VwGH Ra 2020/14/0026

VwGHRa 2020/14/00264.2.2020

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, die Hofrätin Mag. Rossmeisel und den Hofrat Dr. Himberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schweinzer, in der Revisionssache des A B, vertreten durch Mag. Robert Bitsche, Rechtsanwalt in 1050 Wien, Nikolsdorfergasse 7-11/Top 2, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. November 2019, L512 1430358- 2/13E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

BFA-VG 2014 §9 Abs2
BFA-VG 2014 §9 Abs2 Z8
BFA-VG 2014 §9 Abs3
B-VG Art133 Abs4
MRK Art8
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020140026.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger von Bangladesch, stellte am 11. Oktober 2012 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2 Diesen Antrag wies das damals zuständige Bundesasylamt mit Bescheid vom 23. Oktober 2012 ab, unter einem wies es den Revisionswerber aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Bangladesch aus.

3 Das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) gab der dagegen erhobenen Beschwerde mit Beschluss vom 15. Juli 2015 insofern Folge als es den Bescheid behob und die Rechtssache zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) zurückverwies.

4 Mit Bescheid vom 2. August 2018 wies das BFA den Antrag auf internationalen Schutz ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass die Abschiebung des Revisionswerbers nach Bangladesch zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise legte es mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.

5 Das BVwG wies die vom Revisionswerber dagegen erhobene Beschwerde mit dem nunmehr in Revision gezogenen Erkenntnis vom 19. November 2019 nach Durchführung einer Verhandlung ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 9 Zu ihrer Zulässigkeit bringt die Revision zusammengefasst vor, das BVwG habe auf der Ebene der Rückkehrentscheidung bei der Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Aufenthaltsbeendigung und den persönlichen Interessen des Revisionswerbers an einem Verbleib im Bundesgebiet keine hinreichende Würdigung aller maßgeblichen Umstände bzw. keine rechtsrichtige Gewichtung anhand der Judikatur vorgenommen. Der Revisionswerber habe sich eine Existenz im Bundesgebiet, wo er mehr als sieben Jahre aufhältig sei, aufgebaut. Aufgrund seines Lehrabschlusses und seiner Berufstätigkeit als Koch spreche er nunmehr Deutsch auf Niveau B2. Er habe ein soziales Netz an Freunden sowie Bekannten und sei seit zehn Monaten in einer Beziehung, die einer Ehe gleichkomme. Zu seiner Familie im Herkunftsstaat habe der Revisionswerber keinen Kontakt mehr. Er sei unbescholten, was ein wichtiges Element für die Annahme einer sozialen Integration sei. Er habe in sieben Jahren und elf Monaten lediglich für elf Tage Leistungen aus der Grundversorgung bezogen und sei im Übrigen immer selbsterhaltungsfähig gewesen. Seit 16 Monaten arbeite er legal im Rahmen einer Beschäftigungsbewilligung als Koch und bestreite den Lebensunterhalt aus Eigenem. Zudem verfüge er über eine private, ortsübliche Unterkunft, sei aufrecht gemeldet und sozialversichert. Es sei sohin ersichtlich, dass er sozial, sprachlich und beruflich nachhaltig im Bundesgebiet integriert sei. Das Gericht sei nicht gewillt gewesen, sich mit dem konkreten Fall und der besonderen Integration des Revisionswerbers auseinanderzusetzen. Eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit liege angesichts des aufgezeigten Sachverhalts nicht vor. Es sei eine rechtsrichtige Gewichtung anhand der höchstgerichtlichen Rechtsprechung unterblieben.

10 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgt und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel (vgl. VwGH 16.10.2019, Ra 2019/14/0487, mwN).

11 Die Beurteilung, ob die Erlassung einer Rückkehrentscheidung einen unverhältnismäßigen Eingriff in die nach Art. 8 EMRK geschützten Rechte eines Fremden darstellt, hat nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalles stattzufinden. Dabei muss eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs. 2 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs. 3 BFA-VG ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorgenommen werden (vgl. VwGH 12.12.2019, Ra 2019/14/0242, mwN).

12 Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist bei einem mehr als zehn Jahre dauernden inländischen Aufenthalt des Fremden - der jedoch im vorliegenden Revisionsfall noch deutlich unterschritten wird - regelmäßig von einem Überwiegen der persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich auszugehen. Nur dann, wenn der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit überhaupt nicht genützt hat, um sich sozial und beruflich zu integrieren, wurden Aufenthaltsbeendigungen ausnahmsweise auch nach so langem Inlandsaufenthalt noch für verhältnismäßig angesehen (vgl. VwGH 23.10.2019, Ra 2019/19/0405, mwN).

13 Entgegen dem Revisionsvorbringen berücksichtigte das BVwG im Rahmen einer ausführlich und sorgfältig begründeten Interessenabwägung sämtliche von der Revision angesprochenen Umstände im Einzelnen, darunter auch den etwas mehr als siebenjährigen Aufenthalt des Revisionswerbers im Bundesgebiet sowie seine sozialen und beruflichen Integrationsbemühungen. Der Revision gelingt es nicht aufzuzeigen, dass das BVwG bei seinen im Rahmen der Interessenabwägung vorgenommenen Erwägungen die in der Rechtsprechung aufgestellten Leitlinien nicht beachtet oder in unvertretbarer Weise zur Anwendung gebracht hätte. Zutreffend hat das BVwG im Besonderen auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen, wonach bei der Gewichtung der für den Fremden sprechenden Umstände im Sinn des § 9 Abs. 2 Z 8 BFA-VG maßgeblich relativierend einbezogen werden darf, dass er sich seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein musste (vgl. VwGH 12.12.2019, Ra 2019/14/0242; 25.6.2019, Ra 2019/14/0260, mwN). Auch unter Berücksichtigung der in der Revision herausgestrichenen Integrationserfolge des Revisionswerbers kann vor dem Hintergrund der sonstigen vom BVwG in seine Interessenabwägung miteinbezogenen Umstände keine derartige Verdichtung seiner persönlichen Interessen erkannt werden, dass bereits von "außergewöhnlichen Umständen" (vgl. VwGH 2.12.2019, Ra 2019/14/0408) gesprochen werden könnte. Mit dem Revisionsvorbringen wird somit nicht aufgezeigt, dass das Bundesverwaltungsgericht die in Rede stehende Gewichtung in unvertretbarer Weise vorgenommen hat.

14 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen. Wien, am 4. Februar 2020

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