VwGH Ra 2019/22/0075

VwGHRa 2019/22/007525.4.2019



Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Robl sowie die Hofräte Dr. Mayr und Mag. Berger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Strasser, über die Revision der Y H in W, vertreten durch Mag. Alfons Umschaden, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Domgasse 4/9, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 2. Jänner 2019, VGW-151/074/13143/2018-9, betreffend Aufenthaltsbewilligung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptmann von Wien), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art133 Abs4
NAG 2005 §64 Abs3
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019220075.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Bescheid vom 22. August 2018 wies der Landeshauptmann von Wien den Antrag der Revisionswerberin, einer chinesischen Staatsangehörigen, vom 23. März 2017 auf Verlängerung ihrer Aufenthaltsbewilligung "Studierender" nach § 64 Abs. 3 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) ab.

2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 2. Jänner 2019 wies das Verwaltungsgericht Wien die dagegen erhobene Beschwerde der Revisionswerberin ab. Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG wurde für unzulässig erklärt.

3 Das Verwaltungsgericht legte seiner Entscheidung im Wesentlichen folgenden Sachverhalt zugrunde: Die Revisionswerberin habe seit dem Jahr 2006 über eine Aufenthaltsbewilligung Studierender, zuletzt mit einer Gültigkeit bis zum 30. März 2017, verfügt. Sie habe weder im Studienjahr 2016/2017 noch im zuletzt abgelaufenen Studienjahr 2017/2018 einen Studienerfolg nachgewiesen. Zwischen Jänner 2017 und Mai 2017 sei sie wegen einer depressiven Störung in Behandlung gewesen, wobei die Depression mittlerweile beendet sei. Wegen einer Zyklusstörung nehme sie Medikamente, die über einige Monate Abhilfe schaffen würden. Seit dem Jahr 2007 habe sie eine Augenentzündung, die sie mit Augentropfen behandle. Im Oktober 2017 sei eine Allergie gegen Hausstaub bzw. -milben diagnostiziert worden, die durch Medikamente behandelt werden habe können. Laut eigenen Angaben sei die Revisionswerberin bei mündlichen Prüfungen immer sehr nervös und habe öfters ein "Blackout".

4 In seinen rechtlichen Erwägungen ging das Verwaltungsgericht - auf das Wesentliche zusammengefasst - hinsichtlich der Zyklusstörung, der Augenentzündung und der Allergie davon aus, dass die Revisionswerberin im Hinblick auf die jeweils erfolgten Behandlungen (jedenfalls im Studienjahr 2017/2018) Prüfungen hätte absolvieren können. Zur Unsicherheit der Revisionswerberin bei mündlichen Prüfungen verwies das Verwaltungsgericht auf näher zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, der zufolge von einem unabwendbaren oder unvorhersehbaren Hinderungsgrund (im Sinn des § 64 Abs. 2 letzter Satz NAG (in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018)) keine Rede sein könne, wenn es wegen einer Krankheit oder Nervosität grundsätzlich an der geistigen und/oder körperlichen Voraussetzung für die Absolvierung eines Studiums in Österreich fehle. Ein unabwendbarer oder unvorhersehbarer Hinderungsgrund dürfe nicht dauerhaft sein. Die Revisionswerberin habe in zwei Studienjahren keinen ausreichenden Studienerfolg erbracht, es sei daher nicht von einem bloß vorübergehenden Hindernis auszugehen. Ein Grund im Sinn des § 64 Abs. 2 letzter Satz NAG liege nicht vor.

5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG vom Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 7 Die Revisionswerberin bringt zur Zulässigkeit der Revision vor, es gebe keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur hier zugrunde liegenden Konstellation, in der mehrere unabwendbare und unvorhersehbare Ereignisse durch Kumulation dazu geführt hätten, dass die Revisionswerberin in einem Zeitraum von mehr als einem Jahr keinen Studienerfolg nachgewiesen habe. Im Gesetz sei keine "Maximalanzahl" von unabwendbaren und/oder unvorhersehbaren Ereignissen normiert. Die Vorgehensweise des Verwaltungsgerichtes, mehrere Ereignisse auf einen Zeitraum von zwei Jahren auszudehnen, um so die Wertung als dauerhafter Hinderungsgrund zu begründen, sei unzulässig.

8 Der Verwaltungsgerichtshof hat wiederholt festgehalten, dass von einem unabwendbaren oder unvorhersehbaren Hinderungsgrund im Sinn des § 64 Abs. 2 letzter Satz NAG nur die Rede sein könne, wenn der Hinderungsgrund nicht dauerhaft ist (vgl. VwGH 13.12.2018, Ro 2017/22/0007, Rn. 14, mwN). 9 Vorliegend hat das Verwaltungsgericht hinsichtlich der geltend gemachten Hinderungsgründe der Beeinträchtigung der Revisionswerberin durch die Zyklusstörung, die Allergie und die Augenentzündung - ausgehend von den auf das Vorbringen der Revisionswerberin gestützten Feststellungen zu diesen gesundheitlichen Einschränkungen und den jeweils erfolgten Behandlungen - zunächst festgehalten, dass die Revisionswerberin (ungeachtet dessen) Prüfungen hätte absolvieren können bzw. in der Lage gewesen sei, einen Studienerfolg zu erbringen. Dass das Verwaltungsgericht insoweit keinen beachtlichen Hinderungsgrund im Sinn des § 64 Abs. 2 letzter Satz NAG angenommen hat (auf Grund dessen trotz Fehlen des Studienerfolgsnachweises eine Aufenthaltsbewilligung verlängert werden kann), ist im Hinblick darauf, dass ein derartiger Hinderungsgrund nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vom Studierenden konkret zu behaupten und ausreichend darzulegen ist (vgl. VwGH 21.1.2019, Ra 2019/22/0005, Rn. 7, mwN), nicht zu beanstanden. Auch eine vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifende Unschlüssigkeit der zugrunde liegenden Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichtes vermag die Revision nicht aufzuzeigen (vgl. diesbezüglich VwGH 16.1.2018, Ra 2017/22/0212, Rn. 6 f, mwN). Insoweit kommt es auf die in der Revision aufgeworfene Frage, ob aus der Kumulation mehrerer unabwendbarer oder unvorhersehbarer Ereignisse - unzulässiger Weise - auf eine Dauerhaftigkeit des Hinderungsgrundes geschlossen worden sei, vorliegend nicht an, weil das Verwaltungsgericht keinen dieser Gründe als beachtlich im Sinn des § 64 Abs. 2 letzter Satz NAG angesehen hat.

10 Der Revision ist einzuräumen, dass sich dem angefochtenen Erkenntnis nicht eindeutig entnehmen lässt, ob das Verwaltungsgericht mit der daran anschließend erfolgten Bezugnahme auf die in Rn. 8 zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (zum Erfordernis eines bloß vorübergehenden Hinderungsgrundes) auf die Unsicherheit der Revisionswerberin bei mündlichen Prüfungen oder auf ihre (in der Vergangenheit bestandene) Depression abzielt. Soweit damit ein Begründungsmangel ins Treffen geführt wird, vermag die Revision aber keine Relevanz des behaupteten Verfahrensfehlers aufzuzeigen (vgl. dazu VwGH 21.11.2018, Ra 2018/04/0088, Rn. 6, mwN). Die Wertung der Nervosität der Revisionswerberin als dauerhaftes Ereignis wäre im Hinblick auf ihre - in der Revision nicht bestrittene - Aussage in der mündlichen Verhandlung, sie sei bei mündlichen Prüfungen "immer sehr nervös", nicht zu beanstanden. Da die Revisionswerberin - nach den unbestritten gebliebenen Feststellungen im angefochtenen Erkenntnis - wegen ihrer Depression nur von Jänner 2017 bis Mai 2017 in Behandlung war, ist eine Beachtlichkeit dieses Grundes für das hier maßgebliche Studienjahr 2017/2018 nicht zu ersehen und wird in der Revision auch gar nicht vorgebracht. Angesichts dessen käme der Frage der Dauerhaftigkeit insoweit keine Relevanz zu.

11 In der Revision wird somit keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

12 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

13 Von der Durchführung der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.

Wien, am 25. April 2019

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