VwGH Ra 2019/20/0537

VwGHRa 2019/20/05372.12.2019

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth sowie den Hofrat Dr. Schwarz und die Hofrätin Mag. Schindler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kieslich, in der Rechtssache der Revision der K P in L, eingebracht durch Mag. Ronald Frühwirth, Rechtsanwalt in 8020 Graz, Grieskai 48, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. Juli 2019, Zl. W196 2149857- 1/11E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

BFA-VG 2014 §9 Abs2
BFA-VG 2014 §9 Abs2 Z8
BFA-VG 2014 §9 Abs3
B-VG Art133 Abs4
MRK Art8
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019200537.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Die Revisionswerberin, eine ukrainische Staatsangehörige, stellte am 7. Jänner 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Begründend führte die Revisionswerberin im Wesentlichen aus, ihre Familie sei aufgrund ihrer politischen Ansichten verfolgt und mit dem Tod bedroht worden, weshalb sie mit ihrer Mutter und ihrem Bruder nach Österreich geflohen sei.

2 Mit Bescheid vom 17. Februar 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Antrag der Revisionswerberin auf internationalen Schutz zur Gänze ab, erteilte ihr keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen sie eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass die Abschiebung der Revisionswerberin in die Ukraine zulässig sei und legte eine zweiwöchige Frist für die freiwillige Ausreise fest.

3 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem angefochtenen Erkenntnis - nach Durchführung einer Verhandlung - als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

4 Gegen dieses Erkenntnis erhob die Revisionswerberin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Mit Beschluss vom 23. September 2019, E 3037-3039/2019-7, wies dieser den Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe ab und lehnte die Behandlung der Beschwerde ab. Mit Beschluss vom 3. Oktober 2019, E 3037-3039/2019- 9, trat der Verfassungsgerichtshof die Beschwerde der Revisionswerberin über nachträglichen Antrag gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. In der Folge wurde die gegenständliche Revision eingebracht. 5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 8 Zur Begründung der Zulässigkeit der Revision wird vorgebracht, die vorgenommene Interessenabwägung sei unvertretbar, weil sich das BVwG nicht mit den von der Revisionswerberin in der Revision näher bezeichneten gesetzten Integrationsschritten auseinandergesetzt und hierzu auch keine Ermittlungsschritte mehr seit der letzten Verhandlung unternommen habe. Das BVwG habe es unterlassen, seiner Pflicht nachzukommen, auf alle bis zum Zeitpunkt seiner Entscheidung maßgeblichen Aspekte in Bezug auf den erreichten Integrationsgrad einzugehen. Der hohe Grad der Integration hätte insbesondere im Hinblick auf die fehlenden Bindungen zum Heimatstaat zur Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 führen müssen.

9 Die Beurteilung, ob die Erlassung einer Rückkehrentscheidung einen unverhältnismäßigen Eingriff in die nach Art. 8 EMRK geschützten Rechte eines Fremden darstellt, hat nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalles stattzufinden. Dabei muss eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs. 2 BFA-VG genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs. 3 BFA-VG ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorgenommen werden. Die durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK ist im Allgemeinen, wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgt und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wird, nicht revisibel im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG (vgl. VwGH 24.9.2019, Ra 2019/20/0446, mwN).

10 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die nach Art. 8 EMRK durchzuführende Interessenabwägung zu (vgl. VwGH 18.9.2019, Ra 2019/18/0246, mwN). Weiters hat der Verwaltungsgerichtshof mehrfach darauf hingewiesen, dass es im Sinn des § 9 Abs. 2 Z 8 BFA-VG maßgeblich relativierend ist, wenn integrationsbegründende Schritte in einem Zeitpunkt gesetzt wurden, in dem sich der Fremde seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein musste (vgl. VwGH 21.5.2019, Ra 2019/19/0136 und 0137, mwN).

11 Selbst unter Berücksichtigung der in der Revision näher genannten Integrationsbemühungen der Revisionswerberin kann vor dem Hintergrund der sonstigen vom BVwG in seine Interessenabwägung miteinbezogenen Umstände keine derartige Verdichtung ihrer persönlichen Interessen erkannt werden, dass bereits von "außergewöhnlichen Umständen" gesprochen werden kann und sich die Interessenabwägung als unvertretbar erweisen würde (vgl. VwGH 5.6.2019, Ra 2019/18/0078 sowie 18.9.2019, Ra 2019/18/0189, zur erforderlichen außergewöhnlichen Integration bei einem erst viereinhalbjährigen Aufenthalt).

12 Soweit die Revision auf die fehlenden Bindungen zum Heimatstaat verweist, entfernt sie sich von den im angefochtenen Erkenntnis getroffenen Feststellungen des BVwG, ohne jedoch auszuführen, inwieweit die diesbezügliche Beweiswürdigung des BVwG fehlerhaft wäre, sodass schon deshalb keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegen kann (vgl. VwGH 27.8.2019, Ra 2019/20/0336, mwN).

13 Im Übrigen wird mit dem Vorbringen zur Verletzung der Ermittlungspflicht ein Verfahrensfehler gerügt. Wird ein Abweichen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wegen eines dem angefochtenen Erkenntnis anhaftenden Verfahrensmangels geltend gemacht, ist der Verfahrensmangel zu präzisieren und dessen Relevanz für den Verfahrensausgang darzutun (vgl. VwGH 26.8.2019, Ra 2019/20/0375, mwN). Diesen Anforderungen wird die Revision, die nicht näher darlegt, welche Ermittlungen notwendig gewesen wären und was diese am Verfahrensergebnis hätten ändern können, nicht gerecht.

14 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 2. Dezember 2019

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