VwGH Ra 2019/13/0051

VwGHRa 2019/13/005130.6.2022

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser und den Hofrat MMag. Maislinger sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schramel, über die Revision des Finanzamts Österreich, Dienststelle Wien 1/23 in 1030 Wien, Marxergasse 4, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 28. Dezember 2018, Zl. RV/7105237/2015, betreffend Haftung für Kapitalertragsteuer 2008 (mitbeteiligte Partei: G GmbH in W, vertreten durch die PwC PricewaterhouseCoopers Wirtschaftsprüfung und Steuerberatung GmbH in 1220 Wien, Donau‑City‑Straße 7), zu Recht erkannt:

Normen

EStG 1988 §27
EStG 1988 §4
EStG 1988 §4 Abs12
EStG 1988 §93
KStG 1988 §8 Abs2

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2022:RA2019130051.L00

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1 Die Mitbeteiligte, eine in Österreich ansässige GmbH, hielt im revisionsgegenständlichen Zeitraum 2008 sämtliche Anteile an der ebenfalls in Österreich ansässigen M Grundstücksentwicklungs GmbH, mit der sie eine Unternehmensgruppe bildete. Wesentliche Gesellschafterin der Mitbeteiligten war die US‑amerikanische M Corporation.

2 Am 14. April 2008 gewährte die M Grundstücksentwicklungs GmbH ihrer Großmuttergesellschaft, der M Corporation, ein „Darlehen“ iHv 12,5 Mio. €, welches aufgrund der Insolvenz der M Corporation zur Gänze ausfiel und von der M Grundstücksentwicklungs GmbH im Jahr 2008 in vollem Ausmaß (gewinnmindernd) wertberichtigt wurde.

3 Mit Bescheid vom 16. Juli 2015 stellte das Finanzamt nach Wiederaufnahme des Verfahrens das körperschaftsteuerpflichtige Einkommen (der Rechtsnachfolgerin) der M Grundstücksentwicklungs GmbH als Gruppenmitglied der Mitbeteiligten für das Jahr 2008 neu fest, wobei es die Wertberichtigung der Darlehensforderung nicht als steuerwirksam anerkannte. Im Außenprüfungsbericht vom 15. Juni 2015 wurde u.a. ausgeführt, der Darlehensvertrag mit der M Corporation wäre unter fremden Dritten mangels Rückzahlungsfähigkeit der Darlehensnehmerin zum Zeitpunkt der Darlehensgewährung ohne werthaltige Sicherstellung nicht abgeschlossen worden. Da die vorliegende Vertragsgestaltung nach ihrem inneren Gehalt mangels Fremdüblichkeit ihre Ursache im Gesellschaftsverhältnis habe, stelle die Überlassung des Geldbetrags iHv 12,5 Mio. € eine verdeckte Ausschüttung gemäß § 8 Abs. 2 KStG 1988 an die M Corporation dar.

4 Mit Erkenntnis vom 28. Dezember 2018, RV/7105145/2015, bestätigte das Bundesfinanzgericht diese Beurteilung.

5 Mit weiterem Bescheid vom 19. August 2015 zog das Finanzamt die Mitbeteiligte zur Haftung für die Kapitalertragsteuer (KESt) der M Corporation für das Jahr 2008 iHv 625.000 € heran. Aufgrund einer „Durchschüttung“ liege bei der M Grundstücksentwicklungs GmbH eine verdeckte Ausschüttung an ihre inländische Muttergesellschaft, die Mitbeteiligte, vor. Der zugewendete Betrag iHv 12,5 Mio. € stelle bei der Mitbeteiligten einen steuerbefreiten Beteiligungsertrag gemäß § 10 Abs. 1 KStG 1988 dar. Ein KESt‑Abzug habe gemäß § 94 Z 2 EStG 1988 aufgrund des gegebenen Beteiligungsausmaßes nicht zu erfolgen. Bei der Mitbeteiligten liege eine verdeckte Ausschüttung an ihre Muttergesellschaft, die M Corporation, vor. Die KESt iHv 625.000 € werde zwar von der M Corporation geschuldet, da diese aufgrund des Konkurses der M Corporation jedoch voraussichtlich nicht einbringlich sei, werde die KESt der (abzugsverpflichteten) Mitbeteiligten im Haftungswege vorgeschrieben.

6 In der dagegen erhobenen Beschwerde brachte die Mitbeteiligte u.a. vor, selbst wenn von einer Vorteilszuwendung an die M Corporation auszugehen wäre, läge jedenfalls keine KESt‑pflichtige verdeckte Gewinnausschüttung, sondern eine steuerneutrale Einlagenrückzahlung vor.

