VwGH Ra 2019/03/0116

VwGHRa 2019/03/011616.10.2019

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger und die Hofräte Dr. Lehofer und Mag. Samm als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision des H K in I, vertreten durch Dr. Karl Hepperger, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Müllerstraße 27, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 24. Juli 2019, Zl. LVwG-2019/21/0663-2, betreffend Antrag auf Zahlungsaufschub bzw. Teilzahlung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Imst), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art133 Abs6 Z1
VwGG §33 Abs1
VwGG §34 Abs1
VwGVG 2014 §28 Abs1
VwGVG 2014 §31
VwRallg

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019030116.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Über den Revisionswerber war mit Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol (LVwG) vom 11. Juli 2018 - in Bestätigung eines entsprechenden Straferkenntnisses der belangten Behörde - wegen Übertretung des § 366 Abs. 1 Z 1 GewO 1994 eine Geldstrafe in Höhe von Euro 2000,-- bzw. eine Ersatzfreiheitsstrafe von acht Tagen verhängt worden. 2 Mit Bescheid der belangten Behörde vom 13. Februar 2019 wurde der Antrag des Revisionswerbers vom 4. Jänner 2019 auf Gewährung einer Zahlungserleichterung in Form eines Zahlungsaufschubs oder einer Teilzahlung abgewiesen, weil die Geldstrafe uneinbringlich sei und der Revisionswerber nicht dargelegt habe, seine finanziellen Schwierigkeiten seien bloß vorübergehender Natur.

3 Der Revisionswerber erhob Beschwerde, in der er mit näherer Begründung u.a. geltend machte, es bestehe eine positive Zukunftsprognose.

4 Nachdem die belangte Behörde am 18. Juni 2019 mitteilte, der Revisionswerber habe selbständig die Ersatzfreiheitsstrafe angetreten und zur Gänze verbüßt, entschied das LVwG mit dem nun in Revision gezogenen Beschluss dahin, dass die Beschwerde als unzulässig zurückgewiesen wurde; die Revision wurde für nicht zulässig erklärt.

5 Begründend führte das LVwG im Wesentlichen aus, ein weiter bestehendes Rechtsschutzbedürfnis des Revisionswerbers an der inhaltlichen Erledigung der Beschwerde sei zu verneinen, weil durch Verbüßung der Ersatzfreiheitsstrafe die seinerzeit verhängte Geldstrafe zur Gänze getilgt sei. Eine Eintreibung der Geldstrafe sei damit ebenso nicht mehr möglich wie ein (mit dem angefochtenen Bescheid nicht gewährter) Zahlungsaufschub bzw. die Gewährung einer Teilzahlung. Die in der Beschwerde aufgeworfenen Rechtsfragen hätten daher nur mehr theoretische Bedeutung; eine allenfalls die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids feststellende Entscheidung des LVwG sei gesetzlich nicht vorgesehen und könne ein aufrechtes Rechtsschutzbedürfnis nicht begründen.

6 Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende, zusammen mit den Verfahrensakten vorgelegte - außerordentliche - Revision.

7 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG). 8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemä?? Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 10 Die demnach für die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision allein maßgebende Zulässigkeitsbegründung der Revision legt nicht dar, dass der Verwaltungsgerichtshof bei Entscheidung über die vorliegende Revision eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen hätte.

11 Mit dem Vorbringen, die angefochtene Entscheidung weiche "von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs" ab, wird den an die gesetzmäßige Ausführung der Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gestellten Anforderungen schon deshalb nicht entsprochen, weil damit nicht konkret - unter Angabe zumindest einer nach Datum und Geschäftszahl bezeichneten Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes - angegeben wird, von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes das Verwaltungsgericht nach Ansicht des Revisionswerbers abgewichen sein soll (vgl. VwGH 11.7.2019, Ra 2019/03/0013; 29.10.2018, Ra 2018/02/0048; 7.8.2018, Ra 2018/11/0150, jeweils mwN). 12 Entgegen der Revision trifft es aber auch nicht zu, dass eine entsprechende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs fehle oder dass die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs nicht einheitlich beantwortet wurde:

