VwGH Ra 2019/21/0060

VwGHRa 2019/21/00604.4.2019

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin sowie die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Sulzbacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Eraslan, über die Revision des S A in W, vertreten durch Dr. Wolfgang Vacarescu, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Jakominiplatz 16/I, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 15. Jänner 2019, G307 2175853- 1/30E, betreffend insbesondere Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt befristetem Einreiseverbot (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

BFA-VG 2014 §9
B-VG Art133 Abs4
FrPolG 2005 §52 Abs4
FrPolG 2005 §52 Abs9
FrPolG 2005 §53 Abs1
FrPolG 2005 §53 Abs3
VwGG §34 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019210060.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein mazedonischer Staatsangehöriger, hält sich seit Dezember 2009 in Österreich auf. Er verfügte ab März 2010 über Aufenthaltstitel, zuletzt über eine bis 15. März 2018 gültige "Rot-Weiß-Rot - Karte plus". Am 2. März 2018 wurde diesbezüglich ein Verlängerungsantrag gestellt. Der Revisionswerber lebt mit seiner Ehefrau und zwei volljährigen Töchtern (geboren 1995 und 1997), die alle mazedonische Staatsangehörige sind und über Aufenthaltstitel verfügen, im gemeinsamen Haushalt. Eine weitere erwachsene Tochter befindet sich ebenfalls rechtmäßig in Österreich. Der Revisionswerber ging seit 2011 wiederholt (teils selbständigen) Erwerbstätigkeiten nach. Zuletzt war er vom 24. April bis 31. Juli 2018 sowie vom 5. November bis 21. Dezember 2018 jeweils als Arbeiter berufstätig.

2 Der Revisionswerber war mit rechtskräftigem Urteil eines tschechischen Gerichtes vom 4. Dezember 2015 wegen "des besonders schwerwiegenden Verbrechens" der unerlaubten Herstellung und andersartigen Verwendung von Berauschungsmitteln, psychotropen Stoffen und Giften gemäß § 283 Abs. 1 und 2 lit. c des tschechischen Strafgesetzbuches zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von zweieinhalb Jahren verurteilt worden, die er bis 15. Februar 2017 in der Tschechischen Republik verbüßte.

3 Diesem Schuldspruch liegt zugrunde, der Revisionswerber habe am 5. August 2015 in einer näher genannten tschechischen Gemeinde in seinem von ihm gelenkten PKW ca. 300 Gramm Heroin "aufbewahrt", um es im Auftrag eines Anderen nach Österreich zu verbringen.

4 Der Revisionswerber weist überdies noch eine weitere rechtskräftige Verurteilung; nämlich vom 9. Jänner 2018, durch das Landesgericht W. auf, und zwar wegen der Vergehen der grob fahrlässigen Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen und des Vorenthaltens von Dienstgeberbeiträgen zur Sozialversicherung, die er als Inhaber eines Einzelunternehmens zu verantworten hatte, zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von drei Monaten.

5 Wegen der erstangeführten Straftat erließ das BFA gegen den Revisionswerber mit Bescheid vom 20. September 2017 gemäß § 52 Abs. 4 FPG iVm mit § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass seine Abschiebung in die Republik Mazedonien zulässig sei. Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 und Abs. 3 Z 1 FPG erließ das BFA gegen den Revisionswerber des Weiteren ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Einreiseverbot.

6 Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 24. Mai 2018 mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 15. Jänner 2019 mit der Maßgabe als unbegründet ab, dass das Einreiseverbot (nur) auf § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 FPG gestützt werde. Das BVwG sprach gemäß § 25a Abs. 1 VwGG aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

7 Nach der genannten Verfassungsbestimmung ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8 An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision unter dem genannten Gesichtspunkt nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a erster Satz VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).

