VwGH Ra 2019/21/0047

VwGHRa 2019/21/004726.6.2019

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer, die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Galesic, über die Revision des N P in H, vertreten durch Mag.a Viktoria Neuner, Rechtsanwältin in 4020 Linz, Spittelwiese 11, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichte s vom 29. Jänner 2019, G307 2010995-2/4E, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), zu Recht erkannt:

Normen

BFA-VG 2014 §21 Abs7
BFA-VG 2014 §9
FrPolG 2005 §67 Abs1
VwGG §42 Abs2 Z1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019210047.L00

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger des Kosovo, beantragte in Österreich am 7. März 2014 ohne Erfolg die Gewährung von internationalem Schutz. Er hielt sich in der Folge mit (zuletzt zwischen Mitte Juli und Dezember 2017 gelegenen) Unterbrechungen in Österreich auf.

2 Mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes Linz vom 25. Juli 2014 war über den Revisionswerber wegen des Vergehens der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach den §§ 223 Abs. 2 und 224 StGB eine bedingt nachgesehene dreimonatige Freiheitsstrafe

verhängt worden. Er hatte am 5. März 2014 in Gallneukirchen einen total gefälschten rumänischen Personalausweis durch Vorweisen gegenüber Beamten der Finanz- und Sicherheitspolizei im Rechtsverkehr zum Nachweis seiner Einreise-, Arbeits- und Aufenthaltsberechtigung gebraucht.

3 Weiters verhängte das Landesgericht Linz über den Revisionswerber mit rechtskräftigem Urteil vom 29. Mai 2018 wegen des Vergehens der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach den §§ 223 Abs. 2 und 224 StGB (Verwendung eines total gefälschten slowenischen Führerscheins am 3. Mai 2017 sowie eines total gefälschten slowenischen Personalausweises am 21. und 30. März 2017, jeweils in Linz) eine fünfmonatige bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe sowie eine (unbedingte) Geldstrafe von 120 Tagessätzen.

4 Am 3. August 2018 heiratete der Revisionswerber - nach vorangegangener Lebensgemeinschaft - eine in Österreich lebende und arbeitende ungarische Staatsangehörige. Am 18. Oktober 2017 war der gemeinsame Sohn, ein ungarischer Staatsangehöriger, geboren worden. Die Genannten wohnen im gemeinsamen Haushalt in Österreich.

5 Mit Bescheid vom 24. September 2018 erließ das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) gegen den Revisionswerber mit Bezug auf die erwähnten strafgerichtlichen Verurteilungen sowie das ihnen zugrunde liegende Verhalten gemäß § 67 Abs. 1 und 2 FPG ein auf sechs Jahre befristetes Aufenthaltsverbot. Es erteilte dem Revisionswerber gemäß § 70 Abs. 3 FPG einen Durchsetzungsaufschub von einem Monat ab Durchsetzbarkeit der Entscheidung. 6 Mit Erkenntnis vom 29. Jänner 2019 gab das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) einer dagegen erhobenen Beschwerde mit der Maßgabe statt, dass die Dauer des Aufenthaltsverbots auf drei Jahre herabgesetzt wurde. Im Übrigen wies es die Beschwerde als unbegründet ab. Es sprach gemäß § 25a Abs. 1 VwGG aus, dass die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei. 7 Begründend legte das BVwG seiner Entscheidung zugrunde, dass die Ehefrau des Revisionswerbers als EU-Bürgerin das Daueraufenthaltsrecht in Österreich erworben habe. Seit 14. November 2018 sei sie arbeitslos und habe davor pauschaliertes Kinderbetreuungsgeld bezogen. Es könne nicht festgestellt werden, dass sie in der Lage wäre, für den gesamten Unterhalt der Familie aufzukommen. Der Revisionswerber selbst sei seit Dezember 2017 insgesamt nur rund drei Monate und drei Tage beschäftigt gewesen. Er verfüge weder über ein regelmäßiges Einkommen noch über Vermögen. Es könne auch nicht festgestellt werden, dass er Deutschkenntnisse eines bestimmten Niveaus aufweise. In Österreich lebten neben der Ehegattin und dem gemeinsamen Kind Onkel und Tanten, zu denen er jedoch keinen Kontakt pflege. Sonstige enge soziale Bindungen zu im Bundesgebiet lebenden Personen hätten "nicht ausgemacht werden" können. Der Kernfamilie wäre allerdings (wie näher ausgeführt wurde) eine Lebensführung sowohl im Kosovo als auch in Ungarn möglich.

