VwGH Ra 2019/13/0024

VwGHRa 2019/13/002417.7.2019

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fuchs sowie Senatspräsident Dr. Nowakowski, die Hofräte MMag. Maislinger und Mag. Novak und die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision der I GmbH in P, vertreten durch die Haslinger / Nagele Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Mölker Bastei 5, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 27. Dezember 2018, Zl. RV/2200017/2018, betreffend Altlastenbeitrag (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Zollamt Graz), zu Recht erkannt:

Normen

ALSAG 1989 §10 Abs1 Z3
ALSAG 1989 §3
VwGG §42 Abs2 Z1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019130024.L00

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird im Umfang der Anfechtung (Spruchpunkt 1) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Die Revisionswerberin betreibt ein Schotterunternehmen auf einem Gelände, das aus den Grundstücken x und y sowie einer größeren Zahl weiterer Grundstücke besteht.

2 Im Zusammenhang mit einer auf dem Gelände der Revisionswerberin im Jahr 2009 begonnenen Zwischenlagerung von Baurestmassen beantragte der Bund, vertreten durch das Zollamt, im November 2011 die Erlassung eines Feststellungsbescheides gemäß § 10 Altlastensanierungsgesetz (ALSAG) in Bezug auf die Lagerung von Baurestmassen auf den Grundstücken x und y seit Mai 2009. Mit Bescheid vom 28. August 2012 sprach die Bezirkshauptmannschaft aus, bei den Baurestmassen handle es sich um Abfall, der dem Altlastensanierungsgesetz unterliege, und es liege daher eine beitragspflichtige Tätigkeit vor. Den Bescheid des Landeshauptmanns vom 27. September 2013, mit dem die Berufung der Revisionswerberin gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft als unbegründet abgewiesen wurde, hob der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 23. April 2014, 2013/07/0269, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften auf. Das Erkenntnis des inzwischen zuständig gewordenen Landesverwaltungsgerichts vom 24. Februar 2015, mit dem die nun als Beschwerde zu behandelnde Berufung erneut abgewiesen wurde, hob der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 28. Februar 2017, Ra 2016/16/0019, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf. Diese Aufhebung gründete sich im Wesentlichen darauf, dass das Ende des antragsgemäß im Mai 2009 beginnenden Spruchzeitraums mangels anderweitiger Bestimmung im Spruch des Bescheids der Bezirkshauptmannschaft mit dem Datum dieses Bescheids anzusetzen sei und das Landesverwaltungsgericht keine Feststellungen darüber getroffen habe, ob die für die Zwischenlagerung erforderlichen Bewilligungen auch noch am 28. August 2012 gefehlt hätten.

3 Eine neuerliche die Grundstücke x und y betreffende Entscheidung des Landesverwaltungsgerichts erging bis zur nunmehr angefochtenen Entscheidung des Bundesfinanzgerichts nicht. 4 Im Jänner 2014 stellte die Revisionswerberin einen die übrigen Grundstücke des Geländes betreffenden Feststellungsantrag, in dessen Erledigung die Bezirkshauptmannschaft mit Bescheid vom 29. April 2015 aussprach, "die Zwischenlagerung" unaufbereiteter Baurestmassen auf diesen Grundstücken unterliege dem Altlastenbeitrag und stelle eine beitragspflichtige Tätigkeit dar. 5 In der Beschwerde dagegen begehrte die Revisionswerberin - nach der Darstellung in der Entscheidung darüber - die Feststellung, dass die verfahrensgegenständliche Zwischenlagerung nicht der Beitragspflicht unterliege.

6 Das Landesverwaltungsgericht entschied darüber mit Erkenntnis vom 10. Dezember 2015 wie folgt:

"Gemäß § 28 Abs 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (...) wird der Beschwerde stattgegeben und der bekämpfte Bescheid wie folgt abgeändert:

Spruch:

Die von (der Revisionswerberin) auf den Grundstücken (...) vorgenommene Zwischenlagerung von unsortierten Baurestmassen unterliegt nicht der Beitragspflicht gemäß (...)"

7 Diese vom Bund mit Revision bekämpfte Entscheidung hob der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 28. Februar 2017, Ra 2016/16/0022, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf. Er legte dar, der Spruchzeitraum beginne auch in diesem Verfahren mit dem Mai 2009 und ende, mangels anderweitiger Bestimmung im Bescheid der Bezirkshauptmannschaft, mit dessen Datum. Die Aufhebung gründete sich im Wesentlichen darauf, dass eine schon vor dem Beginn des Spruchzeitraums erteilte wasserrechtliche Bewilligung sich offenbar nur auf den südlichen Teil des Geländes bezogen habe, die wasserrechtliche Bewilligung für den nördlichen Teil offenbar erst später erteilt worden sei und auch unklar geblieben sei, ab wann die bergrechtliche Nichtuntersagung vorgelegen habe.

