VwGH Ra 2019/20/0441

VwGHRa 2019/20/04411.10.2019

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth, den Hofrat Dr. Schwarz und die Hofrätin Mag. Schindler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kieslich, in der Rechtssache der Revision des I S O in I, vertreten durch die Weh Rechtsanwalt GmbH in 6900 Bregenz, Wolfeggstraße 1, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. April 2019, I422 2216131-1/7E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

AsylG 2005 §18
AVG §46
AVG §58
AVG §60
B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1
VwGVG 2014 §17
VwGVG 2014 §28
VwGVG 2014 §29

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019200441.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Nigerias, stellte am 9. September 2014 einen Antrag auf internationalen Schutz, den er damit begründete, in Nigeria wegen seiner Homosexualität verfolgt zu werden.

2 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) wies diesen Antrag mit Bescheid vom 12. Februar 2019 ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Nigeria zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise legte die Behörde mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest. Unter einem sprach sie aus, dass der Revisionswerber sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab 30. Juni 2015 verloren habe.

3 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 23. April 2019 nach Durchführung einer Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.

4 Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte die Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom 26. Juni 2019, E 2134/2019-6, ab. Mit Beschluss vom 12. Juli 2019, E 2134/2019-9, trat der Verfassungsgerichtshof die Beschwerde des Revisionswerbers über nachträglichen Antrag gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. 5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 8 Da der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG nur im Rahmen der dafür in der Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG gesondert vorgebrachten Gründe zu überprüfen hat, ist er weder verpflichtet, solche anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit der Revision hätten führen können, aufzugreifen. Dementsprechend erfolgt nach der Rechtsprechung die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision durch den Verwaltungsgerichtshof ausschließlich anhand des Vorbringens in der Zulassungsbegründung. In der gesonderten Zulassungsbegründung ist konkret darzulegen, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht bzw. konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch gar nicht beantwortet hat. Lediglich pauschale Behauptungen erfüllen diese Voraussetzungen nicht (vgl. etwa VwGH 29.5.2019, Ra 2019/20/0225 bis 0228, mwN)

9 In der Revision wird zur Begründung ihrer Zulässigkeit zunächst vorgebracht, das angefochtene Erkenntnis behaupte, die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs schließe Erhebungen im Herkunftsland generell aus, was dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. Dezember 2015, Ra 2015/18/0100, 0101, widerspreche.

10 Entgegen dem Revisionsvorbringen ging das BVwG allerdings nicht von einem "Beweiserhebungsverbot im Herkunftsland" aus, sondern verwies auf das in der Revision zitierte Erkenntnis, wonach ein Beweisantrag des Asylwerbers, bestimmte Auskunftspersonen im Herkunftsstaat durch eine Vertrauensperson befragen zu lassen, nicht zulässig ist (vgl. auch VwGH 23.3.2017, Ra 2016/20/0074, mwN). Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes besteht ein allgemeines Recht auf eine fallbezogene Überprüfung des Vorbringens durch Recherche im Herkunftsstaat nicht. Die Beurteilung der Erforderlichkeit derartiger Erhebungen im Sinn des § 18 Abs. 1 letzter Satz AsylG 2005 obliegt der ermittelnden Behörde bzw. dem Verwaltungsgericht (vgl. VwGH 25.6.2019, Ra 2019/19/0193, mwN). Die Revision legt in der Zulassungsbegründung nicht dar, dass die Einschätzung des BVwG, warum es die beantragten Ermittlungen vor Ort und die zeugenschaftliche Einvernahme der Familie des Revisionswerbers für nicht erforderlich erachtet hat, unvertretbar wäre.

11 Zum Vorbringen des Revisionswerbers, das BVwG verweise lediglich auf den Bescheid anstatt eigene Feststellungen zu treffen, was dem Unmittelbarkeitsgrundsatz und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes widerspreche, wonach Verweisungen nur dann zulässig seien, wenn sie so genau seien, dass eine verwaltungsgerichtliche Kontrolle möglich sei, ist zu bemerken, dass die Verwaltungsgerichte den Erfordernissen gemäß § 29 Abs. 1 VwGVG nur dann gerecht werden, wenn sich die ihre Entscheidungen tragenden Überlegungen zum maßgebenden Sachverhalt, zur Beweiswürdigung sowie zur rechtlichen Beurteilung aus den verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen selbst ergeben (VwGH 28.1.2015, Ra 2014/18/0097, mwN). Im Hinblick auf die Feststellung des der Entscheidung zugrunde gelegten Sachverhalts wird der Anforderung, dass die maßgeblichen Erwägungen aus der Begründung der Entscheidung hervorgehen müssen, entsprochen, wenn dieser in den wesentlichen Punkten in der Begründung der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes wiedergegeben wird. Im Übrigen ist aber ein Verweis auf die Entscheidungsgründe des Bescheides der belangten Behörde zulässig (vgl. VwGH 30.11.2017, Ra 2017/20/0074 bis 0076, mwN).

12 Das BVwG hat sich den Feststellungen des BFA zur Situation in Nigeria unter Hinweis darauf, dass seither keine entscheidungswesentlichen Änderungen eingetreten seien, angeschlossen. Entgegen dem Revisionsvorbringen hat es aber auch die wesentlichen Aussagen in seiner Entscheidung wiedergegeben (sh. S. 5 bis 9 der Ausfertigung des angefochtenen Erkenntnisses). Damit erweist sich der Einwand, das BVwG sei diesbezüglich seiner Begründungspflicht nicht nachgekommen, als unzutreffend. 13 Soweit die Revision schließlich zur Begründung ihrer Zulässigkeit vorbringt, der Bescheid des BFA sei nicht ordnungsgemäß begründet, weshalb das BVwG völlig neue Sachverhaltsfestellungen anhand einer mündlichen Verhandlung vorzunehmen gehabt hätte, zeigt sie ebenfalls kein Abweichen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auf, zumal das BVwG eine Verhandlung durchgeführt und eigene Feststellungen getroffen hat.

14 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 1. Oktober 2019

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