Normen
AsylG 2005 §5 Abs1
B-VG Art133 Abs4
MRK Art3
MRK Art8
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1
32013R0604 Dublin-III Art12 Abs4
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019180233.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein türkischer Staatsangehöriger, reiste am 24. Dezember 2018 unter Inanspruchnahme eines von den Niederlanden ausgestellten Schengen-Visums (gültig vom 23. Dezember 2018 bis 6. Februar 2019) in das Bundesgebiet ein und beantragte am 14. Februar 2019 internationalen Schutz. 2 Über Gesuch des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18. Februar 2019 stimmte die zuständige niederländische Behörde mit Schreiben vom 4. April 2019 der Aufnahme des Revisionswerbers unter Bezugnahme auf Art. 12 Abs. 4 Dublin III-Verordnung zu. 3 Mit Bescheid vom 2. Mai 2019 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Revisionswerbers auf internationalen Schutz gemäß § 5 Abs. 1 Asylgesetz 2005 als unzulässig zurück, stellte fest, dass die Niederlande gemäß Art. 12 Abs. 4 Dublin III-Verordnung für die Prüfung des Antrags zuständig seien, ordnete die Außerlandesbringung des Revisionswerbers an und erklärte die Abschiebung in die Niederlande für zulässig.
4 Die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers wies das Bundesverwaltungsgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab und erklärte die Revision für nicht zulässig. 5 Nach der Aktenlage wurde der Revisionswerber zwischenzeitlich bereits in die Niederlande überstellt. 6 Gegen das verwaltungsgerichtliche Erkenntnis wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision. Zur Zulässigkeit wird geltend gemacht, das Bundesverwaltungsgericht sei in mehrfacher Hinsicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen. Es habe weder in angemessener Weise auf das vom Revisionswerber in Österreich mit seinem Bruder geführte Familienleben und seine finanzielle Abhängigkeit von diesem Bedacht genommen, noch habe es berücksichtigt, dass der Revisionswerber zu seinen in den Niederlanden wohnhaften (anderen) Brüdern keinen Kontakt mehr habe. Zudem sei außer Acht gelassen worden, dass der Revisionswerber die deutsche Sprache schon gut beherrsche, wohingegen er holländisch nicht spreche. Auch habe das Bundesverwaltungsgericht nicht nachvollziehbar begründet, warum es davon ausgehe, dass der Revisionswerber in den Niederlanden nicht in eine existenzielle Notlage im Sinne des Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 GRC geraten werde. Diesbezüglich verweist die Revision darauf, dass schon in der Beschwerde auf aktuelle Berichte Bezug genommen worden sei, wonach der Revisionswerber in den Niederlanden im Falle einer negativen Entscheidung der Asylbehörde während des Rechtsmittelverfahrens keine Unterstützung mehr erhalten werde.
7 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan:
Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Hat das Verwaltungsgericht - wie im vorliegenden Fall - im Erkenntnis ausgesprochen, dass die Revision nicht zulässig ist, muss die Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG auch gesondert die Gründe enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.
Der Verwaltungsgerichtshof ist bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nicht gebunden. Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß § 34 Abs. 1a VwGG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe zu überprüfen. Liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG danach nicht vor, ist die Revision gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
8 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes macht die grundrechtskonforme Interpretation des AsylG 2005 eine Bedachtnahme auf die - in Österreich im Verfassungsrang stehende - EMRK notwendig. Die Asylbehörden müssen dabei bei Entscheidungen nach § 5 AsylG 2005 auch Art. 3 und Art. 8 EMRK berücksichtigen und bei einer drohenden Verletzung dieser Vorschriften das Selbsteintrittsrecht nach der Dublin III-Verordnung ausüben (vgl. dazu etwa VwGH 6.9.2018, Ra 2018/18/0440, und 17.12.2018, Ra 2018/14/0250, jeweils mit weiteren Nachweisen).
9 Im gegenständlichen Fall hat sich das Bundesverwaltungsgericht in der angefochtenen Entscheidung sowohl mit der Beziehung des Revisionswerbers zu seinem in Österreich lebenden Bruder beschäftigt als auch Feststellungen zur Versorgungslage in den Niederlanden getroffen. Auf dieser Grundlage gelangte das Verwaltungsgericht zu dem Ergebnis, dass die Ausübung des Selbsteintrittsrechtes im Sinne der dargestellten höchstgerichtlichen Rechtsprechung fallbezogen nicht geboten sei. 10 Der Revision gelingt es nicht darzulegen, dass dem Verwaltungsgericht dabei eine nach dem Prüfmaßstab des Verwaltungsgerichtshofes relevante Fehlbeurteilung unterlaufen wäre.
11 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fallen familiäre Beziehungen unter Erwachsenen (wie im vorliegenden Fall) dann unter den Schutz des Art. 8 Abs. 1 EMRK, wenn zusätzliche Merkmale der Abhängigkeit hinzutreten, die über die üblichen Bindungen hinausgehen (vgl. etwa VwGH 13.2.2018, Ra 2018/18/0059, mwN). Dass diese Voraussetzungen im gegenständlichen Fall entgegen den Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts vorlägen, vermag die Revision nicht nachvollziehbar darzulegen. Allein deshalb, weil der Revisionswerber nach dem Vorbringen der Revision während seines Aufenthalts in Österreich bei seinem Bruder gewohnt hat und von diesem finanziell unterstützt wurde, kann auf ein schützenswertes Familienleben im obigen Sinne nicht geschlossen werden. 12 Die Revision zeigt auch nicht auf, dass die Überstellung des Revisionswerbers in die Niederlande zu einer Verletzung seiner durch Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 GRC geschützten Rechte führen würde. Insbesondere ergibt sich aus den von der Revision ins Treffen geführten Berichten nicht, dass Asylwerber in den Niederlanden im Rechtsmittelverfahren generell keine Versorgungsleistungen mehr erhalten würden.
13 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 15. Juli 2019
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