter etc.) causa societatis Vorteile zuzuwenden. Dabei kann das causa societatis veranlasste Verhalten der Körperschaft auch im Kleide einer unternehmerischen Tätigkeit auftreten, weil die Geltendmachung der aus der Anschaffung bzw. Herstellung resultierenden Vorsteuern (durch Nutzungsüberlassung für den sich aus § 12 Abs. 10 UStG 1994 ergebenden Zeitraum zu der gemäß § 10 UStG 1994 ‑ auf Basis der Ermächtigung nach Art. 117 Abs. 2 MwSt‑RL 2006/112/EG ‑ ermäßigten Umsatzsteuer aus den Wohnungsmieten) angestrebt wird.
30 B.1. Die Einräumung der laufenden Nutzung an einer Wohnimmobilie durch eine Körperschaft an ihr nahestehende Personen kann zunächst eine bloße Gebrauchsüberlassung darstellen, die keine unternehmerische Betätigung iSd UStG 1994 begründet (vgl. VwGH 24.6.1999, 96/15/0098; und 10.2.2016, 2013/15/0284). Erfolgt die Überlassung der Nutzung einer Wohnimmobilie an die nahestehende Person nicht deshalb, um Einnahmen zu erzielen, sondern um ihr einen Vorteil zuzuwenden (Zuwendung an den Gesellschafter bzw. aus der Stiftung), so fehlt es an einer wirtschaftlichen Tätigkeit (vgl. VwGH 16.5.2007, 2005/14/0083). Anhaltspunkte für die erforderliche Abgrenzung zwischen wirtschaftlichen und nicht wirtschaftlichen Tätigkeiten finden sich im Urteil des EuGH vom 26. September 1996, Enkler, C‑230/94, Rn 24 ff, insbesondere Rn 28. Demnach kommt es unter Bedachtnahme auf alle Besonderheiten des Einzelfalles entscheidend darauf an, ob die Nutzungsüberlassung unter Umständen erfolgt, unter denen die entsprechende wirtschaftliche Tätigkeit für gewöhnlich ausgeübt wird (vgl. VwGH 7.7.2011, 2007/15/0255).
31 B.2. Liegt das Bild einer wirtschaftlichen (unternehmerischen) Tätigkeit (und keine bloße Gebrauchsüberlassung) der Körperschaft vor, ist im Bereich der Überlassung von Wohnimmobilien durch eine Körperschaft an nahestehende Personen gesondert zu prüfen, ob der Vorgang eine verdeckte Ausschüttung darstellt (§ 8 Abs. 2 KStG 1988), was gegebenenfalls zum Ausschluss des Vorsteuerabzuges nach § 12 Abs. 2 Z 2 lit. a UStG 1994 führen kann (vgl. VwGH 23.2.2010, 2007/15/0003; vgl. zur gleichen Rechtslage bereits im UStG 1972 Kranich/Siegl/Waba, Kommentar zur MwSt [Stand März 1978], § 12 Anm. 106b; Doralt/Ruppe, Steuerrecht I5 [1994], 415). Gemäß § 12 Abs. 2 Z 2 lit. a UStG 1994 gelten „Lieferungen, sonstige Leistungen oder Einfuhren, deren Entgelte überwiegend keine abzugsfähigen Ausgaben (Aufwendungen) im Sinne der [...] §§ 8 Abs. 2 und 12 Abs. 1 Z 1 bis 5 des Körperschaftsteuergesetzes 1988 sind“, nämlich nicht als für das Unternehmen ausgeführt. Das entscheidende Merkmal einer verdeckten Ausschüttung iSd § 8 Abs. 2 KStG 1988 ist die Zuwendung von Vermögensvorteilen, die ihrer äußeren Erscheinungsform nach nicht unmittelbar als Einkommensverwendung erkennbar sind und ihre Ursache in den gesellschaftsrechtlichen Beziehungen haben, was an Hand eines Fremdvergleiches zu ermitteln ist (vgl. VwGH 31.1.2018, Ra 2015/15/0006), wobei auch darauf Bedacht zu nehmen ist, wie ein gewissenhafter, nur auf die Interessen der Körperschaft Bedacht nehmender Geschäftsleiter gehandelt hätte. Die Annahme einer verdeckten Ausschüttung ist allerdings ausgeschlossen, wenn die Errichtung des Gebäudes mit anschließender Nutzungsüberlassung einem Fremdvergleich standhält.
