VwGH Ra 2019/09/0054

VwGHRa 2019/09/005422.5.2019



Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rosenmayr und die Hofräte Dr. Doblinger, Dr. Hofbauer und Mag. Feiel sowie Mag. Rossmeisel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Hotz, über die außerordentliche Revision der J GmbH in W, vertreten durch Mag. Rainer Hochstöger, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Hafferlstraße 7/2. Stock, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 24. Jänner 2019, Zlen LVwG 20.3-2068/2018-21, LVwG 20.3-2069/2018-21, LVwG 20.3- 2070/2018-22, betreffend Maßnahmenbeschwerde in einer Angelegenheit nach dem Glücksspielgesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Liezen), zu Recht erkannt:

Normen

B-VG Art130 Abs1 Z2
B-VG Art132 Abs2
GSpG 1989 §50 Abs1
GSpG 1989 §50 Abs2
GSpG 1989 §50 Abs3
GSpG 1989 §50 Abs4
HausRSchG 1862
MRK Art8
MRK Art8 Abs2
StGG Art9
VwGG §42 Abs2 Z1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019090054.L00

 

Spruch:

Das Erkenntnis wird im Umfang des Spruchpunktes B. wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von 1.346,40 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Am 23. Juli 2018 fand im Lokal der revisionswerbenden Partei eine Kontrolle nach dem Glücksspielgesetz statt. Aufgrund dieser Kontrolle erhob die revisionswerbende Partei mit Schriftsatz vom 6. August 2018 Maßnahmenbeschwerde wegen der Durchführung einer Hausdurchsuchung.

2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis erklärte das Landesverwaltungsgericht Steiermark das im Rahmen der Kontrolle erfolgte Aufbrechen der Eingangstüre (angefochten mit einer gesonderten Maßnahmenbeschwerde) für rechtswidrig

(Spruchpunkt A.). Die Maßnahmenbeschwerde gegen die Durchführung einer Hausdurchsuchung wies es als unbegründet ab

(Spruchpunkt B.). Eine weitere gesonderte Maßnahmenbeschwerde gegen das dabei vorgenommene Abkleben der Kameras wies das Landesverwaltungsgericht ebenfalls ab (Spruchpunkt C.). Es verpflichtete den Bund, der revisionswerbenden Partei die Kosten des Verfahrens zu ersetzen und wies den Antrag auf Zuerkennung der Stempelgebühren ab (Spruchpunkt D.). Überdies sprach das Landesverwaltungsgericht aus, die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof sei unzulässig.

3 In der Entscheidungsbegründung stellte das Landesverwaltungsgericht - soweit hier von Relevanz - zusammengefasst fest, dass die revisionswerbende Partei die belangte Behörde mit Schreiben vom 5. Juli 2018 darüber informiert habe, dass sie das gegenständliche Geschäftslokal von ihrem Untermieter zurückbekommen habe und das Lokal nicht weiterführen werde. Außerdem habe sich die revisionswerbende Partei bereit erklärt, die beschlagnahmten Geräte in die Bezirkshauptmannschaft zu bringen. Es sei von der Bezirkshauptmannschaft nicht nachgefragt worden, wann das Lokal geschlossen werde. Am 23. Juli 2018 hätten Polizisten im Zuge mehrerer Kontrollen nach dem Glücksspielgesetz vor dem gegenständlichen Lokal erkannt, dass dieses geschlossen und nicht mehr in Betrieb gewesen sei. Dennoch sei - nach Betätigung der Türklingel - die Eingangstüre mit Hilfe des Schlüsseldienstes geöffnet worden. Im Lokal sei erkannt worden, dass mit dem Abbau der Einrichtungsgegenstände bereits begonnen worden sei. Aufgrund der Feststellung, dass das Lokal geschlossen war, sei die ursprünglich geplante Kontrolle unterblieben. Da nach Mitteilung des Schlüsseldienstes die Eingangstüre nicht mehr versperrt werden hätte können, ohne das Schloss auszutauschen, sei im Thekenbereich nach einem Schlüssel gesucht worden. Der Schlüssel sei bei der Öffnung der ersten Lade bereits gefunden worden. Es sei eine Benachrichtigung im Lokal hinterlassen worden, dass dieser Schlüssel bei der Polizei hinterlegt sei.

4 Rechtlich führte das Landesverwaltungsgericht im Zusammenhang mit der Suche nach dem Schlüssel im Wesentlichen aus, das Öffnen der Lade habe ausschließlich dem Zweck gedient, Nachschau nach einem Schlüssel zu halten, um die Eingangstüre ohne Austausch des Schlosses und damit ohne größeren Eingriff in die Rechte der revisionswerbenden Partei abzuschließen und somit die Kontrolle zum Abschluss zu bringen, sodass nicht von einer Hausdurchsuchung auszugehen sei.

5 Gegen die Abweisung der Maßnahmenbeschwerde im Hinblick auf das Öffnen der Lade (Spruchpunkt B.) richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, in der die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und/oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

6 Das Landesverwaltungsgericht legte die Verwaltungsakten vor. Die vor dem Landesverwaltungsgericht belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung.

 

7 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

8 Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

9 Wenn die revisionswerbende Partei in ihrem Zulässigkeitsvorbringen moniert, das angefochtene Erkenntnis weiche von der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ab, weil es sich beim Öffnen der Lade um eine unzulässige Hausdurchsuchung und dadurch eine Verletzung des Hausrechtes gehandelt habe, so erweist sie sich als zulässig und begründet:

10 Im vorliegenden Fall hat das Verwaltungsgericht ausgesprochen, das Aufbrechen der Eingangstüre des

gegenständlichen Lokals im Rahmen einer Kontrolle sei rechtswidrig gewesen, weil zum Zeitpunkt der Kontrolle davon ausgegangen hätte werden müssen, dass das Lokal nicht mehr in Betrieb gewesen sei, "eine Überwachung der Bestimmungen des Glücksspielgesetzes schied somit von vornherein aus" (Unterstreichung im Original). 11 Zugleich hat das Verwaltungsgericht das Durchsuchen einer Lade im Zuge der Kontrolle aber als rechtmäßig befunden. Zwar genüge nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes "eine systematische Besichtigung wenigstens eines bestimmten Objektes" um als Hausdurchsuchung gewertet zu werden (Hinweis auf VfSlg. 11.895/1988) und sei auch die Öffnung einer Lade als Hausdurchsuchung anzusehen (Hinweis auf VwGH 24.4.2018, Ra 2017/17/0924). "(F)ür die Öffnung der Lade (sei) ... primär die Absicht einen Schlüssel zum Versperren der Eingangstüre zu finden im Vordergrund" gestanden.

12 Daher sei "von keiner Hausdurchsuchung auszugehen" (Unterstreichung im Original). "Sollte man dennoch zur Auffassung gelangen, dass das Öffnen der Lade mit einer Rechtswidrigkeit behaftet wäre, so stellt dies dennoch keinen eigenen Verwaltungsakt dar, weil dies im Zusammenhang mit dem rechtswidrigen Betreten der Geschäftsräumlichkeit zu sehen ist."

13 Diese Argumentation ist nicht nachvollziehbar. Zutreffend gibt das Verwaltungsgericht nämlich die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes - und diesem folgend - auch des Verwaltungsgerichtshofes wieder, dass eine systematische Besichtigung wenigstens eines bestimmten Objektes genügt, um als Hausdurchsuchung gewertet zu werden (VfSlg. 3.351/1958, 6.528/1971, 8.642/1979) und dass auch einer Durchsuchung, die sich auf einen bestimmten Kasten beschränkt (weil es höchst wahrscheinlich ist, dass der gesuchte Gegenstand sich dort befindet), nicht der Charakter einer Hausdurchsuchung genommen ist (VfSlg. 11.895/1988). Die Suche nach einem Gegenstand, von dem ungewiss ist, wo er sich befindet, ist ebenfalls für den Begriff einer Hausdurchsuchung wesentlich (vgl. dazu Wiederin, Zu Art. 9 StGG, Rz 33 ff, in Korinek/Holoubek (Hrsg.), Österreichisches Bundesverfassungsrecht). Eine derartige Suche hat nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts im vorliegenden Fall stattgefunden. Dass aber die Suche nach einem bestimmten Schlüssel zu einem bestimmten Zweck vom Begriff der Hausdurchsuchung ausscheide, findet weder in der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes noch des Verwaltungsgerichtshofes eine Grundlage.

14 Auch die weitere Begründung des Verwaltungsgerichtes, dass im Fall einer Rechtswidrigkeit des Öffnens der Lade dies keinen eigenen Verwaltungsakt darstellte, ist nicht überzeugend. Das Suchen in einem Einrichtungsgegenstand wurde nach der gerade zitierten Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes nämlich als Verwaltungsakt qualifiziert und auch die gegenständliche Suche ist vom Verwaltungsgericht zutreffend als Verwaltungsakt qualifiziert worden. Weshalb das Verwaltungsgericht im Fall einer Rechtswidrigkeit des Öffnens der Lade dies als keinen eigenen Verwaltungsakt qualifizieren will, ist widersprüchlich und unerfindlich.

15 Gänzlich außer Acht lässt das Verwaltungsgericht Art. 8 EMRK und die dazu ergangene Rechtsprechung des EGMR, wonach auch die Durchsuchung von Geschäftsräumlichkeiten als Eingriff in dieses Recht zu werten ist (vgl. etwa EGMR 20.12.2016, Lindstrand Partners Advokatbyrå Ab/Sweden, 18700/09 und 16.12.1992, Niemitz/Deutschland, 13710/88). Gerade bei der Suche nach einem Schlüssel, der schon begrifflich ein wesentliches Mittel für den Zugang zu persönlichen und privaten Gegenständen und Informationen darstellt, ist dies offenkundig. Eingriffe in das in Art. 8 Abs. 2 EMRK gewährleistete Recht sind nur dann zulässig, wenn sie gesetzlich vorgesehen und zur Erreichung eines der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele erforderlich sind. Im vorliegenden Fall war die Durchsuchung der Einrichtungsgegenstände des gegenständlichen Lokals nicht gesetzlich vorgesehen. Wie das Verwaltungsgericht selbst ausgesprochen hatte, war das Öffnen der Eingangstüre und damit das Betreten rechtswidrig. Schon daraus folgt, dass auch das Durchsuchen der Einrichtungsgegenstände rechtswidrig war. Die Durchsuchung der Lade in einem Einrichtungsgegenstand des Lokals nach dem Schlüssel war zur Erreichung des Zwecks einer Verschließung nach dem rechtswidrigen Aufbrechen auch weder erforderlich noch verhältnismäßig. 16 Das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes erweist sich daher im angefochtenen Umfang als rechtswidrig, sodass dessen Spruchpunkt B. gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war. 17 Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 VwGG abgesehen werden.

18 Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 47 VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 22. Mai 2019

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