7 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht der Beschwerde der Mitbeteiligten Folge und hob den Bescheid des Finanzamts ersatzlos auf. Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof erklärte das Bundesfinanzgericht für nicht zulässig.

8 In der Begründung führte das Bundesfinanzgericht nach einer Darstellung des Verfahrensgangs aus, weder die Mitbeteiligte noch ihre Tochtergesellschaft hätten im Jahr 2008 einen steuerlichen Gewinn erzielt. Auch eine Hinzurechnung des Betrags von 12,5 Mio. € infolge der Qualifizierung der Darlehensgewährung als verdeckte Ausschüttung auf Ebene des Gruppenmitglieds ändere daran nichts. Die steuerlichen Einlagen‑Evidenzkonten beider Gesellschaften wiesen sehr hohe Einlagenstände auf, aus denen eine Einlagenrückzahlung iHv 12,5 Mio. € hätte vorgenommen werden können. Die M Grundstücksentwicklungs GmbH habe zum 31. Dezember 2008 Kapitalrücklagen iHv ca. 35,7 Mio. € zur Verlustabdeckung aufgelöst, was zu einem unternehmensrechtlichen Bilanzgewinn von ca. 8,9 Mio. € geführt habe. Das steuerliche Ergebnis der M Grundstücksentwicklungs GmbH habe vor Hinzurechnung der verdeckten Zuwendung ca. ‑19,2 Mio. € betragen, danach ca. ‑6,7 Mio. €.

9 Die Besteuerungsfolgen auf Ebene der ausschüttenden Körperschaft seien nicht zwingend mit jenen auf Ebene der Anteilsinhaber verknüpft. Die Regelung der verdeckten Ausschüttung in § 8 KStG 1988 wende sich ausschließlich an die zuwendende Körperschaft und bezwecke die Ermittlung deren richtigen Einkommens. Es bestehe weder ein formeller Zusammenhang noch sonst eine Art von Bindungswirkung mit den Besteuerungsfolgen auf Ebene des Zuwendungsempfängers, wenngleich eine verdeckte Ausschüttung auf Ebene der zuwendenden Körperschaft grundsätzlich auch eine verdeckte Ausschüttung beim Empfänger der Zuwendung indiziere.

10 Auf Ebene der Anteilsinhaber könne die verdeckte Ausschüttung sowohl einen Beteiligungsertrag, somit eine Gewinnausschüttung im engeren Sinn, als auch eine steuerneutrale Einlagenrückzahlung darstellen.

11 Die Mitbeteiligte habe zwar Einlagen-Evidenzkonten geführt, jedoch die konkrete verdeckte Zuwendung iHv 12,5 Mio. € nicht als Einlagenrückzahlung am Einlagen-Evidenzkonto abgebildet. Wie die Mitbeteiligte ausführe, habe eine Verminderung am Einlagen-Evidenzkonto nicht stattgefunden, weil sie nicht von einer verdeckten Zuwendung (sondern von einer Darlehensgewährung) ausgegangen sei. Da es sich bei der Bestimmung des § 4 Abs. 12 EStG 1988 um eine bloße Ordnungsvorschrift handle, könne der Umstand, dass eine Einlagenrückzahlung nicht ordnungsgemäß am Einlagen-Evidenzkonto abgebildet worden sei, nicht dazu führen, dass eine solche in eine Gewinnausschüttung im engeren Sinn umgedeutet werde.

12 Weder auf Ebene der M Grundstücksentwicklungs GmbH noch auf Ebene der Mitbeteiligten sei ein erwirtschafteter Gewinn vorgelegen, der ausgeschüttet hätte werden können. Wirtschaftlich betrachtet könnten bei der festgestellten Zuwendung iHv 12,5 Mio. € somit bloß Einlagen zurückbezahlt worden sein, zumal ein ausreichender Einlagenstand vorhanden gewesen sei. Dieser spiegle sich im Einlagen-Evidenzkonto als auch in den Kapitalrücklagen wider. Die unterlassene Darstellung der Einlagenrückzahlung am Einlagen‑Evidenzkonto könne zu keiner anderen Beurteilung führen. Relevant sei vielmehr, dass tatsächlich Einlagen und nicht Gewinne zugewendet worden seien. Zwar sei nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes davon auszugehen, dass Anteilsinhabern primär Gewinne und nicht Einlagen zugewendet würden und Einlagenrückzahlungen überhaupt nur vorliegen könnten, wenn mit Sicherheit ausgeschlossen sei, dass nicht Gewinne Verwendung gefunden hätten. Werde aber der Nachweis erbracht, dass tatsächlich Einlagen zugewendet worden seien, müsse eine steuerneutrale Behandlung Platz greifen. Im revisionsgegenständlichen Fall sei dieser Nachweis erfolgreich erbracht worden: Da bloß Einlagen vorhanden gewesen seien, jedoch keinerlei Gewinne, könnten auch tatsächlich bloß Einlagen zugewendet worden sein.

13 Der Verwaltungsgerichtshof habe im Erkenntnis vom 22. März 2000, 96/13/0175, ausgeführt, dass eine Einlagenrückzahlung angenommen werden könne, wenn der ausgeschüttete Teil des Bilanzgewinns nur in den aufgelösten Kapitalrücklagen Platz finde. Dies müsse auch für verdeckte Zuwendungen gelten. Auch im revisionsgegenständlichen Fall sei mangels vorhandener steuerlicher Gewinne und aufgrund ausreichend hoher Einlagenstände der Nachweis erbracht worden, dass bloß Einlagen zugewendet worden seien, weshalb eine steuerneutrale Einlagenrückzahlung und kein KESt‑pflichtiger Beteiligungsertrag vorliege.

14 Dagegen richtet sich die vorliegende Amtsrevision, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Erstattung einer Revisionsbeantwortung durch die Mitbeteiligte und weiterer Schriftsätze der Verfahrensparteien ‑ in einem nach § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat ‑ erwogen hat:

15 In der Revision wird zur Zulässigkeit u.a. vorgebracht, das Bundesfinanzgericht habe zu Unrecht das Vorliegen eines Nachweises, dass im vorliegenden Fall Einlagen zurückgezahlt worden seien, bejaht.

16 Die Revision ist zulässig, sie ist auch berechtigt.

17 Zunächst ist mit dem Bundesfinanzgericht davon auszugehen, dass die Behandlung eines Vorgangs bei der Gewinnermittlung der Gesellschaft für Zwecke der Körperschaftsteuer und dessen Behandlung bei den Gesellschaftern für Zwecke der Kapitalertragsteuer unterschiedlich sein kann (vgl. Marschner in Jakom, EStG15, § 27 Rz 47; Kirchmayr in Doralt et al, EStG16, § 27 Tz 40). Es ist daher nicht ausgeschlossen, dass ein für Körperschaftsteuerzwecke der Gesellschaft als verdeckte Ausschüttung qualifizierter Vorgang bei den Gesellschaftern für Zwecke der Kapitalertragsteuer als steuerneutrale Einlagenrückzahlung zu beurteilen ist.

18 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist jedoch bei verdeckten Vorteilszuwendungen einer Gesellschaft an ihre Gesellschafter grundsätzlich von einer verdeckten Ausschüttung auszugehen, außer es wird der Nachweis erbracht, dass eine Einlagenrückzahlung vorliegt (vgl. etwa VwGH 5.2.2021, Ro 2019/13/0027; 22.11.2018, Ra 2018/15/0037).

19 Das Bundesfinanzgericht ist im revisionsgegenständlichen Fall davon ausgegangen, dass dieser Nachweis als erbracht anzusehen sei, weil weder die M Grundstücksentwicklungs GmbH noch die Mitbeteiligte einen Gewinn erwirtschaftet hätten und ausreichend Einlagen vorhanden gewesen seien.

20 Damit hat es die Rechtslage verkannt. Weder vermag das Fehlen eines Gewinns noch das Vorhandensein ausreichender Einlagen das Vorliegen einer nicht kapitalertragsteuerpflichtigen Einlagenrückzahlung rechtlich zu begründen. Wie der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 22. November 2018, Ra 2018/15/0037, ausgesprochen hat, setzen verdeckte Ausschüttungen das Vorliegen eines Gewinns nicht voraus. Im Falle von verdeckten Vorteilszuwendungen ist, wenn nicht der Nachweis einer Einlagenrückzahlung vorliegt, von einer (verdeckten) Ausschüttung auszugehen (vgl. VwGH 5.2.2021, Ro 2019/13/0027, mwN).

21 Dass der als „Darlehen“ gewährte Betrag nur mit Hilfe von Einlagen hätte bestritten werden können, hat das Bundesfinanzgericht nicht festgestellt. Eine derartige Feststellung stünde, worauf das revisionswerbende Finanzamt zu Recht hinweist, auch in Widerspruch zu Ausführungen in der Beschwerde, wonach die M Grundstückentwicklungs GmbH „aus der Veräußerung einer Liegenschaft einen Kaufpreis in Höhe von EUR 20 Mio. realisieren [habe können]. Davon gab sie am 14.4.2008 einen Teilbetrag von EUR 12,5 Mio. als kurzfristiges Darlehen an ihre indirekte Muttergesellschaft“ aus. Schon im Hinblick auf dieses Vorbringen hätte das Bundesfinanzgericht nicht vom Vorliegen einer Einlagenrückzahlung ausgehen dürfen.

22 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Wien, am 30. Juni 2022

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