32 C.1. Wie der Verwaltungsgerichtshof etwa in den Erkenntnissen vom 19. März 2013, 2009/15/0215, und vom 27. Juni 2018, Ra 2017/15/0019, ausgeführt hat, ist bei von der Körperschaft nicht fremdüblich den Gesellschaftern (Stiftern) zur Nutzung überlassenen Wohnimmobilien im Rahmen der verdeckten Ausschüttung zu unterscheiden zwischen jederzeit im betrieblichen Geschehen (z.B. durch Vermietung an fremde Personen) einsetzbaren Gebäuden („klassische“ verdeckte Ausschüttung) und solchen Wohngebäuden, die schon ihrer Erscheinung nach (etwa besonders repräsentative Wohngebäude) bloß für die private Nutzung durch den Gesellschafter bestimmt sind (verdeckte Ausschüttung „an der Wurzel“). In Bezug auf den zweitgenannten Fall ist entscheidend, dass Wirtschaftsgüter einer Körperschaft, deren Anschaffung oder Herstellung rein causa societatis veranlasst ist, von vorneherein nicht zum steuerlichen Betriebsvermögen der Körperschaft zählen (vgl. ausführlich VwGH 26.3.2007, 2005/14/0091; sowie 16.5.2007, 2005/14/0083). Solche Wirtschaftsgüter einer Körperschaft, deren Anschaffung allein gesellschaftsrechtlich veranlasst ist und die ein sorgfältiger, nur auf die wirtschaftlichen Interessen der Körperschaft bedachter Geschäftsleiter gar nicht angeschafft hätte, bilden (hinsichtlich der laufenden Besteuerung) steuerneutrales Vermögen der Körperschaft (vgl. Wiesner/Schneider/Spanbauer/Kohler, KStG, Wien 1996, S 134; VwGH 24.6.2004, 2001/15/0002). Erreicht die tatsächliche Miete bei der Überlassung solcher nicht dem steuerlichen Betriebsvermögen zuzuordnender Gebäude nicht eine (nahezu) fremdübliche Höhe (die Hälfte einer fremdüblichen Miete wäre hier nicht ausreichend), wird eine mit der Vermietung in Zusammenhang stehende Vorleistung vom Vermieter zur Gänze für verdeckte Ausschüttungen iSd § 8 Abs. 2 KStG 1988 bezogen und tritt damit der Vorsteuerausschluss des § 12 Abs. 2 Z 2 lit. a UStG 1994 ein (vgl. VwGH 20.6.2000, 98/15/0169, mit Bezugnahme auf Bauer/Quantschnigg/Schellmann/Werilly, KStG, § 8 Tz 66). Zur Darlegung der unionsrechtlichen Deckung dieses Vorsteuerausschlusses wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. März 2007, 2005/14/0091, verwiesen. Ergänzend ist allerdings zu bemerken, dass seit Inkrafttreten von Art. 168a Abs. 1 MwSt‑RL 2006/112/EG zusätzlich auch diese Richtlinienbestimmung eine unionsrechtliche Deckung und Verpflichtung für den Vorsteuerausschluss beinhaltet, zumal der Bereich der verdeckten Ausschüttung umsatzsteuerlich als Verwendung für unternehmensfremde Zwecke gilt (vgl. hierzu Korn, ÖStZ 2009, 262 (263), und VwGH 24.6.2009, 2007/15/0192). Nach dieser Richtlinienbestimmung darf sogar bei einem Grundstück, das sowohl für unternehmerische Zwecke als auch für unternehmensfremde Zwecke verwendet wird, höchstens der Teil der Mehrwertsteuer als Vorsteuer abgezogen werden, der auf die Verwendung des Grundstücks für unternehmerische Zwecke des Steuerpflichtigen entfällt.
33 C.2. Für den Fall der „klassischen“ verdeckten Ausschüttung durch Nutzungsüberlassung gilt: Wird ein (jederzeit im betrieblichen Geschehen einsetzbares) Wohngebäude zwar dem Gesellschafter vermietet, aber erfolgt dies zu einem unangemessen niedrigen Mietzins, spricht dies nicht gegen dessen Zugehörigkeit zum steuerlichen Betriebsvermögen, sondern führt ‑ bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen einer verdeckten Ausschüttung ‑ körperschaftsteuerlich zum Ansatz fremdüblicher Betriebseinnahmen (Mieterträge) der Kapitalgesellschaft. Beträgt die tatsächliche Miete weniger als die Hälfte der fremdüblichen Miete, wird eine mit der Vermietung in Zusammenhang stehende Vorleistung vom Vermieter „überwiegend“ für verdeckte Ausschüttungen bezogen und tritt damit der Vorsteuerausschluss des § 12 Abs. 2 Z 2 lit. a UStG 1994 ein (vgl. VwGH 23.2.2010, 2007/15/0003; VwGH 27.6.2018, Ra 2017/15/0019; Ruppe/Achatz, UStG5 § 12 Rz 175).
34 Entscheidend für die Berechtigung zum Vorsteuerabzug bei einer „klassischen“ verdeckten Ausschüttung ist somit, in welchem Ausmaß (überwiegend oder nicht überwiegend) die vereinbarte Miete von der als angemessen erachteten Miete abweicht.
35 D.1. Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 23. Februar 2010, 2007/15/0003, ausgesprochen, dass die Höhe der angemessenen Miete daraus abzuleiten ist, „was unter einander fremd gegenüberstehenden Personen vereinbart worden wäre, und damit insbesondere auch daraus, was ein Investor als Rendite aus der Investition der konkret aufgewendeten Geldsumme erwartet“. Im Erkenntnis vom 10. Februar 2016, 2013/15/0284, hat der Verwaltungsgerichtshof unter Bezugnahme auf das Erkenntnis 2007/15/0003 klargestellt, dass mit der Renditeerwartung eines „marktüblich agierenden Immobilieninvestors“ jene Rendite gemeint ist, „die üblicherweise aus dem eingesetzten Kapital durch Vermietung erzielt wird“. Maßgeblich ist demnach jener Renditesatz der sich bei Veranlagung des Gesamtbetrages der Anschaffungs- und Herstellungskosten in gut rentierliche Immobilien (also in Immobilien von jener Art, die eine hohe Rendite erwarten lassen) ergibt, wobei nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes im Allgemeinen ein Renditesatz in der Bandbreite von 3 bis 5 % (hier gemeint als Verhältnis von Jahresmieterlösen zum Betrag des investierten Kapitals) zu erzielen sein müsste (vgl. auch VwGH 15.9.2016, 2013/15/0256). Im Folgenden wird der solcherart ermittelte Betrag als Renditemiete bezeichnet.
36 D.2. Eine solche abstrakte Renditeberechnung (in Form von Jahresmieteinnahmen in Höhe von 3 bis 5 % der Anschaffungs- und Herstellungskosten der gesamten vom Gesellschafter für Wohnzwecke benutzten Immobilie) wäre allerdings nach der Rechtsprechung dann nicht geboten, wenn es für das von der Körperschaft errichtete Mietobjekt in der gegebenen Bauart und Ausstattung einen funktionierenden Mietenmarkt gäbe. Ein funktionierender Mietenmarkt in diesem Sinne ist, wie der Verwaltungsgerichtshof etwa im Erkenntnis vom 15. September 2016, 2013/15/0256, zu Recht erkannt hat, allerdings nur dann als gegeben anzunehmen, wenn ein wirtschaftlich agierender und nur am Mietertrag interessierter Investor Objekte vergleichbarer Gediegenheit und Exklusivität (mit vergleichbaren Kosten) errichten und am Markt gewinnbringend vermieten würde (was vom Steuerpflichtigen nachzuweisen ist, vgl. etwa VwGH 22.3.2018, Ra 2017/15/0047).
37 Mit der Renditeerwartung eines „wirtschaftlich agierenden Immobilieninvestors“ wird somit auf jene Mieteinnahmen abgestellt, die ein gewissenhafter, auf die Interessen der Körperschaft bedachter Geschäftsleiter aus dem eingesetzten Kapital durch Vermietung ‑ im Wege des Investments in gut rentierliche Immobilien ‑ erzielen kann (vgl. VwGH 10.2.2016, 2013/15/0284). Dadurch ist ein Maßstab gefunden, um prüfen zu können, ob das Immobilieninvestment der Körperschaft primär den ihr nahestehenden Personen (Gesellschaftern, Stiftern) dienen soll oder auf die wirtschaftliche Tätigkeit der Erzielung von Mieteinnahmen ausgerichtet ist. Die Vorgangsweise kann dann als durch die Erzielung von Mieteinnahmen veranlasst angesehen werden, wenn die von der Körperschaft tatsächlich erzielten Mieten jene Höhe erreichen, die sich im Falle der Investition des vorgegebenen Kapitals in Immobilien jener Art, die erfahrungsgemäß gute Renditen erwarten lassen (z.B. kleinere Wohnungen im urbanen Bereich), ergeben würden. Ein funktionierender Mietenmarkt im Sinne der Rechtsprechung wird also im Ergebnis nur vorliegen, wenn der Nachweis erbracht ist, dass das konkrete Wohnobjekt der Körperschaft Mietrenditen erbringt, wie sie bei solchen gut rentierlichen Objekten erzielbar sind.
38 E. Aus der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ergibt sich somit, dass es im Zusammenhang mit der Nutzungsüberlassung an eine der Körperschaft nahestehende Person in drei Fällen zu einer Versagung des Vorsteuerabzuges kommen kann. Beim ersten Fall handelt es sich um die bloße Gebrauchsüberlassung, bei der keine unternehmerische Betätigung vorliegt. Der zweite Fall erfasst die (nicht fremdübliche) Nutzungsüberlassung an besonders repräsentativen Wohngebäuden, welche schon ihrer Erscheinung nach bloß für die private Nutzung durch den Gesellschafter bestimmt sind. Der dritte Fall betrifft die Vermietung von im betrieblichen Geschehen einsetzbaren Gebäuden um weniger als 50 % der Renditemiete. In den letzten beiden Fällen ordnet § 12 Abs. 2 Z 2 lit. a UStG 1994 den Vorsteuerausschluss an.
39 F. Für die „klassische“ verdeckte Ausschüttung und auch für jene an der Wurzel gilt im Übrigen: Kommt es zum Vorsteuerausschluss gemäß § 12 Abs. 2 Z 2 lit. a UStG 1994, unterliegt die Vermietungstätigkeit nicht der Umsatzsteuer (vgl. VwGH 27.6.2018, Ra 2017/15/0019), sodass auch die Anwendung der Normalwertregelung des § 4 Abs. 9 UStG 1994 in der ab 2016 geltenden Fassung des Steuerreformgesetzes 2015/16, BGBl. I Nr. 118/2015, ausscheidet. Soweit die Wohnimmobilie im Rahmen einer „klassischen verdeckten Ausschüttung“ nicht dem Vorsteuerausschluss nach § 12 Abs. 2 Z 2 lit. a UStG 1994 unterliegt, ist (ab 2016) die zu niedrige Miete auf die Renditemiete als Normalwert anzuheben. Da ein sorgfältiger Geschäftsleiter bei Verwendung eines bestimmten Kapitalbetrages zur Erzielung von Mieteinnahmen in gut rentierliche Immobilien investieren würde, muss ein (in Fällen der hier gegenständlichen Art der Gesellschaft nahestehender) Mietinteressent bereit sein, die Renditemiete zu zahlen, damit sich die Gesellschaft zu einem solchen (für sie ansonsten nachteiligen) Investment bereit erklärt.