8 Im zweiten Rechtsgang in diesem nicht die Grundstücke x und y, sondern die übrigen Grundstücke betreffenden Feststellungsverfahren erledigte das Landesverwaltungsgericht die Beschwerde gegen den Bescheid vom 29. April 2015 mit Erkenntnis vom 29. Mai 2017 wie folgt:

"Gemäß § 28 Abs 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (...)

wird der Beschwerde

stattgegeben

und der bekämpfte Bescheid abgeändert wie folgt:

Spruch I.:

Die von (der Revisionswerberin) auf den Grundstücken (südlicher Teil der übrigen Grundstücke) vorgenommene Zwischenlagerung von Baurestmassen unterliegt ab dem 22.01.2009 nicht der Beitragspflicht gemäß (...).

Spruch II.:

Die von (der Revisionswerberin) auf den Grundstücken (nördlicher Teil der übrigen Grundstücke) vorgenommene Zwischenlagerung von Baurestmassen unterliegt ab dem 22.12.2009 nicht der Beitragspflicht gemäß (...)"

9 In der Begründung dieser der Beschwerde erneut stattgebenden Entscheidung legte das Landesverwaltungsgericht u.a. dar, es seien weder auf dem südlichen Teil der übrigen Grundstücke vor dem 22. Jänner 2009 noch auf dem nördlichen Teil vor dem 22. Dezember 2009 Zwischenlagerungen erfolgt. Die Zwischenlagerungen hätten im Mai 2009 auf den Grundstücken x und y und auf den übrigen Grundstücken erst im Jahr 2011 begonnen. Auf Grund des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes sei nur zu prüfen gewesen, ab wann alle Bewilligungen vorgelegen hätten. Dies sei in Bezug auf den südlichen Teil der übrigen Grundstücke ab dem 22. Jänner 2009 und in Bezug auf den nördlichen Teil ab dem 22. Dezember 2009 der Fall gewesen.

10 Die in diesen Entscheidungsgründen dargelegten Sachverhaltsannahmen des Landesverwaltungsgerichts widersprachen den unstrittig richtigen, auf den Unterlagen der Revisionswerberin beruhenden Feststellungen in einem Prüfungsbericht des Zollamts vom Oktober 2014. Danach war mit den Zwischenlagerungen nicht im Mai 2009 auf den Grundstücken x und y, sondern im ersten und zweiten Quartal 2009 auf anderen Grundstücken des nördlichen Teils der übrigen Grundstücke begonnen worden. Sie waren im dritten Quartal 2009 noch zu einem geringen Teil auf anderen Grundstücken des nördlichen Teils, zum weitaus überwiegenden Teil aber auf den Grundstücken x und y fortgesetzt worden und hatten im vierten Quartal 2009 ausschließlich auf den Grundstücken x und y stattgefunden. Der Bericht vom Oktober 2014 enthielt auch Feststellungen über die Zwischenlagerungen in den Jahren 2010 bis 2013. Danach wurde in den ersten beiden Quartalen 2010 noch weiter auf den Grundstücken x und y und in der Folgezeit auf anderen Grundstücken des Geländes zwischengelagert. 11 Auf der Grundlage dieses Berichts erließ das Zollamt im nunmehr revisionsgegenständlichen Verfahren den Bescheid vom 8. Juni 2015 über die Festsetzung des (quartalsweise berechneten) Altlastenbeitrags für den Zeitraum vom 1. Quartal 2009 bis zum vierten Quartal 2013. Die Beitragspflicht für die Zwischenlagerungen wurde in diesem Bescheid für die Grundstücke x und y auf die Entscheidung des Landesverwaltungsgerichts vom 24. Februar 2015 und für die übrigen Grundstücke auf den Feststellungsbescheid der Bezirkshauptmannschaft vom 29. April 2015 und insgesamt (ohne zeitliche Einschränkungen) auf die Bindung an diese Feststellungen im Verfahren zur Beitragsfestsetzung gestützt.

12 Zur Beschwerde der Revisionswerberin gegen den Bescheid vom 8. Juni 2015 erließ das Zollamt eine abweisende, erneut auf die Bindung an die Feststellungen verweisende Beschwerdevorentscheidung , wogegen die Revisionswerberin einen Vorlageantrag einbrachte. 13 Zum Zeitpunkt der nunmehr angefochtenen Entscheidung des Bundesfinanzgerichts war, wie bereits erwähnt, im Feststellungsverfahren betreffend die Grundstücke x und y - nach Aufhebung des Erkenntnisses, auf das sich das Zollamt im Bescheid vom 8. Juni 2015 gestützt hatte - noch keine neue Entscheidung ergangen. Das Bundesfinanzgericht klammerte die Quartale, in denen - nach den unstrittigen Prüfungsfeststellungen - (im dritten Quartal 2009 auch und in drei folgenden Quartalen nur) auf den Grundstücken x und y zwischengelagert worden war, aus dem angefochtenen Erkenntnis aus und erließ in Bezug auf diese Quartale (drittes Quartal 2009 bis zweites Quartal 2010) in der Folge einen Aussetzungsbeschluss.

14 Hinsichtlich der übrigen Grundstücke lag im diesbezüglichen Feststellungsverfahren die Entscheidung des Landesverwaltungsgerichts vom 29. Mai 2017 vor. Mit dem jetzt angefochtenen Erkenntnis vom 27. Dezember 2018 entschied das Bundesfinanzgericht über den Altlastenbeitrag für die Quartale, in denen nach dem Prüfungsbericht vom Oktober 2014 nur auf diesen übrigen Grundstücken zwischengelagert worden war (erstes und zweites Quartal 2009, drittes Quartal 2010 bis viertes Quartal 2013).

15 Das Bundesfinanzgericht gab der Beschwerde in Bezug auf den Zeitraum drittes Quartal 2010 bis viertes Quartal 2013 auf Grund der vom Landesverwaltungsgericht getroffenen Feststellungen statt (Spruchpunkt 2), wies die Beschwerde im nunmehr angefochtenen Spruchpunkt 1 seines Erkenntnisses aber in Bezug auf das erste und das zweite Quartal 2009 als unbegründet ab, weil in diesen Quartalen nach den Feststellungen im Prüfungsbericht Zwischenlagerungen auf Grundstücken im nördlichen Teil des Areals erfolgt waren, für den nach den Ausführungen des Landesverwaltungsgerichts erst ab dem 22. Dezember 2009 alle erforderlichen Bewilligungen vorlagen. An die Sachverhaltsannahme des Landesverwaltungsgerichts, beitragspflichtige Zwischenlagerungen hätten (außerhalb der Grundstücke x und y) insgesamt nicht stattgefunden, erachtete sich das Bundesfinanzgericht - entgegen der diesbezüglichen Argumentation der Revisionswerberin - nicht gebunden.

16 Eine Revision erklärte das Bundesfinanzgericht für nicht zulässig.

17 In der im Februar 2019 eingebrachten außerordentlichen Revision werden zu deren Zulässigkeit vor allem Fragen der Bindung an die Entscheidung des Landesverwaltungsgerichts ins Treffen geführt. In einer Replik auf die Revisionsbeantwortung des Zollamts verweist die Revisionswerberin aber auch auf das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 27. März 2019, Ro 2019/13/0006, worin der Verwaltungsgerichtshof in Abkehr von einer mit einem Erkenntnis des Jahres 2013 begründeten Rechtsprechung aussprach, das Gesetz biete keine Grundlage für die Annahme einer Beitragspflicht für Zwischenlagerungen der hier verfahrensgegenständlichen Art.

 

18 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

19 Die Revision ist zulässig und begründet.

20 Nach dem schon erwähnten Erkenntnis eines verstärkten

Senates vom 27. März 2019, Ro 2019/13/0006, das vom Bundesfinanzgericht noch nicht berücksichtigt werden konnte und auf das gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird, steht fest, dass Zwischenlagerungen der auch im vorliegenden Fall strittigen Art in Ermangelung eines diesbezüglichen Abgabentatbestandes im Gesetz nicht der Altlastenbeitragspflicht unterliegen.

21 Der Fall wirft jedoch die im Zulässigkeitsvorbringen angesprochene Frage nach der Bindung an die ebenfalls noch vor dem Erkenntnis des verstärkten Senates ergangene und unangefochten gebliebene Entscheidung des Landesverwaltungsgerichts im Feststellungsverfahren auf. Diese Bindung wäre grundsätzlich zu bejahen (vgl. in diesem Zusammenhang zuletzt etwa den Beschluss VwGH 21.8.2017, Ra 2017/16/0114, und das Erkenntnis VwGH 1.3.2018, Ra 2017/16/0102).

22 Im vorliegenden Fall hat das Landesverwaltungsgericht seine unangefochten gebliebene Entscheidung vom 29. Mai 2017 aber so formuliert und auch gemeint, dass sie der dem Erkenntnis des verstärkten Senates Rechnung tragenden Aufhebung der angefochtenen Entscheidung des Bundesfinanzgerichts über die ersten beiden Quartale des Jahres 2009 nicht entgegen steht. Das Landesverwaltungsgericht hat keine beitragspflichtige Tätigkeit, sondern nur das Fehlen von Beitragspflicht ab zwei für den südlichen und den nördlichen Teil des Areals unterschiedlichen Zeitpunkten der Erteilung aller erforderlichen Bewilligungen festgestellt und der Beschwerde gegen den Bescheid, der sich nach dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes auf den Zeitraum von Mai 2009 bis zum 29. April 2015 bezog, auf dieser Grundlage erneut stattgegeben, weil es davon ausging, dass die Tätigkeit jeweils erst nach dem festgestellten Zeitpunkt begonnen habe. Eine bindende Feststellung des Vorliegens einer beitragspflichtigen Tätigkeit (§ 10 Abs. 1 Z 3 ALSAG) kann dieser Erledigung der Beschwerde gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft nicht entnommen werden.

23 Mangels Bindung an einen gegenteiligen Ausspruch im Feststellungsverfahren war die hier angefochtene Entscheidung des Bundesfinanzgerichts daher - dem Erkenntnis des verstärkten Senates über das Fehlen einer Beitragspflicht für bloße Zwischenlagerungen Rechnung tragend - im Umfang der Anfechtung gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufzuheben.

24 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 20

14.

Wien, am 17. Juli 2019

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte