VwGH Ra 2019/20/0565

VwGHRa 2019/20/056512.12.2019

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth, den Hofrat Dr. Schwarz und die Hofrätin Mag. Schindler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kieslich, in der Rechtssache der Revision des G S, in G, vertreten durch Mag.a Sarah Kumar, Rechtsanwältin in 8020 Graz, Kärntner Straße 7b/1, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 3. Juli 2019, W231 2138853-1/22E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

AsylG 2005 §8 Abs1
B-VG Art133 Abs4
MRK Art3
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019200565.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Afghanistans, aus Daikundi, stellte am 30. Mai 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz, den er im Wesentlichen damit begründete, seine Familie und er seien von den Kutschi aus ihrem Dorf vertrieben worden. 2 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) wies diesen Antrag mit Bescheid vom 4. Oktober 2016 ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise legte die Behörde mit vierzehn Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.

3 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem angefochtenen Erkenntnis - nach Durchführung einer Verhandlung - als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

4 Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte die Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom 24. September 2019, E 2987/2019-7, ab. Mit Beschluss vom 4. November 2019, E 2987/2019- 9, trat der Verfassungsgerichtshof die Beschwerde des Revisionswerbers über nachträglichen Antrag gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 8 Da der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG nur im Rahmen der dafür in der Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG gesondert vorgebrachten Gründe zu überprüfen hat, ist er weder verpflichtet, solche anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit der Revision hätten führen können, aufzugreifen. Dementsprechend erfolgt nach der Rechtsprechung die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision durch den Verwaltungsgerichtshof ausschließlich anhand des Vorbringens in der Zulassungsbegründung. In der gesonderten Zulassungsbegründung ist konkret darzulegen, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht bzw. konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch gar nicht beantwortet hat. Lediglich pauschale Behauptungen erfüllen diese Voraussetzungen nicht (vgl. etwa VwGH 1.10.2019, Ra 2019/20/0441, mwN)

9 In der Revision wird zur Begründung ihrer Zulässigkeit im Wesentlichen vorgebracht, das angefochtene Erkenntnis weiche von der - näher angeführten - Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, weil das BVwG im vorliegenden Fall von einer zumutbaren innerstaatlichen Fluchtalternative in den Städten Mazar-e Sharif und Herat ausgegangen sei, ohne die besondere Vulnerabilität (Erkrankung) des Revisionswerbers zu berücksichtigen. Hinsichtlich der Frage, ob im Herkunftsstaat die notwendige Behandlung einer Krankheit möglich sei, müsse der tatsächliche Zugang zu notwendigen Behandlungen gegeben sein, wobei die Kosten der Behandlung und der Medikamente, das Bestehen eines sozialen und familiären Netzes und die für den Zugang zur Versorgung zurückliegende Entfernung zu berücksichtigen seien. Es sei nicht nachvollziehbar, wie der Revisionswerber die tatsächlich aufzubringenden Kosten für seine Behandlung aufbringen könne. Auch der Frage, ob die Erkrankung als lebensbedrohlich zu qualifizieren sei, komme das BVwG nicht nach.

10 Soweit sich die Revision gegen die Annahme einer zumutbaren innerstaatlichen Fluchtalternative wendet, ist ihr entgegenzuhalten, dass es sich hierbei lediglich um eine Alternativbegründung des BVwG handelt, zumal dieses im Rahmen seiner rechtliche Beurteilung betreffend die Prüfung subsidiären Schutzes bereits die Möglichkeit der Rückkehr des Revisionswerbers in seine Heimatprovinz Daikundi bejahte. Da die Revision somit von den auf die innerstaatliche Fluchtalternative Bezug nehmenden Ausführungen nicht abhängt, erweist sich die Revision schon deshalb als unzulässig (vgl. VwGH 8.8.2019, Ra 2019/20/0188, mwN). 11 Ungeachtet dessen hat nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Allgemeinen kein Fremder ein Recht, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, allerdings muss der Betroffene auch tatsächlich Zugang zur notwendigen Behandlung haben, wobei die Kosten der Behandlung und Medikamente, das Bestehen eines sozialen und familiären Netzwerks und die für den Zugang zur Versorgung zurückzulegende Entfernung zu berücksichtigen sind. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK. Solche liegen jedenfalls vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben, aber bereits auch dann, wenn stichhaltige Gründe dargelegt werden, dass eine schwerkranke Person mit einem realen Risiko konfrontiert würde, wegen des Fehlens angemessener Behandlung im Zielstaat der Abschiebung oder des fehlenden Zugangs zu einer solchen Behandlung einer ernsten, raschen und unwiederbringlichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustands ausgesetzt zu sein, die zu intensivem Leiden oder einer erheblichen Verkürzung der Lebenserwartung führt (vgl. etwa VwGH 31.10.2019, Ra 2019/20/0484, mwN).

12 Dass aber die vom Revisionswerber ins Treffen geführte Krankheit jene oben beschriebene Schwere und Intensität - entgegen den Feststellungen des BVwG - aufweisen würde, welche dazu führen könnte, dass es im Fall seiner Rückführung in das Heimatland mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu einer Verletzung des Art. 3 EMRK im Sinn der dargestellten Rechtsprechung kommen werde, wird in der Revision nicht dargetan. Das BVwG hat sich - entgegen den Ausführungen in der Revision - mit den persönlichen Umständen des Revisionswerbers und seiner Erkrankung ausreichend auseinandergesetzt.

13 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 12. Dezember 2019

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