40 G.1. Im gegenständlichen Fall hat die revisionswerbende GmbH, deren 100 %ige Gesellschafterin die O Privatstiftung ist, ein Einfamilienhaus errichtet und (zum weitaus überwiegenden Teil) an ihren Geschäftsführer Nikolaus O vermietet, der gleichzeitig Stifter der O Privatstiftung ist. Das Finanzamt und das Bundesfinanzgericht gingen im fortgesetzten Verfahren nicht davon aus, dass die Gestaltung als bloße Gebrauchsüberlassung anzusehen ist.
41 Ausgehend von den Feststellungen des Bundesfinanzgerichts kommt daher der Ausschluss vom Vorsteuerabzug aus dem Titel der verdeckten Ausschüttung in Betracht.
42 G.2. Entscheidend für die Frage, ob die (teilweise) Vermietung des Wohnhauses an Nikolaus O eine „klassische“ verdeckte Ausschüttung (allenfalls mit entsprechenden Folgen für den Vorsteuerabzug) darstellt, ist, ob das tatsächlich vereinbarte Nutzungsentgelt um mehr als 50 % von einem als (nach den oben unter Rz 35 ff dargestellten Grundsätzen) angemessen anzusehenden Mietentgelt abweicht. Die verdeckte Ausschüttung „an der Wurzel“, für die auch ein relevantes, aber unter 50 % liegendes Abweichen von einem als angemessen anzusehenden Mietentgelt ausreichend ist, bedarf der Sachverhaltsfeststellung, dass das Gebäude (etwa als besonders repräsentatives Wohnhaus) schon der Erscheinung nach für die privaten Wohnzwecke einer der Körperschaft nahestehenden Person bestimmt ist.
43 G.3. Das Finanzamt und ihm folgend das Bundesfinanzgericht vertraten im Verwaltungsverfahren den Standpunkt, dass es der Revisionswerberin nicht gelungen sei, einen funktionierenden Mietenmarkt für Einfamilienhäuser der gegenständlichen Art nachzuweisen.
44 Dem hält die Revision ‑ unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften ‑ entgegen, der von ihr beauftragte Sachverständige habe das Vorliegen eines funktionierenden Mietenmarktes eindeutig bejaht. Soweit das Bundesfinanzgericht diese Aussage für unzureichend oder nicht aussagekräftig halte, hätte es im Rahmen des Ermittlungsverfahrens einen amtlichen Sachverständigen beiziehen und der Revisionswerberin ‑ etwa mittels eines entsprechenden Vorhalts ‑ rechtliches Gehör gewähren müssen. Damit sei der Revisionswerberin die Möglichkeit genommen worden, sich zu entscheidungswesentlichen Sachverhaltsfragen zu äußern. Fest stehe, dass sich die von ihr angeführten Immobilien in höherpreisigen Bezirken der Stadt G befänden, eine dem gegenständlichen Gebäude vergleichbare Größe aufwiesen und aufgrund ihrer Lage jedenfalls mit einem Neubau in inzwischen ebenfalls höherpreisiger Wohnlage vergleichbar seien.
45 Mit diesem Vorbringen wird keine Rechtwidrigkeit des angefochtenen Erkenntnisses aufgezeigt. Das Gutachten enthält keine Ausführungen zur Frage, warum ein wirtschaftlich agierender, nur auf den Ertrag durch Mieteinnahmen bedachter Geschäftsleiter in Immobilien der gegenständlichen Art statt in Immobilien jener Art, die erfahrungsgemäß höhere Renditen abwerfen, investiert hätte. Dabei deutet sogar die in der Revision dargestellte tabellarische Übersicht der Liegenschaftszinssätze an, dass die Rendite für kleinere Wohnung in mäßig guter Lage deutlich höher ist. Dass der Revisionswerberin die Möglichkeit genommen worden sei, sich zu entscheidungswesentlichen Sachverhaltsfragen zu äußern, trifft daher nicht zu. Im Übrigen ist im Abgabenverfahren ein Sachverständigenbeweis nur notwendig, wenn die Behörde nicht selbst über die entsprechenden Kenntnisse verfügt oder sich die Kenntnisse durch Fachliteratur aneignen kann (vgl. Ritz, BAO6, § 177 Tz 5).
46 G.4. Die Rüge, das angefochtene Erkenntnis stehe in Widerspruch zur bestehenden Judikatur, weil die dort angeführte Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. März 2018, Ra 2017/15/0047, im vorliegenden Fall nicht einschlägig und keinesfalls geeignet sei, das angefochtene Erkenntnis zu stützen, führt die Revision ebenfalls nicht zum Erfolg.
47 Der Verwaltungsgerichtshof brachte im Beschluss vom 22. März 2018 u.a. zum Ausdruck, dass wirtschaftlich agierende, nur am Mietertrag interessierte Investoren vor der Errichtung eines Mietobjektes den Mietenmarkt erkunden, um Fehlinvestitionen zu vermeiden. Die Vorlage der den zu erwartenden Mietenmarkt betreffenden Unterlagen, die einen wirtschaftlich agierenden, nur am Mietertrag interessierten Abgabepflichtigen letztlich zur Errichtung des konkreten Mietobjektes bewogen und von der Investition in eine besser rentierliche Immobilie abgehalten haben, ist ‑ entgegen dem in der Revision vertretenen Standpunkt ‑ jedenfalls zumutbar und im Hinblick auf die im Abgabenverfahren bestehende Offenlegungspflicht auch geboten.
48 G.5. Die Revision trägt weiters vor, § 12 Abs. 2 Z 2 lit. a UStG 1994 sei aufgrund des Gebots unionsrechtskonformer Interpretation jedenfalls in Einklang mit Art. 176 Abs. 2 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem auszulegen. Entscheidend für die Auslegung von § 12 Abs. 2 Z 2 lit. a UStG 1994 sei daher, ob es nach der am 1. Jänner 1995 herrschenden Rechtsmeinung zu einem Ausschluss vom Vorsteuerabzug gekommen wäre.
49 Auch mit diesem Vorbringen, wird keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Erkenntnisses aufgezeigt. Wie bereits oben ausgeführt, ergibt sich aus dem Erkenntnis vom 26. März 2007, 2005/14/0091, auf das gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, dass der auf der Bestimmung des § 12 Abs. 2 Z 2 lit. a UStG 1994 beruhende Ausschluss des Vorsteuerabzuges für Aufwendungen für die Lebensführung im Zeitpunkt des Inkrafttretens der sechsten MwSt‑Richtlinie 77/388/EWG in Österreich zum 1. Jänner 1995 bereits (unverändert) bestanden hat. Seit dem Inkrafttreten von Art. 168a Abs. 1 MwSt‑RL 2006/112/EG , beinhaltet im Übrigen auch diese Richtlinienbestimmung eine unionsrechtliche Deckung und Verpflichtung für den Vorsteuerausschluss, zumal der Bereich der verdeckten Ausschüttung umsatzsteuerlich als Verwendung für unternehmensfremde Zwecke gilt (vgl. hierzu Korn, ÖStZ 2009, 262 [263], und VwGH 24.6.2009, 2007/15/0192).
50 G.6. Berechtigung kommt indessen der Rüge zu, das Bundesfinanzgericht habe die Rechtslage verkannt, weil es im angefochtenen Erkenntnis davon ausgegangen sei, dass bereits das Abweichen der tatsächlich vereinbarten Miete von der Renditemiete zum Vorliegen einer verdeckten Gewinnausschüttung an der Wurzel und dem daraus folgenden Vorsteuerausschluss nach § 12 Abs. 2 Z 2 lit. a UStG 1994 führe.
51 Bei der Ausschüttung „an der Wurzel“ muss zwar ein Abweichen der tatsächlichen Miete von der Renditemiete vorliegen, dieses muss allerdings nicht 50 % übersteigen. Dem angefochtenen Erkenntnis sind keine konkreten und nachvollziehbaren Feststellungen dahingehend zu entnehmen, dass es sich beim gegenständlichen Wohngebäude um ein besonders repräsentatives Objekt handelt, bei welchem eine verdeckte Ausschüttung „an der Wurzel“ in Betracht kommt. Mit den diesbezüglichen Feststellungen des Finanzamts hat sich das Bundesfinanzgericht im angefochtenen Erkenntnis nicht auseinandergesetzt. Zwar kommt es im gegenständlichen Fall auf das Erscheinungsbild der Baulichkeit bei deren Errichtung unter Beachtung des Umstandes an, dass es in den Streitjahren im Wesentlichen eine Wohnfläche von ca. 250 m² für den Stifter der O Privatstiftung bietet, und nicht darauf, dass es bautechnisch möglich ist, das Gebäude durch spätere Baumaßnahmen umzubauen und dadurch die Wohnfläche zu verkleinern. Das Bundesfinanzgericht kann in die Beurteilung, ob die Baulichkeit schon der Erscheinung nach für die privaten Wohnzwecke einer der Körperschaft nahestehenden Person bestimmt ist, auch die geographische Lage des Objektes einbeziehen. Die schlichte Beschreibung als „repräsentatives Einfamilienhaus“ ist allerdings nicht hinreichend. Nicht hinreichend ist auch der bloße Verweis auf den Betrag der Errichtungskosten, zumal er nicht in ein Verhältnis zu den in den Streitjahren üblichen Errichtungskosten gesetzt worden ist.
52 Für die umsatzsteuerlichen Folgen einer „klassischen“ verdeckten Ausschüttung kommt es entscheidend darauf an, ob die tatsächlich vereinbarte und gezahlte Miete überwiegend oder nicht überwiegend von der als angemessen zu erachtenden Renditemiete abweicht (vgl. VwGH 23.2.2010, 2007/15/0003; 27.6.2018, Ra 2017/15/0019; Ruppe/Achatz, UStG5 § 12 Tz 175). Ein Anwendungsfall des Vorsteuerausschlusses nach § 12 Abs. 2 Z 2 lit. a UStG 1994 liegt bei einer solchen Konstellation ‑ worauf in der Revision zutreffend hingewiesen wird ‑ nur vor, wenn die tatsächlich vereinbarte Miete weniger als 50 % des als angemessen anzusehenden Mietentgelts beträgt. Dafür hätte das Bundesfinanzgericht aber ‑ nach den oben in Rz 35 ff dargestellten Grundsätzen ‑ für den Zeitraum der Errichtung des Objektes und der erstmaligen Vermietung an den Stifter der O Privatstiftung die konkrete Höhe der Renditemiete bestimmen (und sich dabei auch mit der vom Finanzamt als angemessen angesehenen Miethöhe auseinandersetzen) müssen.
53 Das angefochtene Erkenntnis erweist sich daher als mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb es gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.
54 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH‑Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 7. Dezember 2020
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