VwGH Ra 2020/14/0258

VwGHRa 2020/14/02585.11.2020

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, den Hofrat Mag. Eder und die Hofrätin Dr.in Sembacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Gnilsen, in der Revisionssache des X Y in Z, geboren am, vertreten durch Mag. German Bertsch, Rechtsanwalt in 6800 Feldkirch, Saalbaugasse 2, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 7. April 2020, W148 2199820‑1/20E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

AsylG 2005 §3 Abs1
AVG §37
AVG §45 Abs2
AVG §45 Abs3
VwGVG 2014 §17

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020140258.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Afghanistans, stellte am 29. Dezember 2014 einen Antrag auf internationalen Schutz, den er zusammengefasst damit begründete, dass er sich nach seiner Abschiebung aus Norwegen der Hezb‑e Islami Miliz angeschlossen und einen Angriff der Regierung auf die Gruppe knapp überlebt habe. Er habe Afghanistan aus Angst vor Verfolgung durch die afghanische Regierung und durch die Taliban verlassen.

2 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA), das wegen des Verdachts der Zugehörigkeit des Revisionswerbers zu einer terroristischen Vereinigung die Landespolizeidirektion Tirol verständigt hatte, wies den Antrag mit Bescheid vom 28. Mai 2018 sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigenden Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise legte das BFA mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.

3 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) nach Durchführung einer Verhandlung als unbegründet ab und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG für nicht zulässig.

4 Begründend führte das BVwG aus, dass das Fluchtvorbringen des Revisionswerbers aufgrund widersprüchlicher Angaben nicht glaubwürdig sei. Der Revisionswerber habe sein Vorbringen laufend abgeändert und gesteigert. Im Rahmen der ersten Einvernahme vor der Landespolizeidirektion Tirol, Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (im Weiteren: LVT Tirol), im Jahr 2017 habe der Revisionswerber zugestanden, dass seine bis zu diesem Zeitpunkt vorgebrachte Fluchtgeschichte nicht der Wahrheit entspreche. Diese Aussage habe er auf Vorhalt durch das BFA bestätigt. Daraus ergäbe sich auch für das BVwG, dass die Fluchtgeschichte ein reines Konstrukt gewesen sei. Zudem habe der Revisionswerber verfälschte Beweismittel vorgelegt. Auch ergäben sich aus der Einvernahme in der Verhandlung vor dem BVwG erneut Widersprüche sowohl zum ursprünglichen Vorbringen als auch zu den vor dem LVT Tirol im Jahr 2020 getätigten Angaben, wonach er niemals bei den Hezb‑e Islami gewesen wäre, auch nicht für sie gekocht und dies nur gesagt hätte, um Asyl in Österreich zu bekommen. Eine Verfolgung durch die Taliban und die afghanischen Behörden sei vom Revisionswerber insgesamt nicht plausibel dargetan worden. Zur Frage der Gewährung subsidiären Schutzes führte das BVwG aus, die Sicherheitslage in der Herkunftsprovinz des Revisionswerbers, Maidan Wardak, sei volatil. Dem Revisionswerber sei aber die Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative in Mazar‑e Sharif oder Herat möglich und zumutbar. In Bezug auf die Covid‑19‑Pandemie sei festzuhalten, dass der Revisionswerber 26 Jahre alt und gesund sei und nicht unter eine Risikogruppe falle. Ein bei einer Überstellung des Revisionswerbers nach Afghanistan vorliegendes „real risk“ einer Verletzung des Art. 2 oder Art. 3 EMRK sei nicht erkennbar. Der Revisionswerber sei gesund, verfüge über Schulbildung und Berufserfahrung, sei mit den sprachlichen und kulturellen Gepflogenheiten Afghanistans vertraut, verfüge über familiäre Anknüpfungspunkte und könne sich seine Existenzgrundlage sichern. Der Revisionswerber verfüge über kein Familienleben im Inland. Der Eingriff in das Privatleben sei nicht unverhältnismäßig. Die öffentlichen Interessen überwögen gegenüber den privaten Interessen des Revisionswerbers.

5 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B‑VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B‑VG).

6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8 Zu ihrer Zulässigkeit bringt die Revision vor, das BVwG habe es unterlassen, dem Revisionswerber seine Aussagen vor dem LVT Tirol aus dem Jahr 2020 und die darin enthaltenen Widersprüche zu seiner Aussage im Verfahren vor dem BVwG vorzuhalten, und dadurch sein Erkenntnis mit einem Verfahrensmangel belastet. Die Widersprüche in den beiden Aussagen hätte das BVwG zum Anlass genommen, dem Revisionswerber die Unglaubwürdigkeit zur Gänze abzusprechen. Im Rahmen eines Vorhalts des Ermittlungsergebnisses hätte der Revisionswerber diese Widersprüche aufklären und seine Verfolgung durch die Taliban darlegen können.

9 Werden Verfahrensmängel ‑ wie hier die Verletzung von Parteiengehör und darauf gegründete Feststellungsmängel ‑ als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, so muss auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden. Dies setzt (in Bezug auf Feststellungsmängel) voraus, dass ‑ auf das Wesentliche zusammengefasst ‑ jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des behaupteten Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben (vgl. VwGH 19.5.2020, Ra 2019/14/0328, mwN).

10 Auch die (allfällige) Verletzung des Parteiengehörs bewirkt nur dann einen wesentlichen Mangel, wenn das Verwaltungsgericht bei dessen Vermeidung zu einem anderen Ergebnis hätte gelangen können. Der Revisionswerber muss deshalb die entscheidenden Tatsachen behaupten, die dem Verwaltungsgericht wegen des Verfahrensmangels unbekannt geblieben sind. Er darf sich nicht darauf beschränken, den Mangel bloß zu rügen, sondern muss konkret darlegen, welches Vorbringen er im Fall der Einräumung des vermissten Parteiengehörs erstattet hätte und inwiefern das Verwaltungsgericht dadurch zu einer anderen (für ihn günstigeren) Entscheidung hätte gelangen können (vgl. VwGH 5.3.2020, Ra 2019/19/0071, mwN).

11 Das BVwG, das eine Verhandlung durchgeführt hatte, legte in einer nachvollziehbaren Beweiswürdigung dar, warum es das gesamte Vorbringen des Revisionswerber als unglaubwürdig erachtete und stützte sich dabei, entgegen dem Revisionsvorbringen, nicht nur auf die Widersprüche zwischen der Aussage vor dem LVT Tirol im Jahr 2020 und den Aussagen im Verfahren über den Antrag auf internationalen Schutz. Die Revision legt mit ihrem Vorbringen nicht dar, weshalb das BVwG nach Einräumung der Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme zu einem anderen, für den Revisionswerber günstigerem Ergebnis hätte kommen können und zeigt somit mit ihrem ‑ bloß pauschal gehaltenen ‑ Vorbringen die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels nicht auf.

12 Im Übrigen ist der Revisionswerber darauf hinzuweisen, dass sich das Recht auf Parteiengehör nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nur auf den festzustellenden maßgeblichen Sachverhalt bezieht. Die Beweiswürdigung im Sinn des § 45 Abs. 2 AVG zählt aber nicht zu den Ergebnissen des Beweisverfahrens. Darüber hinaus hat der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt festgehalten, dass keine Verpflichtung des Verwaltungsgerichts besteht, dem Asylwerber im Weg eines Vorhalts zur Kenntnis zu bringen, dass Widersprüche vorhanden seien, die im Rahmen der gemäß § 45 Abs. 2 AVG vorzunehmenden Beweiswürdigung zu seinem Nachteil von Bedeutung sein könnten, und ihm aus diesem Grunde eine Stellungnahme hiezu zu ermöglichen (vgl. VwGH 7.9.2020, Ra 2020/20/0012,mwN).

13 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 5. November 2020

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