Rechtlich folgerte das BVwG aus den vom Revisionswerber begangenen Delikten das Vorliegen einer tatsächlichen, gegenwärtigen und erheblichen Gefahr, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre (§ 67 Abs. 1 Satz 1 bis 4 FPG). Insbesondere sei dem Revisionswerber vorzuwerfen, die genannten Vergehen auch deshalb begangen zu haben, um sich dadurch seinen Aufenthalt in Bundesgebiet zu erleichtern. Die gemäß § 9 BFA-VG vorgenommene Abwägung stehe unter Berücksichtigung der Lebensmöglichkeit der Familie in Ungarn oder im Kosovo dem Aufenthaltsverbot nicht entgegen. Allerdings erweise sich dessen Dauer als zu lang, seien doch "die Verurteilungen ausschließlich bedingt" erfolgt, wobei die Dauer der Freiheitsstrafen gering gehalten worden sei.

Die Durchführung der - in der Beschwerde ausdrücklich beantragten - mündlichen Verhandlung habe gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG unterbleiben können, weil der Sachverhalt schon aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheine. 8 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Durchführung des Vorverfahrens - eine Revisionsbeantwortung wurde nicht erstattet - erwogen hat:

Die Verfahrens- und Rechtsrüge des Revisionswerbers ist aus den nachstehenden Überlegungen im Ergebnis berechtigt. Damit erweist sich die Revision - entgegen dem nicht bindenden Ausspruch des BVwG (§ 34 Abs. 1a erster Satz VwGG) - im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG auch als zulässig.

9 Der den strafgerichtlichen Verurteilungen des Revisionswerbers im vorliegenden Fall zugrunde liegende, wenn auch wiederholte, Gebrauch besonders geschützter falscher Urkunden, der jeweils die Verhängung bedingt nachgesehener Freiheitsstrafen (zuletzt in Verbindung mit einer Geldstrafe) nach sich gezogen hatte, ist nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes nicht geeignet, den Gefährdungsmaßstab des § 67 Abs. 1 Satz 1 bis 4 FPG zu verwirklichen. Dem insgesamt gezeigten fremdenrechtlichen Fehlverhalten, nämlich der damit verfolgten Absicht, ein Aufenthaltsrecht in Österreich vorzutäuschen, kommt vor allem angesichts des nunmehr aufrechten Bestandes einer Ehe mit einer daueraufenthaltsberechtigten ungarischen Staatsangehörigen und dem gemeinsamen Familienleben mit einem Kleinkind, ebenfalls einem ungarischen Staatsangehörigen, nicht eine solche Bedeutung zu, dass für den maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt der Entscheidung durch das BVwG schon deshalb das Vorliegen einer tatsächlichen, gegenwärtigen und erheblichen, ein Grundinteresse der Gesellschaft berührender Gefahr angenommen werden durfte (vgl. dazu sinngemäß etwa VwGH 26.6.2014, Ro 2014/21/0024, Punkt 4.1., mwN). 10 Umso weniger durfte das BVwG, das zudem mehrere (in Rn. 7 näher dargestellte) Sachverhaltselemente ausdrücklich als ungeklärt bezeichnete, vom Vorliegen eines eindeutigen Falles ausgehen, bei dem die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme ohne Verschaffung eines persönlichen Eindrucks vom Revisionswerber in einer mündlichen Verhandlung in Betracht gekommen wäre (vgl. dazu etwa VwGH 15.3.2018, Ra 2017/21/0147, Rn. 13, und VwGH 7.3.2019, Ra 2018/21/0097, Rn. 21, jeweils mwN). 11 Das angefochtene Erkenntnis war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen - vorrangig wahrzunehmender - Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

12 Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 5 und 6 VwGG abgesehen werden.

13 Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014. Das in dieser Verordnung nicht gedeckte Mehrbegehren war abzuweisen.

Wien, am 26. Juni 2019

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