13 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ist mit der Einstellung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens im Sinne des § 33 Abs. 1 VwGG nicht nur bei formeller Klaglosstellung, sondern auch bei "Gegenstandslosigkeit" der Beschwerde bzw. der Revision vorzugehen. Gegenstandslosigkeit wird angenommen, wenn durch Änderung maßgeblicher Umstände zeitlicher, sachlicher oder prozessualer Art das rechtliche Interesse des Beschwerdeführers bzw. Revisionswerbers an der Entscheidung wegfällt. Ebenso vertritt der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung, dass sich § 33 Abs. 1 VwGG entnehmen lasse, dass der Gesetzgeber das Rechtsschutzbedürfnis als Prozessvoraussetzung für das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof versteht. Liegt diese Voraussetzung schon bei Einbringung einer Revision nicht vor, ist diese unzulässig, fällt die Voraussetzung erst nach Einbringung einer zulässigen Revision weg, so führt dies zu einer Einstellung des Verfahrens (vgl. VwGH 22.5.2019, Ra 2017/04/0122; VwGH 21.11.2018, Ro 2018/03/0004, jeweils mwN).

14 Diese Überlegungen über das Bestehen eines Rechtsschutzinteresses als Voraussetzung für die Zulässigkeit der Erhebung einer Beschwerde bzw. einer Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurden auch schon auf das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht übertragen (vgl. VwGH 27.2.2019, Ro 2017/10/0032; VwGH 27.7.2017, Ra 2017/07/0014; VwGH 28.1.2016, Ra 2015/11/0027, jeweils mwN).

15 Das Rechtsschutzinteresse besteht bei einer Bescheidbeschwerde im objektiven Interesse des Beschwerdeführers an einer Beseitigung des angefochtenen, ihn beschwerenden Verwaltungsaktes. Dieses Interesse wird daher immer dann zu verneinen sein, wenn es für die Rechtsstellung des Beschwerdeführers keinen Unterschied mehr macht, ob der angefochtene Bescheid aufrecht bleibt oder aufgehoben wird bzw. wenn die Erreichung des Verfahrenszieles für den Beschwerdeführer keinen objektiven Nutzen hat, die in der Beschwerde aufgeworfenen Rechtsfragen insoweit nur (mehr) theoretische Bedeutung besitzen (vgl. VwGH 27.11.2018, Ra 2018/02/0162, mwN).

16 Im Revisionsfall ist nicht strittig, dass der Revisionswerber - nach Einbringung der Beschwerde, aber vor Entscheidung des Verwaltungsgerichts darüber - die mit Erkenntnis vom 11. Juli 2018 angeordnete Ersatzfreiheitsstrafe vollständig verbüßt hat. Eine Einbringung der (primär verhängten) Geldstrafe kam damit ebensowenig mehr in Betracht wie ein Zahlungsaufschub oder eine Bewilligung von Teilzahlungen. Das mit dem Antrag vom 4. Jänner 2019 gesteckte und mit der Beschwerde weiter verfolgte Ziel konnte daher vom Revisionswerber nicht mehr erreicht werden. Da die Feststellung einer (allfälligen) Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof wie auch im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten nicht vorgesehen ist, kann mit dem Interesse an einer solchen Entscheidung - anders als die Revision meint - ein (noch aufrechtes) Rechtsschutzbedürfnis nicht begründet werden (vgl. VwGH 23.4.2015, Ro 2015/07/0001; VwGH 24.3.2015, Ra 2014/03/0021).

17 Das LVwG hat seiner Entscheidung daher zutreffend die Auffassung zu Grunde gelegt, dass ein Rechtsschutzbedürfnis des Revisionswerbers nicht mehr aufrecht ist. Sofern es sich insofern im Ausdruck vergriffen hat, als es die Beschwerde zurückwies, anstelle (richtig) die Beschwerde als gegenstandslos geworden zu erklären und das Beschwerdeverfahren einzustellen, wurden dadurch subjektive Rechte des Revisionswerbers nicht verletzt (vgl. VwGH 26.4.2016, Ra 2016/03/0043): Nach dem oben Gesagten ist davon auszugehen, dass das Rechtsschutzbedürfnis des Revisionswerbers an der inhaltlichen Erledigung der Beschwerde nachträglich weggefallen ist, wovon auch das LVwG, das in seiner Entscheidung zum Ausdruck gebracht hat, ein Anspruch des Revisionswerbers auf Sachentscheidung bestehe nicht mehr, ausgegangen ist.

18 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 16. Oktober 2019

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