VwGH Ra 2019/19/0037

VwGHRa 2019/19/003725.9.2019

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zens sowie den Hofrat Dr. Pürgy und die Hofrätin Dr.in Lachmayer als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Schara, in der Revisionssache des M K R, vertreten durch Dr. Michaela Jahn, Rechtsanwältin in 1080 Wien, Trautsongasse 6/5, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 10. Dezember 2018,  W204 2178944- 1/7E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

AsylG 2005 §11
B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019190037.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Afghanistans, stellte am 23. November 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Als Fluchtgrund gab er an, es habe in seiner Familie Grundstücksstreitigkeiten gegeben. Zwei Cousins, die Mitglieder der Taliban seien, hätten den Revisionswerber dreimal mit dem Tode bedroht. Zudem hätten ihn die Taliban rekrutieren wollen. 2 Mit Bescheid vom 6. November 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Antrag auf internationalen Schutz zur Gänze ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise setzte das BFA mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei. In der Begründung stützte sich das BVwG unter anderem auf das Vorhandensein einer innerstaatlichen Fluchtalternative in Mazar-e Sharif. 4 Mit Beschluss vom 12. Juni 2019, E 944/2019, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der gegen dieses Erkenntnis gerichteten Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 1 B-VG ab und trat die Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 6 In der vorliegenden außerordentlichen Revision wird zur Begründung ihrer Zulässigkeit zunächst ausgeführt, das angefochtene Erkenntnis stehe im Widerspruch zur - näher bezeichneten - ständigen jüngeren Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes.

7 Mit diesem Vorbringen wird keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG geltend gemacht, zumal keine Bezugnahme auf fehlende oder uneinheitliche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stattfindet und auch nicht dargestellt wird, dass das angefochtene Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweichen würde (vgl. VwGH 5.2.2018, Ra 2017/18/0457).

8 Darüber hinaus wird in der Zulässigkeitsbegründung vorgebracht, das angefochtene Erkenntnis enthalte keine hinreichend aktuellen Länderberichte. Insbesondere bei Staaten mit sich rasch ändernder Sicherheitslage müssten die herangezogenen Länderberichte ausreichend aktuell sein. Zudem habe das Bundesverwaltungsgericht die aktuellen UNHCR-Richtlinien vom 30. August 2018 gänzlich außer Acht gelassen.

9 In diesem Zusammenhang ist einerseits auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach den Richtlinien des UNHCR besondere Beachtung zu schenken ist ("Indizwirkung"). Diese Indizwirkung bedeutet zwar nicht, dass die Asylbehörden in Bindung an entsprechende Empfehlungen des UNHCR internationalen Schutz gewähren müssten. Allerdings haben die Asylbehörden (und dementsprechend auch das BVwG) sich mit den Stellungnahmen, Positionen und Empfehlungen des UNHCR auseinanderzusetzen und, wenn sie diesen nicht folgen, begründet darzulegen, warum und gestützt auf welche entgegenstehenden Berichte sie zu einer anderen Einschätzung der Lage im Herkunftsstaat gekommen sind (vgl. VwGH 13.12.2018, Ra 2018/18/0533, mwN).

10 Ebenso entspricht es der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass das Bundesverwaltungsgericht seinem Erkenntnis die zum Entscheidungszeitpunkt aktuellen Länderberichte zugrunde zu legen hat (vgl. VwGH 25.6.2019, Ra 2018/19/0644, mwN). 11 Eine Verletzung dieser Vorgaben stellt einen Verfahrensmangel dar. Es reicht jedoch nicht aus, die Außerachtlassung von Verfahrensvorschriften zu behaupten, ohne die Relevanz der genannten Verfahrensmängel in konkreter Weise darzulegen (vgl. VwGH 2.8.2019, Ra 2018/19/0615, mwN). 12 Diesen Anforderungen wird die Zulassungsbegründung der vorliegenden Revision nicht gerecht, zumal diese in Zusammenhang mit der vom BVwG als gegeben erachteten innerstaatlichen Fluchtalternative in Mazar-e Sharif lediglich darauf verweist, dass die UNHCR-Richtlinien auch Feststellungen zu anderen afghanischen Städten wie Mazar-e Sharif treffen würden, die vom BVwG ebenfalls zu berücksichtigen gewesen wären. Vor dem Hintergrund der unbestritten gebliebenen Feststellungen des BVwG, wonach es sich bei dem Revisionswerber um einen gesunden, volljährigen und arbeitsfähigen Mann mit zwölfjähriger Schulausbildung und Matura-Abschluss handle, der sich in Afghanistan problemlos seine Existenz sichern habe können und neun Jahre als Bäcker tätig gewesen sei, vermag die Revision mit ihren Ausführungen zu den UNHCR-Richtlinien fallbezogen weder darzulegen, dass in der Stadt Mazar-e Sharif eine Situation vorläge, die eine Verletzung der nach Art. 3 EMRK garantierten Rechte des Revisionswerbers darstellen würde, noch dass ihm eine Ansiedlung in dieser Stadt nicht zumutbar wäre (vgl. in Bezug auf Mazar-e Sharif etwa VwGH 2.8.2019, Ra 2018/19/0615; 25.6.2019, Ra 2019/19/0121; 27.5.2019, Ra 2018/14/0418; 14.3.2019, Ra 2019/18/0079).

13 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 25. September 2019

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