9 Das BVwG legte seiner Entscheidung in Bezug auf die Bestätigung des Einreiseverbotes im Ergebnis zugrunde, das strafrechtliche Fehlverhalten des Revisionswerbers rechtfertige die Annahme, sein (weiterer) Aufenthalt stelle im Sinne des § 53 Abs. 3 FPG eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit dar. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei einer solchen Gefährdungsprognose das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die jeweils anzuwendende Gefährdungsannahme (hier: schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit) gerechtfertigt ist. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache einer Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen (vgl. etwa VwGH 31.8.2017, Ra 2017/21/0120, Rn. 10, mwN).

10 In der Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden Revision wird nun in Anknüpfung an diese Rechtsprechung releviert, das BVwG sei davon abgewichen, weil es die notwendige einzelfallbezogene Abwägung der Gesamtumstände im angefochtenen Erkenntnis nur mangelhaft und somit unzureichend vorgenommen habe. Konkretisierend wird dann in den weiteren Ausführungen der Sache nach nur bemängelt, das BVwG habe es unterlassen, die "seit dem strafrechtlichen Verhalten gesetzten persönlichen Umstände entsprechend zu berücksichtigen". Andernfalls wäre es zu dem Ergebnis gekommen, dass "zum gegenwärtigen Entscheidungszeitpunkt" eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht mehr vorliege. Es seien nämlich seit der dem tschechischen Strafurteil zugrunde liegenden Tat bereits mehr als drei Jahre vergangen und das dem Urteil des Landesgerichtes W. zugrunde liegende Verhalten sei in einem Zeitraum bis 3. Mai 2016 gesetzt worden. Es liege somit ein Wohlverhalten von mehr als bzw. beinahe drei Jahren vor.

11 Dieser Einwand ist nicht zielführend, weil dabei außer Acht gelassen wird, dass nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der Gesinnungswandel eines Straftäters grundsätzlich daran zu messen ist, ob und wie lange er sich - nach dem Vollzug einer Haftstrafe - in Freiheit wohlverhalten hat; für die Annahme eines Wegfalls der aus dem bisherigen Fehlverhalten ableitbaren Gefährlichkeit eines Fremden ist somit in erster Linie das Verhalten in Freiheit maßgeblich. Dabei ist der Beobachtungszeitraum umso länger anzusetzen, je nachdrücklicher sich die Gefährlichkeit des Fremden in der Vergangenheit manifestiert hat (vgl. VwGH 26.4.2018, Ra 2018/21/0027, Rn. 15, mwN, und darauf Bezug nehmend VwGH 10.9.2018, Ra 2018/19/0169, Rn. 15, und VwGH 4.4.2019, Ra 2019/21/0009, Rn. 32).

12 Vor diesem Hintergrund ist die vom BVwG vorrangig auf die sehr gravierende Straftat des (versuchten) Heroinschmuggels gestützte Gefährdungsprognose im Sinne des § 53 Abs. 3 FPG jedenfalls vertretbar, zumal seit dem Haftende bis zur Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses noch nicht einmal zwei Jahre vergangen sind. Außerdem stellt ein solches Suchtgiftdelikt nach ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - auch nach unionsrechtlichen Maßstäben - ein besonders verpöntes Fehlverhalten dar, bei dem erfahrungsgemäß eine hohe Wiederholungsgefahr gegeben ist (siehe dazu VwGH 19.3.2013, 2011/21/0152, Punkt 2.2. und 2.3. der Entscheidungsgründe, mwN). Wurde die einzelfallbezogene Beurteilung der Gefährlichkeit des Fremden - hier überdies nach Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung unter Erlangung eines persönlichen Eindrucks - aber vertretbar vorgenommen, so steht dies der Zulässigkeit der Revision nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entgegen (so schon VwGH 25.4.2014, Ro 2014/21/0033, und zahlreiche daran anschließende Entscheidungen). Gleiches gilt für die - im Übrigen in der Revision gar nicht konkret kritisierte - Interessenabwägung nach § 9 BFA-VG.

13 Der Revision gelingt es somit nicht, eine für die Lösung des vorliegenden Falles wesentliche grundsätzliche Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufzuzeigen, weshalb sie gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weitere Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen war.

Wien, am 4. April 2019

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte